# taz.de -- Die Wahrheit: Die Insel des zweiten Gesichts
       
       > Die Buchungsbestätigungen für Flug, Finca, Leihwagen und Traumstrand
       > waren ausgedruckt. Da kam Vorfreude auf, aber nicht zu knapp.
       
 (IMG) Bild: Den Eingeschlossenen des Wurmlochs bleibt nur eines: abwarten und weitertrinken.
       
       Die Reiseverkehrskauffrau verstand mich blind. „Uns steht der Sinn nach
       kulturell reizvollem, sanftem Individualtourismus in einer veritablen
       Landschaftsidylle“, hatte ich ihr unsere Urlaubspläne grob skizziert. „Die
       Insel des zweiten Gesichts“, rief sie wie aus der Pistole geschossen, so
       als wäre sie wieder in der dritten Klasse und wollte beim Eckenrechnen
       endlich auch mal gewinnen. „Oder unter uns Kesselflickern … Malle!“
       
       Noch bevor wir uns setzen konnten, waren die Buchungsbestätigungen für
       Flug, Finca, Leihwagen und Traumstrand ausgedruckt. Da kam Vorfreude auf,
       aber nicht zu knapp. Und sie wurde noch verstärkt dadurch, dass wir uns als
       Teil eines kleinen exklusiven Clubs fühlen durften.
       
       Der Pilot verstand sein Handwerk und legte eine butterweiche Landung hin.
       Wir suchten beim Hinausgehen nach Klingelbeutel oder Untertasse, aber
       Trinkgelder schienen hier nicht üblich zu sein.
       
       „Sie sprechen aber gut Deutsch“, lobte meine Frau anschließend den
       Avis-Mitarbeiter mit dem mediterranen Teint, der uns den Wagen aushändigte.
       „Danke“, sagte er, „ich komme aus Düsburch.“ Der balearische Duisburger
       zeigte auf den Seat Ibiza. Der war so gut wie neu. Etwas verbrauchter sah
       dann der circa fünfzigjährige Herbergsvater Tony aus. In der etwas
       schmuddeligen Arbeitstracht der Einheimischen und mit der schon
       sprichwörtlichen mallorquinischen Tücke textete er uns zu in seiner
       unverständlichen Landessprache. Worst case! Beziehungsweise war Polen jetzt
       offen, aber so was von!
       
       Ich wunderte mich selbst über meine Geistesgegenwart. „Mi casa es tu casa.
       Arriba, arriba, ándale“, begrüßte ich ihn in der Sprache der Matadore. Und
       sofort war der Bann gebrochen. Er lachte Tränen vor Freude darüber, dass
       wir uns so gut verstanden, umarmte mich und schenkte mir frische Eier und
       Olivenöl, alles selbstgelegt, -gepflückt und -gepresst.
       
       „Costa brava. Hablamos Moltofill!“, warnte er uns mit erhobenem
       Zeigefinger. „In der Tat, gut, dass du es ansprichst“, antwortete ich. Wir
       waren natürlich längst beim du! „La cuenta, por favor! Oder um es anders
       auszudrücken: Wo ist der gottverdammte Pool?“ Er lachte einmal mehr
       freundlich, nickte wissend und führte uns in den 200-Quadratmeter-Garten.
       Da lagen schon die anderen sieben Parteien. „Ah, Frischfleisch“, riefen sie
       spöttisch. Man erkannte uns an den Eiern.
       
       Mallorca ist ein Schmelztiegel. Aus allen Teilen der Erde kommen
       Sinnsucher, Zivilisationsflüchtlinge und Einsamkeitsfanatiker hierher, um
       sich ihre jährliche Dosis Arkadien abzuholen und einzupfeifen. Wir fühlten
       uns auf beinahe schon metaphysische Weise zu Hause in diesem Garten Eden.
       Nur mit dem Käschern des Pools nimmt der Mallorquiner es nicht so genau.
       Unsere Besatzung richtete deshalb sofort ein Wasserqualitätskommando ein,
       ratzfatz ging das. Und am vorletzten Tag setzte ich auch noch den
       geliehenen Seat gegen den Baum. Einfach nur so. Wir hatten Vollkasko. Man
       muss im Urlaub alles mal gemacht haben. Malle, du alter amigo! Arrivederci!
       
       20 Aug 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Frank Schäfer
       
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