# taz.de -- Soziologe über Glücksforschung: „Vergemeinschafte dich!“
       
       > Die Glücksrendite ist am höchsten, wenn man Freunde hat, sagt der
       > Soziologe Jürgen Schupp. Das zeige eine Langzeitstudie des DIW.
       
 (IMG) Bild: Freunde und ein stabiles soziales Netz haben – das macht glücklich.
       
       taz: Herr Schupp, Union und SPD verhandeln gerade über Strompreise, Steuern
       und Abgaben. Spielt die Aussicht auf finanzielle Vor- oder Nachteile eine
       Rolle dafür, ob die Deutschen sich glücklich fühlen? 
       
       Jürgen Schupp: Nein, auch die Erhöhung der Nettoeinkommen der letzten 30
       Jahre hatte nicht zur Folge, dass die Zufriedenheit anstieg.
       
       Und wann sank sie? 
       
       Vor allem in Phasen hoher Arbeitslosigkeit wie in den Jahren 2004 und 2005
       greifen Sorgen um sich. Dabei leiden die Menschen nicht so sehr, weil das
       Einkommen fehlt, sondern eher unter dem Verlust des Arbeitsplatzes und der
       Entwurzelung aus einem sozialen Kontext.
       
       Glück ist ein kurz, Zufriedenheit ein länger dauernder Zustand. Machen Sie
       einen Unterschied zwischen diesen beiden Empfindungen? 
       
       Die Zufriedenheit haben wir immer abgefragt. Seit 2007 ermitteln wir auch
       kurzfristige Momente des subjektiven Wohlbefindens unter anderem mit Fragen
       wie: Haben Sie heute Angst empfunden? Haben Sie heute Glück gespürt?
       Gegenwärtig geben die Befragten auch dabei mehrheitlich an, oft oder sehr
       oft glücklich zu sein.
       
       Wie hat sich die Zufriedenheitskurve seit dem Start Ihrer Untersuchung 1983
       entwickelt? 
       
       Zu Beginn der 1980er schien das Modell des Wirtschaftswachstum
       grundsätzlich noch zu funktionieren, und die Erwerbslosigkeit hielt sich im
       Rahmen. Von der Freude über die Wiedervereinigung unterbrochen, ging es
       dann abwärts: Atomkatastrophe von Tschernobyl, Angst vor der
       Globalisierung, fast 5 Millionen Arbeitslose 2005. Die Zufriedenheit sank
       auf 6,9 Punkte. Seitdem steigt die Stimmung wieder, mit Pausen.
       
       Was hat die Menschen am Tiefpunkt besonders bedrückt: die Arbeitslosigkeit
       oder die Antwort darauf – Hartz IV? 
       
       Der Verlust des Arbeitsplatzes ist viel einschneidender. Und selbst wenn
       man eine neue Stelle bekommt, bleibt die Zufriedenheit gedämpft. Der Schock
       wirkt nach, die Angst sitzt tief. Der persönliche Verlust von Status und
       Anerkennung wiegt schwerer als der Zorn über eine umstrittene Reform.
       
       Die Wut auf die von vielen als ungerecht kritisierte Agenda 2010 war also
       nicht die wesentliche Ursache der verbreiteten Unzufriedenheit? 
       
       Zumindest ist es schwierig, diesen Zusammenhang mit unseren Daten als
       kausal wirksamen Effekt zu belegen. Interessant erscheint ein anderer
       Befund: In Krisen nimmt das Gefühl für Ungerechtigkeit ab. Auch in Zeiten
       hoher Arbeitslosigkeit. Wenn die Wirtschaft dagegen gut läuft, halten mehr
       Menschen ihren Arbeitslohn für zu niedrig. Mit der Lage wächst auch das
       Niveau der Ansprüche.
       
       Stimmt die verbreitete Annahme, dass reiche Leute kaum glücklicher sind als
       Angehörige der Mittelschicht? 
       
       Nein. Je höher Einkommen und Vermögen steigen, desto zufriedener sind die
       Menschen. Oder umgekehrt: Je ärmer, desto unzufriedener.
       
       Hängt das nur am Geld? 
       
       Mindestens ebenso relevant sind Vorteile und Lebensstile, die mit dem
       Wohlstand einhergehen: bessere Bildung, gesunder Lebenswandel und mehr
       soziale Anerkennung.
       
       Es heißt, Kinder seien glücklich – und ältere Menschen. Dazwischen liege
       die Mühsal des Berufs, des Kinderaufziehens, der Versorgung der Eltern.
       Gilt diese U-Kurve noch? 
       
       Etwa vom 50. bis zum 60. Lebensjahr sind viele Menschen tatsächlich am
       wenigsten zufrieden. Mit dem Beginn des Rentenalters steigt das
       Wohlbefinden dann wieder. Mit einer Einschränkung: Während der letzten
       vier, fünf Jahre im hohen Alter sackt die Zufriedenheit stark ab. Das hat
       mit gesundheitlichen Einschränkungen zu tun.
       
       Sie haben Einblick in die Daten Zehntausender Bundesbürger. Mögen Sie uns
       einen Tipp für mehr Zufriedenheit geben? 
       
       Albert Schweitzer hat den schönen Satz geprägt: „Das Glück ist das Einzige,
       was sich verdoppelt, wenn man es teilt.“ Aus unserer Langzeitstudie wissen
       wir, wie recht er hat: Vergemeinschafte dich! Die Glücksrendite ist am
       höchsten, wenn man viele Freunde hat, in einem stabilen sozialen Netzwerk
       lebt oder mit anderen zusammen ehrenamtlichen Tätigkeiten nachgeht. Das
       sind die Faktoren, die wirklich wichtig sind.
       
       18 Nov 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hannes Koch
       
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