# taz.de -- Grüne Szene in Portland: Mit dem Fahrrad ins Büro
       
       > Portland gilt als die grüne US-Stadt. Fahrradfahren, Fair Trade,
       > Bioprodukte - die Menschen sehen das als Lifestyle, weniger als
       > politische Haltung.
       
 (IMG) Bild: Steppender Saxophonspieler an einer Straßenecke in Portland
       
       PORTLAND taz | Der Tag beginnt mit einem Blick in die Garage. 27 Fahrräder
       stehen dort, hängen an der Wand und von der Decke. Sie alle gehören Dan
       Schafer, der an der Tür lehnt und sagt, dass im Keller noch mal mindestens
       genauso viele stehen.
       
       Vom BMX mit winzigen Reifen bis zu dem silbernen Hochrad, auf das der
       36-Jährige nur steigen kann, wenn er auf einen Stuhl tritt. Sein ganzer
       Stolz, „ich habe es selbst gebaut“, sagt er. Aus alten Rädern
       zusammengestückelt, geschweißt, lackiert. Jetzt fährt er damit ins Büro.
       
       Vom Stadtteil Sellwood im Südosten von Portland, am Willamette Fluss
       entlang, dann über die Hawthorne-Brücke in die Innenstadt bis zu dem grauen
       Gebäude, wo sein Schreibtisch steht. Dort entwickelt Dan Software für
       Kompostieranlagen. Auf seinem Laptop prangt ein Aufkleber. „It never gets
       greener than here“ steht drauf. Es wird nicht grüner als hier.
       
       Hier, das ist Portland im US-Bundesstaat Oregon. Und grün ist für Portland
       eine Selbstverständlichkeit. Seit Jahren zählt die Stadt mit ihren knapp
       600.000 Einwohnern zu den umweltfreundlichsten des Landes, es gibt jährlich
       Listen, auf denen Portland meistens ganz oben steht. Im Rathaus bei
       Bürgermeister Charlie Hales hängen deswegen Preise und Zertifikate an der
       Wand.
       
       Dass immer neue Preise dazukommen, liegt unter anderem an der
       Stadtverwaltung. Die Förderung nachhaltiger Energie, ein effizientes Netz
       öffentlicher Verkehrsmittel, große Grünflächen, grün zertifizierte
       Bürogebäude und Firmen – die Stadt tut viel für den umweltfreundlichen Ruf,
       und das schon seit Jahren.
       
       Portland hat Anfang der 90er Jahre den ersten Erderwärmungsaktionsplan der
       USA umgesetzt. Seit 2000 gibt es bei der Stadt eine Abteilung, die sich nur
       um Nachhaltigkeit kümmert und die Recyclingrate liegt mit 55 Prozent weit
       über dem Landesdurchschnitt. Es gibt autofreie Sonntage, und die Ampeln in
       der Innenstadt sind auf Fahrradgeschwindigkeit getaktet.
       
       ## Stolze Fahrrad-Besitzer
       
       Die Politik allein macht aus Portland aber noch keine grüne Stadt. Es sind
       vor allem die Bürger, die ihr Umweltbewusstsein als Lifestyle verstehen.
       Ein Lebensgefühl, das mehr ist als eine politische Haltung. Die Stadt lebt
       von diesem Image, und ihre Bewohner sind stolz darauf. Dan ist nicht der
       Einzige, der mehr als nur ein Fahrrad hat.
       
       Die Stadt hat den höchsten Anteil an Radfahrern im ganzen Land, rund 10.000
       Bewohner kommen so zur Arbeit – dafür haben sie über 1.100 Kilometer
       Radwege rund um die Stadt zur Verfügung; dazu die vielen öffentlichen Busse
       und Straßenbahnen. Mit dem Auto kommt kaum einer ins Büro.
       
       Auch Emily nicht. Sie ist Ende 30, hat noch nicht einmal einen
       Führerschein, aber drei verschiedene Fahrradhelme. Wie sie zur Arbeit
       fährt? Eine rhetorische Frage, der Blick auf das Rennrad reicht. Emily
       kauft mittwochs auf dem Bauernmarkt in der Innenstadt Gemüse und samstags
       auf dem Gelände der Portland State University Fleisch von den Farmern im
       Umland.
       
