# taz.de -- Großzügigere Flüchtlingspolitik: Familien dürfen nachkommen
       
       > Schleswig-Holstein geht voran: Syrische Flüchtlinge dürfen dort künftig
       > Verwandte nachholen. Sie müssen aber für deren Lebensunterhalt sorgen.
       
 (IMG) Bild: Wer es in den Westen schafft, lässt oft seine Familie zurück: syrische Flüchtlingsmutter mit Kindern im Libanon.
       
       KIEL taz | Serpil Midyatli, migrationspolitische Sprecherin der
       SPD-Landtagsfraktion in Kiel, kommentierte die Nachricht mit einem Wort:
       „Endlich!“ Ab sofort dürfen Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien, die bereits
       in Schleswig-Holstein leben, ihre Verwandten nachholen. Seit Wochen setzt
       sich der schleswig-holsteinische Innenminister Andreas Breitner (SPD) für
       diese Ausnahmeregelung ein.
       
       Den Weg dafür hatte der Bundestag im Juni frei gemacht. Dennoch dauerte es,
       bis Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) dem Vorstoß aus Kiel
       zustimmte. Inzwischen folgen andere Bundesländer, darunter Niedersachsen
       und Bremen. Aus Sicht von Flüchtlingsräten ist die Ausnahmeregel
       erfreulich. Sie bemängeln aber ungeklärte Details. Und:
       Öffentlichkeitswirksame Hilfe für einzelne Gruppen lässt vergessen, dass
       grundsätzliche Probleme bei der Aufnahme von Flüchtlingen ungelöst bleiben.
       
       Zurzeit leben 1.600 Syrer in Schleswig-Holstein. Der Flüchtlingsrat geht
       davon aus, dass 74 Familien und einige hundert Einzelpersonen, darunter 199
       Kinder, ihre Verwandten nachholen wollen – wobei unklar ist, ob alle von
       der neuen Regelung profitieren können, wie Martin Link vom Flüchtlingsrat
       sagt.
       
       „Wir freuen uns über den Vorstoß des Innenministers“, so Link. „Es ist aber
       die Frage, wie sich örtliche Behörden und vor allem die Deutschen
       Botschaften verhalten.“ Denn wer zu seiner Familie nach Deutschland will,
       braucht ein Visum. „In zehn Fällen, von denen wir wissen, wurden die Visa
       siebenmal verweigert und dreimal bis dato nicht beschieden.“
       
       Für Breitner ist die Sonderregelung eine „humanitäre
       Selbstverständlichkeit“. Er hatte zunächst auf eine bundeseinheitliche
       Regelung gewartet, die den fraktionsübergreifenden Beschluss des
       Bundestages umsetzt. Der verspricht, die Aufnahme von 5.000 Flüchtlingen
       aus Syrien – längst beschlossen – „möglichst zügig“ umzusetzen, außerdem
       sollen studentische Visa verlängert und Ermessensspielräume für Syrer ohne
       dauerndes Aufenthaltsrecht großzügig ausgelegt werden.
       
       Wirklich neu ist die Möglichkeit für die Länder, den Nachzug von
       Angehörigen eigenständig zu handhaben: Bremen ermöglicht Müttern, Vätern
       und Geschwistern die Einreise, Schleswig-Holstein und Niedersachsen legen
       dabei das Verwandtschaftsverhältnis großzügiger aus, Sie stellen aber eine
       Hürde auf: Die Familie in Deutschland muss sich verpflichten, „dass die
       Kosten für Unterbringung und Lebensunterhalt übernommen werden“, teilt das
       niedersächsische Innenministerium mit. „Das werden nicht alle Familien
       schaffen“, befürchtet Martin Link. Er hoffe auf „großzügige Entscheidungen
       im Einzelfall“.
       
       Klar sei, dass das große öffentliche und mediale Interesse am Konflikt in
       Syrien helfe, Ausnahmen durchzusetzen. „Die Jahrzehnte dauernden
       Bürgerkriege in Somalia oder im Kongo haben nicht zu einem liberaleren
       Umgang mit den Opfern dieser Konflikte geführt“, sagt Link. Seit Jahren
       werde gefordert, regelmäßig Flüchtlinge aus Krisengebieten in europäischen
       Ländern anzusiedeln, statt nur in Einzelfällen. Zuletzt gab es 2010 ein
       Sonderprogramm für bundesweit 2.500 Flüchtlinge aus dem Irak.
       
       29 Aug 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Esther Geisslinger
       
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