# taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Der Mittler und die Masse
       
       > Joachim Löw hat den fußballwahnsinnigen Deutschen attraktiven Sport
       > beschert. Jetzt verlangt das Volk einen Titel. Schönspielen reicht nicht
       > mehr.
       
 (IMG) Bild: Bescheiden ist er. Und dankbar: Joachim Löw
       
       Einhundert Spiele. So viele hat Jogi Löw als Trainer der Nationalmannschaft
       nun schon begleitet. Vor seinem Jubiläumsspiel gegen Italien am Freitag
       erging er sich vor allem in Gesten der Dankbarkeit. Er dankte dem Deutschen
       Fußball-Bund und seinen Spielern. Sie hätten immer alles gegeben, der DFB
       „vollschdes“ Vertrauen und die Spieler Leistung.
       
       Er selbst stellte sich recht bescheiden als fehl- und formbaren Menschen
       dar. Er lerne immer dazu, gebe nie auf zu streben nach dem Größten im
       Fußball, nach Titeln, sagte er. Titel fehlen dem großen Trainer Jogi Löw ja
       noch. Das ist sein Makel. Bisher kann er nur eine EM-Finalteilnahme
       vorweisen sowie den Fakt, dass er, geht man nach den durchschnittlich
       erzielten Punkten pro Spiel, der erfolgreichste Bundestrainer aller Zeiten
       ist – vor Berti Vogts übrigens.
       
       Einerseits hat Löw den Traumjob schlechthin. Andererseits betritt er mit
       jeder Niederlage gegen einen respektablen Gegner den Vorhof der medialen
       Hölle. Diese Schwankungen sind seit 2006, dem sogenannten Sommermärchen der
       WM 2006, sicherlich extremer geworden, denn der Fußball, der schon damals
       nicht mehr die schönste Nebensache der Welt war, ist heute zu einer großen
       Hauptsache geworden, und das nicht nur in den sommerlichen Turnierwochen,
       wenn in Deutschland eine kollektive Massenneurose erblüht und die Menschen
       nicht mehr so recht wissen, ob ihre Hysterie noch normal oder schon
       pathologisch ist.
       
       Löw verwaltet diesen Quartalsirrsinn ja irgendwie. Und er tut das mit einer
       großen Gelassenheit. Wenn der Masse der Sinn nach Überhöhung und
       Idealisierung steht, moderiert Löw diese Anliegen gekonnt ab. Sein Geschick
       besteht darin, dass er dabei nicht überheblich wirkt, sondern
       grundsympathisch bleibt.
       
       ## Antidot zum Ausnahmezustand
       
       Wenn man so will, ist er das Antidot zum Ausnahmezustand, der im Juni
       wieder herrschen wird. Dann ist WM in Brasilien. Dann gelingt es dem Land
       wieder, sich auf etwas Gemeinsames zu verabreden, einen großen Konsens zu
       finden, der in anderen gesellschaftlichen Bereichen kaum mehr möglich ist.
       
       Früher mag es eine politisierte Masse gegeben haben, die auf die Straße
       gegangen ist. Heute ist es meist nur noch eine enthusiasmierte Masse, die
       den Fußball auf großen Leinwänden anbetet. Dazu muss man kein Fan sein,
       nein, man muss nur dazugehören wollen. Löw ist ein geschickter Mittler in
       diesem großen Spiel, denn er liefert den Vergnügungssüchtigen jenen
       Fußball, den sie sehen wollen: attraktiv, schön anzuschauen und
       unterhaltsam. Bisweilen führen Jogis Jungs ein Offensivspektakel auf, das
       seinesgleichen sucht.
       
       Kein Mensch hätte sich vor 10, 15 Jahren vorstellen können, dass so etwas
       einmal möglich sein würde im Land der Rumpelfüßler. Dass die deutsche
       Fußballnationalmannschaft von einer spielerischen Klasse durchzogen ist wie
       früher nur die brasilianische und später dann die spanische, das ist
       Joachim Löws Verdienst. Er hat deutsche Kicks spektakulär gemacht.
       
       Was nun noch fehlt, ist der Titel. Aber den zu gewinnen, sei „wahnsinnig
       schwer“, weiß Löw, „da muss alles passen“. Es ist sicherlich ungerecht
       angesichts der gewachsenen Leistungsdichte, aber am Titel wird ihn die
       Öffentlichkeit messen. Irgendwann reicht Schönspielen allein nicht mehr.
       
       15 Nov 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Markus Völker
       
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