# taz.de -- Mythen über Rocker: Zu Gast bei Bandidos
       
       > Sie sehen gefährlich aus und es gibt Geschichten, die können einem Angst
       > machen. Im Clubhaus bei zwei der führenden deutschen Bandidos.
       
 (IMG) Bild: Zwei mächtige Bandidos: Peter Maczollek (links) und Leslav Hause.
       
       Es ist nicht ganz einfach, Peter Maczollek und Leslav Hause zu treffen.
       Auch wenn sie jetzt ein Buch geschrieben haben, das „Ziemlich böse Freunde“
       heißt, und von dem sie eigentlich gerne hätten, dass es sich ein bisschen
       verkauft. Untertitel: „Wie wir die Bandidos in Deutschland gründeten.“
       
       Man schreibt also dem Verlag und sagt, dass man die beiden gern interviewen
       würde. Kein Problem, sagt der Verlag. Man wartet und schreibt dem Verlag
       dann noch einmal, dass man die beiden gern treffen würde. Kein Problem,
       sagt der Verlag wieder.
       
       Irgendwann ruft Peter Maczollek dann an. Er klingt sehr nach Ruhrpott, ein
       bisschen gemütlich auch und vor lauter Schreck, dass plötzlich einer der
       führenden Bandidos von Deutschland am Apparat ist, redet man freundlichst
       als wäre es die Kanzlerin, man selbst eher Klöppel als Raab, und fragt sich
       danach, ob es ein wenig weniger höflich nicht auch getan hätte.
       
       Fragen schicken, verlangt Peter Maczollek. Er buchstabiert die
       E-Mail-Adresse seiner Frau. Kein Problem ansonsten. Er werde sich dann
       melden.
       
       Man schickt also die Fragen. Wie ist das mit dem Rockerparadox, Freiheit
       zelebrieren und in strengsten Hierarchien leben? Hat das überhaupt noch
       etwas mit Motorrädern zu tun? Was ist da gerade im Ruhrgebiet los, warum
       wird wieder so oft geschossen? Und beweist nicht ein Prozess, der gerade in
       Berlin läuft, dass unter dem Dach der Bandidos doch ziemlich viel gedealt
       und geklaut wird?
       
       Es passiert: nichts.
       
       Man schreibt dem Verlag und sagt, dass man die beiden wirklich gerne
       sprechen würde.
       
       Es dauert eine Weile, dann ist wieder Peter Maczollek dran. Alles kein
       Problem. Warum man sich denn nicht gemeldet habe? Man habe da so seltsame
       Fragen geschickt, irgendwas mit Rechtsradikalen. Aber alles kein Problem.
       Nächste Woche? Im Clubhaus in Bochum?
       
       Eine Straßenbahn fährt vom Bochumer Hauptbahnhof in das Gewerbegebiet,
       durch das auch die Alte Wittener Straße läuft, auf der das Clubhaus der
       Bochumer Bandidos liegt. Ein Haus, Rolläden runtergelassen. An der Fassade
       der Mexikaner mit Hut.
       
       ## Messer im Rücken
       
       Es gibt diese Geschichten von einem Reporter, der aufgeschrieben hat, wie
       er Rocker traf, den Hells-Angels-Boss Frank Hanebuth, und wie ihm während
       dieses Treffens irgendwann jemand von hinten ins Ohr flüsterte, dass man
       schneller ein Messer im Rücken haben könne, als einem lieb sei.
       
       Man denkt auch an so was, wenn man vor diesem Clubhaus in Bochum steht und
       die Nummer von Peter Maczollek wählt.
       
       Ein paar Sekunden später kommen Peter Maczollek und Leslav Hause um die
       Ecke. Groß, breit, tätowiert. Mit Arbeiterhemden und verwaschenen
       Junge-Leute-Jeans voller überflüssiger Nähte. Sie stellen sich als Peter
       und Les vor. Man duzt sich, keine Frage.
       
       Im Clubhaus ist im Untergeschoss eine Bar, an der Treppe hängen Bilder von
       Bandidos, oben im Member-Raum, wo nur die Mitglieder zugelassen sind, liegt
       ein Bandido mit Glatze auf dem Sofa und pennt. Nachtwache. Es ist mittags
       gegen eins. Was um das Haus herum passiert, zeigen mehrere Bildschirme am
       Ende des Raums. Überwachungskameras.
       
