# taz.de -- Nachruf auf Dieter Hildebrandt: Voller Güte, voller Angriffslust
       
       > Dieter Hildebrandt liebte den Witz und die Pointe, aber nicht um jeden
       > Preis. Nachruf auf einen großen Kabarettisten.
       
 (IMG) Bild: Das Kabarett wird wohl ewig vor sich hin sterben. Dieter nie.
       
       Dieter Hildebrandts Augen waren immer voller Güte und zugleich voller
       Angriffslust. Die Güte verhalf ihm zu einer Distanz gegenüber den Objekten,
       die seine Aufmerksamkeit und den Spott auf sich zogen.
       
       Diese Distanz verhinderte, dass da ein wütender Mann auf der Bühne stand,
       der nur heraus schimpfte, was andere vielleicht auch denken. Er war kein
       Sprachrohr-Kabarettist – zu groß war der künstlerische Anspruch, die Lust
       auf das Spiel mit der Sprache und die blitzende Freude an der Listigkeit
       unberechenbarer und boshafter Gedankengänge.
       
       Ein Mensch, der von Berufs wegen zum Widerspruch verpflichtet ist, läuft
       Gefahr zu verbittern und als Zyniker zu enden. Das ist Hildebrandt nicht
       passiert. Er liebte den Witz und die Pointe, aber nicht um jeden Preis, und
       billig durfte beides nicht sein. Er hatte Haltung mit Distanz und
       verabscheute zynische Distanz ohne Haltung. Von ihm konnte man lernen. Wer
       von ihm nichts gelernt hat, ist ein hoffnungsloser Fall.
       
       Ein Mensch, der von Berufs wegen zum Widerspruch verpflichtet ist, könnte
       sich auch dem Altwerden und Altsein widersetzen. Dieter Hildebrandt ist
       sehr alt geworden, aber er hat sich dem Alter nicht verweigert. Er tingelte
       durch Deutschland voll lebendiger Lust und bewies dabei sowohl in der
       künstlerischen Arbeit als auch im privaten Engagement seine Solidarität mit
       den vergessenen und abgeschobenen Alten, die es schlechter getroffen hatten
       als er.
       
       Er ist alt geworden, der Dieter. Aber nicht alt genug für das, was er uns
       mit seiner Erfahrung noch hätte geben und vorleben können. Dieter
       Hildebrandt ist ein Vorbild für mich, und jeder, der heute auf einer
       Kabarett-Bühne steht, befindet sich gewollt oder ungewollt in einem
       Verhältnis zu diesem großen Mann, dessen Sympathie und schützende Hand mir
       unendlich viel bedeutet haben.
       
       ## Nach der Pause kommt er wieder
       
       Im Sommer rief er mich an und sagte seinen für September geplanten Auftritt
       bei „Pelzig hält sich“ ab. Er müsse in die Klinik, und man wisse noch nicht
       so genau, aber im Winter, da werde er wohl wieder auf den Beinen sein und
       dann könnte es ja doch noch klappen, vielleicht.
       
       Ein Mensch, der von Berufs wegen zum Widerspruch verpflichtet ist, muss
       sich auch gegen ärztliche Diagnosen wehren. So hofften wir, es wäre nur
       eine Pause, die er einlegt, eine Pause nach der ersten Hälfte des Abends
       und dass er wiederkäme zur zweiten Hälfte. Und unausgesprochen war doch
       klar, dass die Pause vielleicht etwas länger und die zweite Hälfte mit
       Sicherheit etwas kürzer sein würde.
       
       Das Kabarett wurde in den vergangenen Jahrzehnten von seinen Kritikern so
       oft für tot erklärt. Es war offenbar mit nichts anderem beschäftigt als zu
       sterben. Es wird wohl ewig weiter vor sich hin sterben. Dieter nie. Ein
       Mensch, der von Berufs wegen zum Widerspruch verpflichtet ist, muss
       bleiben. Nach der Pause kommt er wieder.
       
       20 Nov 2013
       
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