# taz.de -- Piraten im Wahlkampf: Parlament oder richtiger Beruf
       
       > Trotz schlechter Umfragewerte hoffen die Piraten auf den Bundestag – und
       > positionieren sich auch zu Offlinethemen.
       
 (IMG) Bild: Spitzenkandidatin der Berliner Piraten: Cornelia Otto.
       
       Für Cornelia Otto ist es eigentlich ein erfreulicher Wahlkampftermin. Der
       „Warme Otto“ hat eingeladen, eine Tagesstätte für Wohnungslose in Moabit.
       Hier kann die Berliner Spitzenkandidatin zeigen, dass die Piraten
       inzwischen auch zu Offlinethemen eine Meinung haben. Das Einzige, was hier
       gerade an das Internet erinnert, ist ihre gelbe Umhängetasche mit dem
       Aufdruck der Internetkonferenz re:publica.
       
       Fünf Tische, Kaffee, ein Stückchen Kuchen, jeweils sechs bis acht Besucher,
       ein Politiker, das ist der Rahmen. Und Cornelia Otto sagt Dinge, die gut
       ankommen bei den potenziellen Wählern. „Wir fordern ein bedingungsloses
       Grundeinkommen“, sagt sie. Und die Kosten des öffentlichen Nahverkehrs
       sollen auf alle umgelegt werden. Das versteht die 39-Jährige unter ihrem
       Kampf für „diskriminierungsfreie Räume, egal ob im Netz oder außerhalb“.
       
       Einige der Besucher sagen, dass sie sich vorstellen können, die Piraten zu
       wählen. Norbert etwa, ein hagerer, grauhaariger Mann Anfang 50, der seinen
       Nachnamen nicht nennen will. Das hätte er vorher gar nicht gedacht, dass
       die auch vernünftige Positionen hätten.
       
       Dann folgt ein Aber – und dieses Aber ist ein Problem für Cornelia Otto und
       ihre Partei: Verschenkt er da nicht seine Stimme, weil sie sowieso unter
       der 5-Prozent-Hürde bleiben?
       
       Denn die Umfragehöhenflüge der Piratenpartei liegen lange zurück, auch vom
       Überraschungsergebnis der Abgeordnetenhauswahl 2011 sind sie weit entfernt.
       Momentan liegen die Piraten bundesweit bei etwa 3 Prozent.
       
       Manche Piraten suchen die Schuld bei den Medien. Sie beklagen, dass sie zu
       wenig vorkämen, dass sie zu Prism und den Ausspähskandalen sehr wohl etwas
       zu sagen hätten, aber nicht gefragt würden. Andere analysieren
       selbstkritisch, dass man mehr aus der NSA-Affäre hätte herausholen können.
       
       Die Piraten sind im Wahlkampf dort zu finden, wo man sie erwartet: Bei der
       „Freiheit statt Angst“-Demo am vergangenen Samstag gab es viele
       orangefarbene Fahnen, für das kommende Wochenende planen sie eine Floßtour
       auf der Spree. Ihre Plakate sind zwar ein bisschen bunter, ein bisschen
       frecher als die der anderen Parteien, sie haben schmale Streifen unter
       andere Plakate gehängt. „Wahlversprecher“ steht darauf oder: „Ahaha …
       nein!“ Wirklich auffällig ist aber nur das Plakat, auf dem Ex-Oberpolterer
       Christopher Lauer abgebildet ist, dazu der Spruch: „Entschuldigt, wir
       hatten es uns auch einfacher vorgestellt.“
       
       Der Piratenwahlkampf ist recht unspektakulär. Die Berliner Piraten sind im
       Bundesvergleich trotzdem gerade in einer privilegierten Position. Denn wohl
       wegen ihrer Fraktion im Abgeordnetenhaus werden sie eingeladen zu
       Kandidatenrunden und Podiumsdiskussionen. Sie gehören dazu. Auf Augenhöhe
       mit denen, die schon drin sind im Bundestag.
       