       ## Mit Pump-Guns und Kabelbindern
       
       Peter Maczollek und Leslav Hause saßen zuletzt vor mehr als zwanzig Jahren
       im Knast, WM 1990. Da hatten sie irgendeine Road Gang in Baden-Württemberg,
       die ihre Brüder nach einer Messerstecherei verpfiffen hatte, mit Schlägern,
       Pump-Guns und Kabelbindern überfallen – in einem etwas zu gelben Wagen. Die
       Wiederherstellung der Rockerehre scheiterte an derartigen Auffälligkeiten.
       
       Aber seitdem?
       
       Der Staat mag einen Verdacht haben. Der Staat hat gerade aber nichts in der
       Hand.
       
       Nichts Auffälliges, sagt auch die Polizei in Bochum. Wenn, dann in
       Gelsenkirchen, in Duisburg oder Krefeld. Maczollek, Hause? „Die fallen hier
       in Bochum in unserem Bereich nicht auf.“ International, keine Ahnung. Aber
       hier? Nein, wirklich nicht.
       
       Andererseits: Vielleicht hätte das auch die Polizei in Hannover vor ein
       paar Wochen noch über Frank Hanebuth gesagt. Jetzt sitzt er in Spanien im
       Knast. Die Vorwürfe: Geldwäsche, Drogenhandel, Erpressung.
       
       ## Überall Clubhäuser
       
       Peter Maczollek und Leslav Hause werden in diesem Gespräch alles abstreiten
       oder relativieren, was man ihnen vorhalten könnte. Sie mögen eben
       Motorräder. Ist es nicht toll, dass man überall Clubhäuser hat, wo man
       übernachten kann? Selbst in Frankreich oder Spanien?
       
       Das ist ja auch der Grund, warum jemand Nachtwache macht. Dass immer einer
       da ist, falls unverhofft Brüder aus einem anderen Land vorbeikommen. Und
       dass manchmal Hells Angels auf Bandidos-Clubheime schießen, dass sogar
       Granaten geworfen worden sind, auf dem Höhepunkt des so genannten
       Rockerkrieges vor drei Jahren? Damit hat das ja gleich mal überhaupt nichts
       zu tun.
       
       „Expect No Mercy“, das Zeichen, das angeblich die ledernen Kutten von
       Rockern ziert, die das Mitglied eines anderen Motorradclubs schwer verletzt
       oder getötet haben. Da sagen sie mal lieber nichts dazu. Und der
       1-Percenter-Mythos. Das eine Prozent der Rocker, die sich nicht an die
       Gesetze halten. Deshalb gelten die Hell's Angels und die Bandidos in den
       USA doch seit Jahrzehnten als Outlaw Motorcycle Gang.
       
       ## Ein paar schwarze Schafe
       
       „Das heißt doch nicht, dass sie kriminell sind. Das sind Leute, die
       vielleicht schräger sind und härter“, sagt Leslav Hause.
       
       Man kann das alles erklären.
       
       Vereinzelte schwarze Schafe, klar. Gebe es immer. Aber ist der ganze FC
       Bayern kriminell, nur weil Uli Hoeneß Steuern hinterzieht?
       
       Nach dem Gespräch hat man keine Angst mehr, man fühlt sich nur, als hätte
       einem der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank gerade erklärt, er habe
       mit diesem Kapitalismus ja nicht wirklich etwas zu tun.
       
       War doch ganz lustig.
       
       Aber kein Zweifel: Es ist derselbe Peter Maczollek, dessen Bild 2008 von
       allen Zeitungen der Welt gedruckt wurde, als er mit Frank Hanebuth in einer
       Anwaltskanzlei in Hannover einschlug. Rockerfrieden.
       
       Der Frieden ist vorbei.
       
       Ein paar Wochen nach dem Treffen in Bochum randalieren rund 100 Rocker in
       der Duisburger Innenstadt, schlagen mit Knüppeln auf Autos und werfen
       Flaschen auf andere.
       
       Peter Maczollek könnte das aber bestimmt erklären.
       
       Vereinzelte schwarze Schafe.
       
       Die Ganze Geschichte „Männer, die Halt suchen“ erscheint in der taz.am
       wochenende vom 21./22. September.
       
       21 Sep 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Johannes Gernert
       
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