# taz.de -- Korruption: Das große Dunkelfeld
       
       > Die Zahl der Anklagen wegen Korruption steigt. Während die Behörden sich
       > zufrieden zeigen, fordern Experten mehr Engagement.
       
 (IMG) Bild: Wie viel ist drin im Geldkoffer?
       
       Eigentlich ist es eine gute Nachricht. Immer mehr Korruptionsfälle werden
       von den Behörden aufgedeckt – und die Berliner Staatsanwaltschaft klagt
       immer mehr Beschuldigte an. Im vergangenen Jahr haben die
       Strafverfolgungsbehörden in 18 Verfahren Anklage wegen Korruptionsdelikten
       erhoben. 2011 waren es nur Anklagen in sechs Verfahren. 57 von 116
       erledigten Verfahren wurden 2012 eingestellt, der Rest unter anderem an
       andere Staatsanwaltschaften abgegeben. Doch die Dunkelziffer ist vermutlich
       viel höher.
       
       Die Liste der Korruptionsdelikte ist lang: Bestechung und Bestechlichkeit,
       Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung sowie wettbewerbsbeschränkende
       Absprachen bei Ausschreibungen. Rund ein Viertel der Verfahren betrifft die
       Wirtschaft. Ein anderer großer Bereich sind sogenannte Bagatelldelikte, zum
       Beispiel Bestechung – oder versuchte Bestechung – von Polizisten bei
       Verkehrskontrollen.
       
       20 Angeklagte wurden von den Berliner Gerichten im vergangenen Jahr zu
       Freiheitsstrafen verurteilt, 14 weitere zu Geldstrafen. Wie aus den
       Statistiken, die der taz vorliegen, hervorgeht, wurden zwölf Angeklagte
       freigesprochen.
       
       Dennoch fordert die Anti-Korruptions-Organisation Transparency
       International Deutschland das Land Berlin auf, mehr gegen Korruption zu
       unternehmen. Im Vergleich zu anderen Bundesländern sind die Zahlen in
       Berlin – trotz des Anstiegs der Anklagen – eher niedrig.
       
       Rüdiger Reiff, Leiter der Berliner Zentralstelle Korruptionsbekämpfung,
       hält dagegen. Die Zahlen, meint er, würden belegen, dass Korruption in
       Berlin keine große Rolle spielt. „Korruption ist aber ein Delikt, das eine
       hohe Dunkelziffer aufweist. Denn es gibt keine Opfer, die Interesse an
       einer Anzeige hätten, sondern nur Täter: der Bestecher, der gibt, und der
       Bestochene, der nimmt.“ Deshalb blieben viele Fälle unentdeckt, im
       sogenannten Dunkelfeld.
       
       Die Ermittlungen sind deshalb schwierig. Allerdings können sich die
       Korruptionsermittler über die steigenden Scheidungsraten freuen. Denn eine
       der wichtigsten Quellen sind Zeugen aus dem familiären Umfeld. „Wenn eine
       Beziehung in die Brüche geht, meldet sich manchmal jemand mit einem
       Hinweis“, erklärt Reiff. Oft stammen die Zeugen auch aus dem beruflichen
       Umfeld des Beschuldigten.
       
       Da diese Zeugen ihre Identität häufig nicht offenbaren wollen, habe Berlin
       vor zwei Jahren einen Vertrauensanwalt installiert, dem Whistleblower
       anonym Hinweise geben können. „Der Vertrauensanwalt kann die Informationen
       anonymisiert an die Staatsanwaltschaft weitergeben und gegebenenfalls
       Rückfragen stellen.“ Bislang seien aber wenig Hinweise hilfreich gewesen.
       Insgesamt, betont Reiff, spiele Korruption in Berlin keine große Rolle: „In
       den letzten fünf Jahren hatten wir keine großen Korruptionsfälle.“
       
       Auch Gisela Rüß, Leiterin der Arbeitsgruppe Bundes- und Landesverwaltung
       von Transparency International, vermutet, dass in Berlin viele
       Korruptionsfälle unentdeckt bleiben. „Gefühlsmäßig sind die Berliner Zahlen
       zu niedrig“, sagt sie. „Wenn man die Zahlen Berlins mit anderen Ländern
       vergleicht, liegt Berlin fast an letzter Stelle. Das kann ich einfach nicht
       glauben.“
       
       Vielleicht hilft ein Blick nach Brandenburg, die Berliner Zahlen besser zu
       deuten. Als die Potsdamer Neuesten Nachrichten vor kurzem über 308
       Korruptionsverfahren in Brandenburg aus dem Jahr 2012 berichteten, war Rüß
       nämlich voll des Lobes. Sie habe den Eindruck, dass in Brandenburg viel
       intensiver nach Korruption ermittelt werde als in anderen Ländern, sagte
       sie damals, ganz unaufgeregt. Sie glaube nämlich nicht, dass die Beamten in
       Brandenburg korrupter sind als in Berlin.
       
       Transparency fordert Berlin deshalb auf, eine seit langem angekündigte
       Online-Plattform für anonyme Hinweise fertigzustellen. Ein Sprecher der
       zuständigen Senatsverwaltung für Inneres und Sport sagt, der Senat wolle
       die Internet-Plattform weiterhin einführen. Wie das Projekt finanziert
       werde, könne man noch nicht sagen. Und auch der Termin zur Einführung stehe
       noch nicht fest.
       
       Hier ist Brandenburg, das ein solche anonyme Plattform bereits hat, Berlin
       voraus.
       
       22 Oct 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Maisch
       
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