# taz.de -- Jugendhilfe: Raus aus Berlin, rein ins Heim
       
       > Berlin sperrt seine Problemkinder in geschlossene pädagogische
       > Einrichtungen - aber in anderen Bundesländern.
       
 (IMG) Bild: Gar nicht lustig: Die Haasenburg
       
       Zuerst die gute Nachricht: Es sind keine Berliner Kinder oder Jugendlichen
       mehr in Heimen der Haasenburg-Therapiezentren untergebracht. In den
       geschlossenen Einrichtungen des Brandenburger Jugendhilfeträgers waren
       Vorwürfe wegen Misshandlungen durch Erzieher und Verantwortliche laut
       geworden, in über 50 Fällen wird mittlerweile ermittelt.
       
       Wohlgemerkt: keine mehr. Bis vor Kurzem wurden durchaus auch minderjährige
       HauptstädterInnen in die Heime des umstrittenen Trägers geschickt. Dem
       liegt die ambivalente Haltung Berlins in der Frage zugrunde, ob 13-, 14-,
       15-Jährige überhaupt in geschlossene pädagogische Maßnahmen vermittelt
       werden sollten. Welche Folgen diese Unentschlossenheit hat, zeigte sich am
       Montag bei einem Fachgespräch der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus zum
       Thema. Dessen Titel: „Geschlossene Unterbringung – Kinder und Jugendliche
       ohne Rechte?“
       
       Einig waren sich die geladenen Fachleute aus bezirklichen Jugendämtern,
       Justiz, Psychiatrie, der Senatsverwaltung und Jugendhilfeträgern in einem
       Punkt: Grundsätzlich will eigentlich niemand, dass Jugendliche eingesperrt
       werden, die nicht wegen Straftaten von Gerichten zu freiheitsentziehenden
       Maßnahmen verurteilt worden oder aus psychiatrischen Gründen in
       geschlossenen Einrichtungen untergebracht sind.
       
       Zwar liege auch dem Freiheitsentzug auf der Basis des Kinder- und
       Jugendhilfegesetzes ein Gerichtsbeschluss zugrunde. Doch der erfolge nicht
       aufgrund einer Verurteilung, wie die Familienrichterin Christiane Abel
       erläuterte, sondern auf Antrag der Eltern oder gesetzlichen Vormunde des
       betroffenen Minderjährigen. Dass ein solcher Beschluss in der Regel ein
       „Mittel der letzten Wahl nach einer Kaskade anderer Hilfsmaßnahmen
       vorneweg“ sei, wie es der Jugendpsychiater Michael Kölch vom
       Vivantes-Klinikum Friedrichshain formulierte, auch darüber bestand
       weitgehend Einigkeit. Denn Berlin lehnt das Einsperren als pädagogische
       Maßnahme grundsätzlich eigentlich ab: „Dauerhafte geschlossene Pädagogik
       ist in Berlin nicht vorgesehen“, erklärte Winfried Flemming von der
       Senatsverwaltung für Jugend.
       
       Dass der Bedarf für solche Unterbringung aber dennoch da sei, wie manche
       PraktikerInnen bei dem Fachgespräch betonten, und Berlins Gerichte
       entsprechenden Anträgen stattgeben, führt zu der fatalen Situation, dass
       minderjährige BerlinerInnen in Einrichtungen in anderen Bundesländern
       verbracht werden. 54 Kinder und Jugendliche seien das 2011 gewesen, so
       Flemming: untergebracht in Brandenburg, Bayern, Baden-Württemberg.
       
       Das sei problematisch, so Dirk Behrendt, rechtspolitischer Sprecher der
       Grünen-Fraktion. Denn dort würden eigene Landesgesetze gelten und nicht die
       strengen Berliner Maßstäbe für geschlossene Unterbringung. Zudem seien
       Qualitätskontrollmöglichkeiten, etwa durch Mitarbeiter der Berliner
       Jugendämter, eingeschränkt.
       
       Berlin müsse zu einer klaren Haltung kommen und selbst Verantwortung
       übernehmen, forderte deshalb die jugendpolitische Sprecherin der Grünen,
       Marianne Burkert-Eulitz, die das Fachgespräch organisiert und moderiert
       hat. Wenn die geschlossene Unterbringung praktiziert werde, „müssen wir das
       Wie und nicht mehr das Ob diskutieren“.
       
       Erste Schritte hat Berlin bereits unternommen: Seit 2011 bietet ein
       geschlossenes Heim des Evangelischen Jugend- und Fürsorgewerks (EJF) 2011
       in Tegel sieben Plätze für Jugendliche zwischen 13 und 17 Jahren. Vier bis
       fünf seien im Schnitt belegt, so der EJF-Vertreter bei dem Fachgespräch,
       bei maximal sechs Monaten Aufenthaltsdauer. In Einrichtungen außerhalb
       Berlins verbleiben Jugendliche teils mehrere Jahre.
       
       Dass Berlin solche Einrichtungen auch künftig brauchen wird, gerade um
       Missstände wie in den Haasenburg-Heimen vermeiden zu können, war am Ende
       des Gesprächs ebenso mehrheitsfähig wie die Kritik an diesem Standpunkt.
       „Berlin kann sich nicht vor seiner Verantwortung drücken“, formulierte es
       Hildegard Groß-Knudsen vom Charlottenburg-Wilmersdorfer Jugendamt. „Aber
       wir müssen auch weiter über alternative pädagogische Maßnahmen nachdenken.
       Dann brauchen wir keine geschlossene Unterbringung.“
       
       5 Nov 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Alke Wierth
       
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