# taz.de -- Kampfsport: Ein Schlagen auf hohem Niveau
       
       > Bei der Heroes Fightnight im Huxleys geht es nicht zimperlich zu. Mit
       > einem archaischen Gewalthappening hat es aber noch lange nichts zu tun.
       
 (IMG) Bild: Bei der Sportart "Mixed Martial Arts" geht es darum, den Gegner doller zu vermöbeln als umgekehrt (Archivbild)
       
       Ein knappes lautes „Fight!“, der Gongschlag ertönt, und schon geht es los.
       Pünktlich zum ersten Kampf der Heroes Fightnight am Samstag im Berliner
       Huxleys betreten wir die Halle am Hermannplatz, laut Straßenschild passend
       zum Abend von Street-Art-Vertretern zum He-Man-Platz umbenannt. Es ist noch
       früh am Abend, um die 400 Zuschauer haben sich um den Ring versammelt,
       schauen den beiden relativ jungen Kämpfern zu, begrüßen sich und tauschen
       Fachwissen aus.
       
       Ähnlich wie beim Fußball oder fast jeder anderen Sportart (vom
       Dressurreiten vielleicht einmal abgesehen) wissen die Außenstehenden immer
       am besten, was zu tun wäre. „Lowkick!“, brüllt jemand immer wieder durch
       die Halle, während sein vermeintlicher Liebling den einen oder anderen
       Schlag einstecken muss, und meint damit einen tief angesetzten Tritt in
       Richtung Oberschenkel. „Jetzt gib ihm schon den Lowkick!“ Der Gong zur
       ersten Ringpause ertönt und mein Sitznachbar dreht genervt ab, während der
       Trainer seinem Schützling Luft zufächelt. „Ich hab doch gesagt, er soll den
       Lowkick machen, da wär die Sache hier schon längst vorbei.“
       
       ## Vier Kampfsportarten
       
       Vier verschiedene Kampfsportarten werden an dem Abend präsentiert, vom
       traditionellen Muay Thai über K1, bis hin zu den Mixed Martial Arts, einer
       Variante, die in Deutschland aufgrund ihrer Heftigkeit immer wieder für
       Kritik sorgt. Ein Großteil der Kämpfer jedoch betreibt K1, eine Mischung
       aus Karate, Kickboxen, Muay Thai, Taekwando und einigen anderen
       Kampftechniken.
       
       Was musste ich mir nicht schon alles anhören, seit ich vor über zehn Jahren
       die erste Veranstaltungen des Thaiboxgym Berlin e. V. besuchte: Das Ganze
       sei nichts weiter als ein archaisches Gewalthappening, menschenverachtend
       und roh. Wer ein solch professionelles Event bereits besucht hat, weiß
       natürlich um die Unsinnigkeit solcher Behauptungen, aber die Kritiker
       halten es meist wie Marge aus der US-Zeichentrickserie „Die Simpsons“: „Ich
       finde, weil es nicht mein Geschmack ist, sollte sich auch niemand anderes
       daran erfreuen.“
       
       Natürlich bringt dieser Sport auch Begleiterscheinungen mit, die man
       kritisieren kann. Als ich damals aus Freundschaft zu einem der Sportler die
       ersten Kämpfe im Kesselhaus der Kulturbrauerei besuchte und in der
       gedrungenen Enge des überfüllten Raumes stand, traute ich mich kaum zu
       atmen. Überall Lederkutten und Motorradfreunde, Hooligangruppierungen und
       anderweitig Gewaltaffine, zwischendrin ein paar nicht an den Kämpfen
       beteiligte Kampfsportler und wir, ein Haufen 18-jähriger Hänflinge, aus
       Loyalität zu ihrem kämpfenden Freund erschienen.
       
       Bei der Fightnight im Huxleys wirkt es fast, als hätte man einen bewussten
       Bruch vollzogen, ähnlich wie in den Kurven vieler Fußballstadien. In der
       weitläufigen Halle finden sich großteils Sportinteressierte ein, die
       Stimmung ist zu keinem Zeitpunkt angespannt oder gar bedrohlich. Auch im
       Ring geht es fair zu. Wer sein Vorurteil von martialischen Schlägertypen
       und bluttriefenden Testosteronpaketen bestätigt sehen will, muss woanders
       hingehen, hier wird er nicht fündig. Die Kämpfe finden auf hohem Niveau
       statt, mit Thongchai Kiatprapha hat man einen echten Spitzenathleten aus
       Thailand nach Berlin lotsen können, der seinem Ruf dann auch alle Ehre
       macht und den Kampf nach einer mehrminütigen traditionellen Ringweihe
       bereits in der ersten Runde durch technischen K. o. für sich entscheidet.
       
       ## Die richtige Hebeltechnik
       
       „Rodrigo, Rodrigooo, just one minute, passen, passen!“, dröhnt es nun aus
       mehreren Kehlen. Die Halle ist inzwischen gut gefüllt, der Abend neigt sich
       dem Ende zu und Rodrigo dürfte mitbekommen haben, dass ihm nur noch eine
       Minute Zeit bleibt, um den Kampf zu gewinnen. Er hat jedoch ein
       gravierendes Problem: er hat sich mit sämtlichen Extremitäten um seinen
       Gegner gewickelt und dieser hat logischerweise das Gleiche getan. Beide
       liegen sie auf dem Boden in der Mitte des Rings und suchen verzweifelt nach
       der richtigen Hebeltechnik. Als Außenstehendem fällt es schwer, die
       minimalistischen Griffe richtig einzuordnen, doch wenn man dem Publikum
       vertrauen kann, sind bereits kleinste Drehungen der Arme oder Beine von
       immenser Bedeutung.
       
       Immer wieder wirbeln sich die beiden wenige Sekunden durch den Ring, um
       dann minutenlang in den jeweiligen Positionen zu verharren. Neben mir
       erklärt jemand, es handele sich um Brasilian Jiu-Jitsu, eine
       Weiterentwicklung des japanischen Kodokan Judo, das den Schwerpunkt auf
       Bodenkampf legt. Nach geschlagenen zehn Minuten ist der Kampf vorbei und
       wird als unentschieden gewertet. Die beiden Recken taumeln aus dem Ring und
       können sich kaum auf den Beinen halten.
       
       Beide lächeln.
       
       13 Oct 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Juri Sternburg
       
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