# taz.de -- Berliner Szenen: Liebloser Bindestrich
       
       > Die Autorin denkt, sie sollte die Straße kennen, die so heißt wie sie.
       > Sie findet Herbstsonne, eine Flagge und doppelten Quatsch.
       
 (IMG) Bild: Lange keinen Dackel mehr gesehen.
       
       Zwischen dem einen Termin in Steglitz und dem anderen in Dahlem habe ich
       zweieinhalb Stunden Zeit. Es lohnt sich nicht, nach Hause zu fahren oder
       irgendwo anders hin. Ich setze mich in ein Café und lese ziemlich gründlich
       die Zeitung von heute und dann noch die von gestern und vorgestern. Ich
       trinke einen Cappuccino, der fast gar keinen Schaum hat. Nachdem die
       Bedienung mich zweimal gefragt hat, ob sie mir noch was bringen kann, gehe
       ich.
       
       Ich laufe durch Blumenstraßen: Lilienstraße, Tulpenstraße, Veilchenstraße.
       Neben der Martin-Luther-Kirche steht ein Schild: „Betreten auf eigene
       Gefahr“. Sollte vor jeder Kirche stehen. Ich laufe bis zur
       Margaretenstraße. An der bin ich schon oft vorbeigegangen, aber ich hab sie
       mir noch nie so genau angeschaut. Hab das Gefühl, ich sollte sie kennen,
       wenn sie quasi so heißt wie ich.
       
       Sie sieht ganz gut aus, so in der Herbstsonne. Die Häuser auf der linken
       Seite sind ziemlich hässlich, die auf der rechten Seite sind okay. An
       manchen Häusern steht der Straßenname in Großbuchstaben dran. Manchmal mit
       Bindestrich, manchmal ohne. Das finde ich ein bisschen lieblos. Doppelter
       Quatsch, weil der Bindestrich ja vermutlich extra kostet und die Straße
       sich ohne Bindestrich schreibt.
       
       An einem der Balkone hängt eine Deutschlandflagge. Deutschlandflaggen
       machen Orte selten gemütlicher. Ab dem Haus mit der Flagge sind die Häuser
       auch auf der rechten Seite hässlich. Klopsige Klotzhäuser, in denen die
       Leute bestimmt viel Ärger mit Schimmel haben.
       
       Eine schöne, alte Villa mit Säulenbalkons hat sich zwischen die Klötze
       geschummelt. Oder vermutlich haben sich eher die Klötze an die Villa
       rangeschummelt. Eine Frau mit Dackel kommt mir entgegen. Lange keinen
       Dackel mehr gesehen, irgendwie. Am Ende der Straße fällt mir ein, dass ich
       den Cappuccino nicht bezahlt habe.
       
       24 Oct 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Margarete Stokowski
       
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