# taz.de -- Stadtverwaltung kauft öko und fair: Die Mühen der Correctness
       
       > Bremen macht langsam Fortschritte bei seinem Vorhaben, in seiner
       > Verwaltung nur noch öko-fair einzukaufen.
       
 (IMG) Bild: Korrekte Blumen: In der Bremer Verwaltung soll der Einkauf auf Fairtrade- und Öko-Produkte umgestellt werden.
       
       Beim Papier sind sie schon ziemlich weit. Fast schon an dem Punkt, an dem
       rot-grün mit Stolz verkünden könnte: Bei uns gibt es kein chlorgebleichtes
       Papier aus frisch geschlagenem Holz mehr. Aber wer sagt, dass nicht doch
       nicht in irgendeiner Amtsstube dieser Stadt jemand genau dieses Papier beim
       Laden an der Ecke kauft – und hernach vom Buchhalter auch bezahlt bekommt?
       Das lässt sich nur schwer kontrollieren. „Wir sind ein einkaufender
       Ameisenhaufen“, sagt die grüne Finanzsenatorin Karoline Linnert dann.
       
       Damals, 2007, als Linnert ins Amt kam, da wussten sie ja noch nicht mal,
       wie viel Papier sie überhaupt verbrauchen. Später gab es dann einen
       zentralisierten Einkauf, 2009 war das. Und wer immer noch das politisch
       unkorrekte Papier haben wollte, dem wurde es mit psychologischen Tricks
       etwas schwerer gemacht. Erst seit Juli vergangenen Jahres gibt es im
       elektronischen Katalog nur noch das Recycling-Papier zu bestellen. „Und
       keiner“, sagt Linnert, „hat das andere vermisst.“ Der Ameisenhaufen, sagt
       sie, „ist kleiner geworden.“
       
       3.000 Artikel mit einem Volumen von fast zehn Millionen Euro sind in dem
       elektronischen Katalog, den Immobilien Bremen führt, mittlerweile gelistet,
       schrittweise wird er auf ökologische Produkte umgestellt. Bislang muss aber
       niemand dort bestellen. Doch immerhin kauft Bremens Verwaltung jedes Jahr
       für etwa 100 Millionen Euro ein. Mit ihren Einkäufen ist die öffentliche
       Hand in Deutschland für 16 Prozent des Bruttoinlandsprodukts
       verantwortlich, sagt Christopher Duis vom Bremer entwicklungspolitischen
       Netzwerk. „Das ist eine relevante Nachfrage.“
       
       Seit 2009 gibt es in Bremen vollständig regenerativ erzeugten Öko-Strom,
       2010 wurden die ersten schadstofffreien Überwurfschürzen für die
       Reinigungskräfte angeschafft, 2011 energieeffiziente und emissionsarme
       Kopierer gemietet. Und der vergangenes Jahr neu gekaufte Teppich im
       Senatssaal des Rathauses – nepalesische Hochlandwolle – ist auch politisch
       korrekt.
       
       ## Auch die Kliniken sollen umstellen
       
       Jetzt sollen bald auch die Bettlaken und Handtücher in den kommunalen
       Kliniken – Fachleute nennen das Flachwäsche – öko-fairen Standards
       entsprechen. „Aber es gibt gar nicht so viele Produzenten, die da in Frage
       kommen“, sagt Kirsten Wiese, Leiterin eines EU-Projektes zur
       sozialverantwortlichen öffentlichen Beschaffung, an dem sieben Kommunen und
       Nichtregierungsorganisationen beteiligt sind.
       
       Was in Bremen vom Staat neu gekauft wird, soll, schon seit 2009, den
       „Kernarbeitsnormen“ der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO)
       entsprechen. Da steht zum Beispiel drin, dass es keine ausbeuterische
       Kinderarbeit und keine Zwangsarbeit geben darf, keine Diskriminierung und
       kein Verbot, einen Betriebsrat zu gründen.
       
       ## Hardware-Lieferanten bemühen sich
       
       Doch einen fair gehandelten Computer, der all diese Anforderungen erfüllen
       könnte, „den gibt es nicht“, sagt Duis. In Bremen sind sie deshalb schon
       froh, dass sie dem neuen Hardware-Lieferanten des Landes „ein Bemühen“
       abgerungen haben, sich um „Fortschritte“ bei der Durchsetzung der
       ILO-Kriterien zu kümmern. Er muss jetzt halbjährlich darüber Bericht
       erstatten. „Das ist ein schöner Erfolg“, sagt Wiese.
       
       Bei anderen Produkten sind die da schon weiter: Es gibt Steine und
       Arbeitsklamotten, die den neuen Standards entsprechen, gleiches gilt für
       Spielzeug und Sportbälle, für Tee, Kaffee, Kakao und Reinigungsmittel. Doch
       schon bei den Blumen, die der Bürgermeister bisweilen überreicht, wird es
       wieder schwierig: Zwar gibt es auch die heutzutage mit Fair Trade-Siegel.
       Doch auch dann können sie schädliche Pestizide enthalten, sagt Wiese. „Das
       ist unbefriedigend“, so Duis.
       
       ## Zeit benötigt
       
       Auch die Glühbirnen sollen ausgetauscht werden, schrittweise, gegen
       energiesparende LED-Leuchten. „Doch eine flächendeckende Umstellung“, sagt
       Linnert, „können wir uns nicht leisten.“ Dennoch sei öko-fairer Einkauf
       oftmals „nicht vordergründig eine Geldfrage“, sagt Linnert. Natürlich: Wenn
       die preisliche Diskrepanz zwischen öko-fairem und dem politisch unkorrekten
       Konsum zu groß werde, „dann machen wir das nicht“. Aber, so ihre Botschaft,
       „wenn man sich dahinterklemmt“, dann „geht vieles“. Allerdings brauche auch
       das rot-grüne Bremen „ein paar Jahre Zeit“, um „eingeschliffene
       Verhaltensweisen zu ändern“, sagt Linnert.
       
       Und so gibt es in vielen Kantinen auch immer noch das billige Fleisch aus
       der Massentierhaltung. Das andere ist halt deutlich teurer, Speisepläne,
       manchmal sogar ganze Küchen müssten umgestaltet werden. Und die Zahl der
       Kantinen in Kindergärten, Schulen, Behörden, oder Hochschulen ist groß,
       zudem sind viele verpachtet. Auch Rot-Grün könne da nicht einfach
       durchregieren, sagt Linnert. „Und ein martialischer Senatsbeschluss allein
       ändert da gar nichts.“
       
       23 Aug 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Zier
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Fair Trade
 (DIR) Genossenschaft
       
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