# taz.de -- Razzien gegen Fußballfans: Zur Strafe nur Frauen und Kinder
       
       > Der Fußballclub Besiktas wird für Ausschreitungen bestraft. Die Polizei
       > nimmt bei Razzien 80 Fans der drei großen Istanbuler Vereine fest.
       
 (IMG) Bild: Der Fußballplatz als polizeilich besetze Zone
       
       ISTANBUL taz | Vier Heimspiele wird der Istanbul Fußballclub Beşiktaş ohne
       Zuschauer austragen müssen, wie der Türkische Fußballverband am
       Donnerstagabend bekannt gab. Der Verband reagiert damit auf die
       [1][Ausschreitungen beim Derby gegen Galatasaray], am Sonntagabend als
       einige hundert Beşiktaş-Fans den Platz stürmten, Ordner und Polizisten mit
       Plastikstühlen angriffen und einen Spielabbruch provozierten.
       
       Das Spiel wurde nun mit 0:3 für Galatasaray gewertet. Beşiktaş-Trainer
       Slaven Bilic wurde für drei Spiele gesperrt, Galatasaray-Spieler Felipe
       Melo für zwei. Zudem muss Beşiktaş eine Geldstrafe von umgerechnet rund
       25.000 Euro zahlen, davon knapp 15.000 Euro wegen „schlechter und
       hässlicher Parolen“ der Fans.
       
       Zehntausende Zuschauer hatten am Sonntagabend vor Spielbeginn und zuweilen
       auch während des Spiels regierungskritische Parolen skandiert. Als Reaktion
       auf die tragende Rolle, die Fußballfans – [2][insbesondere Fans von
       Besiktas] – bei den Gezi-Protesten im Frühjahr dieses Jahres gespielt
       hatten, hat der Verband zu Beginn dieser Saison politische Parolen in
       Stadien verboten.
       
       Allerdings ist derzeit nicht klar, ob Beşiktaş die kommenden vier
       Heimspiele tatsächlich vor leeren Rängen spielen wird oder vor einer
       besonderen Kulisse. Während [3][in der offiziellen Erklärung] von einer
       generellen Zuschauersperre die Rede ist, sagte der stellvertretende
       Verbandsvorsitzende Ufuk Özerten am Freitagmorgen, dass Frauen und Kinder
       unter zwölf Jahren zugelassen sein würden.
       
       Dies bestätigte ein Sprecher des Verbandes auf Nachfrage der taz: Frauen
       und Kinder dürften diese Spiele besuchen. Falls es aber zu „Beleidigungen
       und unerlaubten Parolen“ kommen sollte, werde der Verband den Fall erneut
       beraten und gegebenenfalls auch die Frauen aussperren.
       
       ## Ausschreitungen bei Fenerbahçe – Galatasaray 2012
       
       Fenerbahçe, der dritte im Bund der großen Istanbuler Clubs, musste im
       vergangenen Jahr nach Ausschreitungen im Spiel gegen Galatasaray fünf
       Heimspiele vor Frauen und Kindern austragen.
       
       Im Zusammenhang mit diesem Derby vom Mai 2012 stehen offenbar auch die
       Razzien, bei denen die Polizei am frühen Freitagmorgen in rund 80 Anhänger
       der drei großen Istanbuler Clubs festgenommen hat. Presseberichten zufolge
       werden den Festgenommen Gewalttaten, Erpressung und illegaler Tickethandel
       vorgeworfen.
       
       Die meisten Festnahmen gab es in Istanbul, weitere in Izmir, der
       westürkischen Industriestadt Kocaeli und im südanatolischen Mersin. Anders
       als von ausländischen Medien zunächst dargestellt, stehen jedoch nicht die
       Anführer der linksgerichteten Beşiktaş-Ultras von Çarşı im Mittelpunkt.
       Vielmehr gehören die meisten Verdächtigen der Gruppe Genç Fenerbahçeliler
       an, einer Ultravereinigung, die im Ruf steht, mit der regierenden AKP zu
       sympathisieren. Unter den Festgenommenen befindet sich auch Sefa Kalyan,
       der Anführer der Genç Fenerbahçeliler, sowie Muzaffer Şirin, Chef der
       Ultraslan, einer rechtsgerichteten Ultravereinigung von Galatasaray.
       
       ## Çarşı nicht im Mittelpunkt der Razzien
       
       Im Zusammenhang mit Çarşı ist nur von einer Festnahme die Rede: Alen
       Markaryan. Allerdings hatte sich dieser schon vor einiger Zeit von Çarşı
       zurückgezogen. Bei den Protesten hielt er sich zurück und kritisierte im
       Sommer in einem Interview die Rolle, die Beşiktaş-Ultras in der
       Gezibewegung einnahmen. Andere Anführer von Çarşı, die nach der [4][Räumung
       des Geziparks] im Juni 2013 zuhause festgenommen wurden und einige Tage in
       Untersuchungshaft verbrachten, sind von den Razzien am Freitag nicht
       betroffen, wie der Çarşı-Anwalt Koray Kırca der taz bestätigte.
       
       Dennoch sehen manche Fans in diesen Razzien den Versuch, generell die
       Stadien unter staatliche Kontrolle zu bringen. „Die Regierung hat ja nicht
       erst seit Gezi ein Problem mit uns“, sagte ein Mitglied von Çarşı der taz.
       „Die Tribüne ist ein unkontrollierter Raum. Und so etwas ist in der
       Ideologie der AKP nicht vorgesehen ist. Wie anderswo in Europa auch will
       man die Fans in Kunden und die Stadien in Einkaufszentren verwandeln.“
       
       Unterdessen sind die Hintergründe des [5][Platzsturms vom Sonntag] etwas
       klarer. In die Schlägerei, die an der Nordseite der Gegentribüne begann,
       waren wohl weder Mitglieder von Çarşı noch der neuen, vermeintlich
       unpolitischen Fangruppe „1453 Kartalları“ beteiligt. Vielmehr war es wohl
       eine gewöhnliche Tribünenschlägerei: Einige Fans wollten beim Spielstand
       von 1:2 das Stadion vorzeitig verlassen, andere ärgerten sich darüber, ein
       Wort ergab das andere, schließlich flogen die Fäuste.
       
       Wer kurz darauf aus der Mitte der Gegentribüne auf das Spielfeld stürmte,
       ist hingegen nach wie vor ungewiss. Fest steht nur, dass sich etliche
       hundert Leute gewaltsam Zugang zum Stadion verschafft haben. Dies berichten
       mehrere Augenzeugen übereinstimmend, was sich auch mit der Darstellung des
       Fußballverbandes deckt. Ungeklärt ist auch die Frage, warum die
       Sicherheitskräfte alledem tatenlos zusahen. Çarşı jedenfalls fordert, dass
       die Beteiligten ein lebenslanges Stadionverbot erhalten.
       
       27 Sep 2013
       
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