# taz.de -- Zwei-Säulen-Modell: Gemeinschaftsschule immer gemeinschaftlicher
       
       > Das Kieler Kabinett verabschiedet ein neues Schulgesetz: Die einst von
       > der FDP durchgesetzte Regionalschule soll ganz wegfallen und aus dem
       > Hauptschulabschluss wird die Berufsbildungsreife.
       
 (IMG) Bild: Will nur noch zwei weiterführende Schuformen: Bildungsministerin Waltraud Wende (parteilos).
       
       KIEL taz | Die Schullandschaft in Schleswig-Holstein wird übersichtlicher:
       Laut dem neuen Schulgesetz, dem das Kabinett in Kiel am Mittwoch zustimmte,
       verschwinden ab dem kommenden Schuljahr die Regionalschulen. Sie werden in
       Gemeinschaftsschulen umgewandelt.
       
       Damit wird es nur noch zwei weiterführende Typen geben – Gymnasium und
       Gemeinschaftsschule, in der alle Kinder im Klassenverbund unterrichtet
       werden. Nur in wenigen Kernfächern wie Deutsch, Mathe und Englisch kann es
       stärkere und schwächere Lerngruppen geben – „in Ausnahmefällen“, wie
       Bildungsministerin Waltraud Wende (parteilos) betonte.
       
       Wende lobte sich und ihr Haus: In nur einem Jahr sei das Gesetz fertig
       geworden, über dessen Entwürfe auf mehreren Bildungskonferenzen zahlreiche
       Gruppen – Eltern, Schülervertretungen, Gewerkschaften, Kinderärzte –
       diskutiert haben. „Soviel Konsens gab es noch nie“, freute sich Wende. Die
       Opposition wie auch Lehrerverbände schütteln über diese Einschätzung die
       Köpfe: Schon während der Beratung gab es Kritik am Gesetz, unter anderem,
       weil die Begriffe „Bildung“ und „Erziehung“ nicht mehr vorkommen.
       
       „Das trägt dem Umstand Rechnung, dass unter diesen Begriffen in der
       Wissenschaft etwas Unterschiedliches, manchmal sogar Gegensätzliches
       verstanden wird“, erläuterte die ehemalige Universitätspräsidentin Wende.
       Richtig überzeugend klang das nicht, fand Matthias Heidn, Landeschef der
       Lehrergewerkschaft GEW: „Ohne in Wortklauberei verfallen zu wollen: Die
       meisten Menschen werden mit ,Bildung und Erziehung’ wesentlich mehr
       anfangen können als mit den von der Ministerin favorisierten ,pädagogischen
       Zielen’.“ Auch der Philologenverband, die Vertretung der Gymnasiallehrer
       und mit der GEW traditionell eher uneins, stimmt in diesem Fall zu: „Die
       Verbannung des Begriffs ’Erziehung‘ schwächt die erzieherische Autorität
       der Lehrkräfte“, sagte Verbandssprecher Jens Finger.
       
       In der Sache sind die Lehrervereinigungen geteilter Meinung: „Die Richtung
       stimmt“, findet GEW-Funktionär Heidn. Das Gesetz biete durch die Stärkung
       des gemeinsamen Lernens für viele Kinder die Chance, höhere Schulabschlüsse
       zu erreichen und die soziale Auslese im Schulsystem zurückzudrängen.
       
       Helmut Siegmon, Vorsitzender des Philologenverbandes, sieht das Gesetz
       dagegen als „Stützkorsett für eine ungerechte Bevorzugung der
       Gemeinschaftsschule gegenüber dem Gymnasium“. Sein Hauptkritikpunkt ist,
       dass Gymnasien grundsätzlich in acht Jahren zum Abitur führen sollen,
       Gemeinschaftsschulen dagegen in neun. Zuletzt hatten Gymnasien die Wahl
       gehabt. Allerdings gilt Bestandsschutz für die elf Gymnasien, die sich für
       „G9“ entschieden haben, und die vier, die „Turbo-“ und klassisches Abitur
       parallel anbieten.
       
       So soll es grundsätzlich drei Wege zum Abitur geben: über das Gymnasium,
       die Beruflichen Gymnasien und die Gemeinschaftsschulen. Kinder, die dort
       lernen, können nach neun Schuljahren einen Abschluss namens
       „Berufsbildungsreife“ ablegen, der den Hauptschulabschluss ersetzt. Nach
       zehn Jahren gibt es den „Mittleren Abschluss“ anstelle des alten
       Realschulabschlusses. Damit folge Schleswig-Holstein Ländern wie Berlin,
       Brandenburg und Bremen, in denen es ebenfalls ähnliche Modelle gebe, sagte
       Wende.
       
       Dass die Regionalschulen, die durch Zusammenlegung von Haupt- und
       Realschulen entstanden sind, nun zwangsweise umgewandelt werden, bemängelt
       vor allem die Opposition: „Um ihr Weltbild in Gesetzesform zu gießen, macht
       Wende ohne Not Grund- und Regionalschulen platt“, kritisiert Heike Franzen
       von der CDU-Landtagsfraktion.
       
       Im Rahmen der anstehenden Reform werden 17 Schulen geschlossen, weil sie
       die Mindestzahl von 240 Mädchen und Jungen nicht mehr erreichen – ein
       „Todesstoß“, klagt Anita Klahn (FDP). „Die Standorte hätten auf jeden Fall
       Schwierigkeiten, in die Verlängerung zu gehen“, verteidigt Wende den
       Beschluss.
       
       Durch das Gesetz bleiben große Fragen ungelöst. So ist der Weg zur
       Inklusion von Kindern mit Behinderungen unklar. „Wir haben AGs dazu
       eingerichtet“, sagt die Ministerin. Gerade in ländlichen Regionen können
       Schulen freie Stellen nicht mehr besetzen, gleichzeitig fordern die
       Lehrerverbände für die neuen Aufgaben mehr Pädagogen. Wende, die kurz nach
       ihrer Amtseinführung trotz sinkender Schülerzahlen am liebsten alle Stellen
       behalten hätte, berief sich gestern auf die Notwendigkeit, den Haushalt zu
       konsolidieren.
       
       12 Sep 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Esther Geißlinger
       
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