# taz.de -- Kolumne Ich meld' mich: Überhang an Überschwang
       
       > Das Fischerdörfchen, die Schönheit, die Sehnsucht und die Kunst Orte gut
       > zu verkaufen.
       
 (IMG) Bild: Individueller Meerblick inklusive.
       
       Freitagabend in einer Hamburger Werbeagentur. Der Sommerkatalog eines
       großen Reiseveranstalters steht kurz vor der Fertigstellung. Leere
       Kaffeetassen, Energy-Drink-Dosen und schwarze Designerschalen mit
       Gummibärchen sorgen für eine anregende Atmosphäre. Die Luft sprüht vor
       Kreativität. „So, letzte Seite vor dem Kleingedruckten“, verkündet der
       Artdirector. „Was fehlt noch, Horst?“ „Antacosta und dieses schnucklige
       kleine Hotel“, sagt der Grafiker und klickt ein Foto auf seinen Bildschirm.
       
       „Mann, da blättert ja die Farbe von der Fassade“, staunt der Trainee.
       „Stimmt“, sagt der Texter, „ein bisschen in die Jahre gekommen ist es.“
       „Und direkt davor führt die Autobahn vorbei. Da schafft es doch nie einer
       rüber.“ „Na mit ein bisschen gutem Willen …“ „Dazu rundherum all die
       halbfertigen Neubauten. Und hinten am Strand liegen nur Felsen und Tang und
       ein paar angespülte Plastikeimer.“
       
       „Aber ja, ja, ja, Herr Kurzmann“, entgegnet der Texter milde. „Und nun
       hören Sie mal zu: ’Ein Juwel für die Glückssucher unter den
       Individualisten! Wer im Urlaub weder auf Friedhofsruhe noch auf
       Paparazzi-Hype steht, findet hier seinen Kraftort. Das Fischerdörfchen
       Antacosta ist eine facettenreiche Schönheit, die eben aus dem
       Dornröschenschlaf erwacht. Unser apartes Hotel hat gegen alle modischen
       Zumutungen seinen architektonischen Charme bewahrt. Wer den
       robust-romantischen Strand erreicht, lässt die Fährnisse menschlicher
       Zivilisation hinter sich und wird eins – mit sich, den Zeugen der Natur und
       den Sendboten der weiten Welt.“
       
       „Sehen Sie, so geht das“, sagt der Artdirector großmütig zum Trainee. „Bist
       du dann durch, Joe? „Ne, ich hab noch einen Überhang an Überschwang“,
       antwortet der Texter. „Jede Menge ’idyllischer Flecken‘, ’verträumter
       Ecken‘ und ’romantischer Winkel‘ “. „Bestens“, nickt der Artdirector.
       „Verstreu sie weiträumig über die Seiten. Muss ja ein bisschen funkeln, das
       Ganze.“ „Und Sie, Herr Kurzmann“, sagt er zum Trainee, „Sie müssen noch
       verdammt viel lernen.“
       
       31 Aug 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Franz Lerchenmüller
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Buddhismus
 (DIR) Namibia
 (DIR) Norwegen
 (DIR) Südafrika
 (DIR) Ecuador
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Kolumne Ich meld' mich: Ein Himmelsbegräbnis
       
       Wenn Holz fehlt und die Erde fast nur gefroren ist, dann bleibt oftmals
       nur, die Toten zu zerkleinern und sie den Geiern zu überlassen.
       
 (DIR) Kolumne Ich meld' mich: Die Wüste lesen
       
       Er konnte die Wüste entziffern, ihn haute nichts um. Er war Pfadfinder,
       Botschafter Namibias und Guide aus Berufung. Ein Nachruf auf Marc Dürr.
       
 (DIR) Kolumne Ich meld' mich: Teufelskerl am letzten Limit
       
       Ob beim Surfen auf dem Toten Meer oder beim Trampen zum Himalaya, Jen
       Swunkemoet scheitert grandios. Und macht ein Top-Buch daraus.
       
 (DIR) Kolumne Ich meld`mich: In Seenot
       
       Vater und Sohn, Abenteuer und Reisen. Und das Zickzacktatoo der Kreuzotter.
       
 (DIR) Kolumne Ich meld`mich: Sein Wille geschehe
       
       Eine Frage des Durchsetzungsvermögens, nicht nur als Safari-Ranger in der
       wilden Natur. Wie Banker ticken.
       
 (DIR) Kolumne Ich meld' mich: Vor Einbruch der Nacht
       
       Im Yasuni Nationalpark in Ecuador lebt der Dschungel. Noch. Denn unter dem
       Boden liegen ergiebige Erdölfelder.