       ## Kurze Transportwege
       
       Der Umsatz regionaler Produkte ist riesig, jeden Tag kommen die Bauern in
       einen anderen Stadtteil, um ihre Produkte zu verkaufen. „So unterstützen
       wir nicht nur die regionalen Anbieter, sondern reduzieren den
       CO2-Fußabdruck jedes Einzelnen, weil die Ware nicht durchs ganze Land
       transportiert werden muss“, sagt Bürgermeister Charlie Hales.
       
       Emily hat gerade Samen für Karotten und Radieschen erstanden. Auf der
       Dachterrasse ihrer Wohnung im Stadtteil Alberta westlich der Innenstadt
       wächst schon eine ganze Menge – Salat, Tomaten und Kräuter –, jetzt soll
       noch ein bisschen mehr Gemüse dazukommen. Urban Gardening – also der
       Gartenbau in den Städten – ist schon eine ganze Weile Teil des Stadtbilds
       von Portland.
       
       Die Stadt hat eine hohe Lebensqualität. Ein Grund für viele, hier an die
       Westküste der USA zu kommen. So wie Dan Schafer. Er stammt aus Nevada und
       kam vor etwa zehn Jahren, weil er „bessere Luft einatmen“ wollte, wie er
       heute sagt. Sechs verschiedene Behälter stehen in seiner Küche. Für Papier
       und Glas, Hausmüll und Alufolie, Biomüll und Plastik. Was in Deutschland
       und in Teilen Europas längst alltäglich ist, ist in weiten Teilen der USA
       noch immer eine Besonderheit.
       
       ## Pastiktüten sind nicht erwünscht
       
       Ohnehin, Plastiktüten gibt es kaum noch in der Stadt. Seit 2011 sind die
       Tüten in großen Supermärkten verboten, seit Anfang März dieses Jahres gilt
       das auch für Einzelhändler mit einer Ladengröße von über 900 Quadratmetern.
       Ungewöhnlich in einem Land, in dem Flüssigkeiten generell in
       Plastikflaschen verkauft werden und die Menschen jährlich im Schnitt ein
       Drittel mehr Abfall produzieren als in Deutschland. US-Bürger lieben ihre
       Kunststofftüten eigentlich, das jedenfalls besagt die Statistik: Mehr als
       100 Milliarden werden im Jahr benutzt, das ist pro Kopf eine am Tag.
       
       In Portland soll das anders werden. Der große Fred Meyer Supermarkt am
       Hawthorne Boulevard hatte es vorgemacht. Als erster Supermarkt wurden dort
       vor etwa vier Jahren die Tüten aus Plastik durch solche aus Papier ersetzt.
       Leinenbeutel liegen unter dem Rollband, sie kosten einen Dollar. Das
       Konzept kommt an. „Es gibt kaum noch Kunden, die nach Plastiktüten fragen“,
       sagt Unternehmenssprecherin Melinda Merrill.
       
       Das Viertel rund um den Hawthorne Boulevard gilt ohnehin als Musterbeispiel
       für nachhaltige Konsumwirtschaft. Im Buffalo Exchange etwa, einem großen
       Secondhandladen, bekommt man einen 5-Cent-Coupon, wenn man auf eine
       Plastiktüte verzichtet. Man wirft ihn in eine von drei Boxen und finanziert
       damit entweder Hunde für Gehörlose, Bücher für Gefängnisinsassen oder die
       Erhaltung des städtischen Waldes.
       
       ## Jung und liberal
       
       Die Bewohner des Viertels sind vor allem jung und liberal. Sie kaufen fair
       gehandelten Kaffee und Obst aus dem Bioladen. Ein Fastfood-Restaurant
       findet man hier nicht, dafür viele Läden und Cafés, in denen kleine
       Bäckereien aus der Nachbarschaft ihren selbst gebackenen Kuchen verkaufen.
       
       Emily sitzt am Wochenende oft hier. An ihrem Rucksack, der unter dem Tisch
       im Café steht, hängt eine verbeulte Trinkflasche aus Aluminium. Emily hat
       sie immer dabei und lässt sich den Coffee to go hineinfüllen, wenn sie in
       der Stadt unterwegs ist. Spart Papierbecher und damit Müll. Das machen
       viele.
       
       Dan schließt abends seine Garage ab, geht ins Haus und öffnet den Schrank
       über der Herdplatte. Fünf Thermobecher mit Deckel stehen darin. „Es gibt
       Dinge, von denen man hier in Portland nie genug haben kann“, sagt er.
       
       11 Nov 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Steffi Dobmeier
       
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