# taz.de -- „Sanfter Putsch“ in der Türkei: Generäle vor Gericht
       
       > Im Jahr 1997 zwangen türkische Militärs die islamistische Regierung
       > Erbakans zum Rücktritt. Jetzt müssen sich dafür mehrere Generäle vor
       > Gericht verantworten.
       
 (IMG) Bild: Angehörige der angeklagten ehemaligen Militärs vor dem Gericht in Ankara.
       
       ANKARA afp | In der türkischen Hauptstadt Ankara müssen sich seit Montag
       mehrere pensionierte Armeegeneräle wegen der Entmachtung der islamistischen
       Regierung von Ministerpräsident Necemttin Erbakan im Jahr 1997
       verantworten. Angeklagt sind insgesamt 103 Verdächtige.
       
       Das Verfahren reiht sich ein in eine Serie von Strafprozessen, mit denen
       die Justiz mutmaßliche Interventionen der Militärs gegen gewählte Politiker
       aufarbeiten will. Erbakan galt als Mentor des jetzigen Regierungschefs
       Recep Tayyip Erdogan.
       
       Die türkische Armee sah sich lange als Wächter über die säkuläre
       Staatsordnung der Türkei und nahm für sich das Recht in Anspruch, gegen
       zivile Regierungen vorzugehen, wenn diese nach ihrer Meinung vom Laizismus
       abwichen. Der 1996 ins Amt gewählte Erbakan, der Vater des politischen
       Islam in der Türkei, war der Armee deshalb von Anfang an ein Dorn im Auge.
       
       Die Generäle setzten die Regierung mit einer Reihe von Maßnahmen so unter
       Druck, dass Erbakan im Sommer 1997 zurücktreten musste und durch den
       konservativen Politiker Mesut Yilmaz ersetzt wurde. In der Türkei gilt die
       Intervention deshalb als „postmoderner Putsch“. Bereits in den Jahren 1960,
       1971 und 1980 hatten die Militärs ebenfalls amtierende Regierungen aus dem
       Amt gedrängt.
       
       Im Februar 1997 schickte die Armee in der Hauptstadt Ankara als Antwort auf
       mutmaßliche islamistische Tendenzen in Erbakans Partei eine Panzerkolonne
       auf die Straße. Zudem zwangen die Generäle den Regierungschef am 28.
       Februar 1997, eine Liste von Maßnahmen zur Bekämpfung des politischen Islam
       zu unterzeichnen.
       
       ## Staatsanwaltschaft fordert lebenslänglich
       
       Zu den nun Angeklagten gehört Ex-Generalstabschef Hakki Karadayi, der
       81-Jährige wurde aber laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Anadolu für
       verhandlungsunfähig erklärt wurde. Zudem müssen sich der ehemalige
       Vize-Generalstabschef Cevik Bir sowie andere hochrangige Ex-Militärs und
       Bürokraten verantworten. Die Staatsanwaltschaft fordert für alle
       Angeklagten lebenslange Haftstrafen.
       
       Das Verfahren soll bis zum Freitag in täglichen Sitzungen geführt werden;
       wann mit einem Urteil zu rechnen ist, stand zunächst nicht fest. Vor dem
       Gericht in Ankara demonstrierten laut Anadolu einige Anhänger der Militärs
       gegen das Verfahren.
       
       In den vergangenen Jahren sind in der Türkei mehrere hundert aktive und
       pensionierte Offiziere wegen mutmaßlicher Putschpläne gegen den heutigen
       Ministerpräsidenten Erdogan vor Gericht gestellt und zu teilweise langen
       Haftstrafen verurteilt worden. Die Prozesse trugen dazu bei, den
       politischen Einfluss der türkischen Militärs zurückzudrängen.
       
       Der 2011 verstorbene Erbakan war der Mentor Erdogans, der in den 1990er
       Jahren in Erbakans islamistischer Wohlfahrtspartei seine Karriere begann.
       Die Wohlfahrtspartei wurde Anfang 1998 verboten; zwei Jahre später gründete
       Erdogan die derzeitige Regierungspartei AKP.
       
       2 Sep 2013
       
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