       So wie vor einer Woche beim Türkischen Bund. Die anderen Parteien haben
       teils prominente Gesichter zur Diskussionsrunde ins Tiyatrom-Theater
       geschickt, Eva Högl, die Spitzenkandidatin der SPD, oder Petra Pau, die
       Vizepräsidentin des Bundestags. Auf der Einladung stand Cornelia Otto für
       die Piraten, aber dann sitzt doch Anne Helm auf dem Podium,
       Direktkandidatin in Neukölln.
       
       Das Thema Integration, um das es bei der Diskussion vor allem gehen soll,
       ist ihr eine Herzensangelegenheit. Anne Helm, 27, redet schnell, sehr
       schnell, von „rassistischen Diskriminierungsstrukturen, die oft nicht
       wahrgenommen werden“. Und von der Hoffnung, „dass Wahlversprechen gehalten
       werden, dass wir in den Bundestag kommen, um den Laden ein bisschen
       aufzumischen“.
       
       Cornelia Otto sitzt in der ersten Zuschauerreihe, immer wieder nickt sie.
       Nach der Diskussionsrunde sagt sie über die Chancen auf den
       Bundestagseinzug: „Vielleicht passiert es auch genau andersherum. Anne
       kommt rein und ich nicht.“
       
       Es ist in diesen Zeiten nicht immer klar, was bei den Piraten Hoffnung ist,
       was Koketterie oder Realitätsverlust. Denn sicher ist: Cornelia Otto ist
       die Einzige aus Berlin, die sicher drin ist, wenn die Piraten in den
       Bundestag kommen. „Interne Umfragen“ sehen ihre Partei bei 5 Prozent, sagt
       Otto. Viele Wähler treffen ihre Entscheidung in der Tat sehr kurzfristig.
       
       Deshalb ist auch Miriam Seyffarth wieder auf der Straße, die auf dem
       zweiten Platz der Landesliste kandidiert. Mit zwei Mitstreitern steht die
       27-Jährige am Dienstagnachmittag am Eingang zum U-Bahnhof Warschauer
       Straße. Man muss sehr genau hinschauen, um sie als Piratin zu erkennen: An
       ihrer schwarzen Lederjacke prangen zwei Minibuttons mit dem Parteilogo. Sie
       verteilt den „Kaperbrief“, die Wahlkampfzeitung der Piraten: „Kann ich dir
       was zu lesen mitgeben?“
       
       Manche schütteln den Kopf, andere greifen danach. Miriam Seyffarth sagt
       Danke und lächelt.
       
       Eine junge Frau ist schon vorbeigelaufen, dreht sich dann um und nimmt
       freudig ein Exemplar. Sie blättert gleich darin. Sie habe online den
       Wahl-O-Mat befragt, erzählt sie, und der habe ihr gesagt: höchste
       Übereinstimmung mit den Piraten, mehr als 80 Prozent. Eigentlich habe sie
       ja zur SPD tendiert. „Aber jetzt muss ich mich mal mit den Inhalten der
       Piraten auseinandersetzen.“
       
       Der Wahl-O-Mat als Wahlkampfhelfer. Miriam Seyffarth hat das in jüngster
       Zeit öfter erlebt, überhaupt habe sie den Eindruck, dass viele Leute
       offener und wohlwollender seien als noch vor einigen Monaten. „Ich weiß
       nicht, ob es reicht“, sagt sie. „Aber es macht zumindest wieder mehr Spaß.“
       
       Und sie gibt alles. „In einer Beziehung mit: Wahlkampf“, so hat es
       Seyffahrt nach einem langen Tag bei Twitter beschrieben. Im Frühjahr hat
       sie ihr Studium der Islamwissenschaften abgeschlossen. Nach dem 22.
       September muss sie sich dann einen richtigen Job suchen – falls es nicht
       doch noch klappt mit dem Mandat.
       
       Die Partei, sagt Miriam Seyffarth, habe in jedem Fall profitiert: Die
       Kandidaten konnten Erfahrungen sammeln, und Wahlkampfkostenerstattung gibt
       es ja auch. Und es sei ja auch toll, dass sie zumindest nicht mehr erklären
       müssten, wer sie überhaupt sind.
       
       12 Sep 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sebastian Erb
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Politische Bildung
 (DIR) Katharina Nocun
 (DIR) Drohnen
       
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