# taz.de -- Der sonntaz-Streit: Glühwein mit oder ohne Schuss?
       
       > Beim obligatorischen Weihnachstmarktbesuch ist Glühweintrinken Pflicht.
       > Geht es dabei um Geschmack oder allein um Wirkung?
       
 (IMG) Bild: Prost, auf dass es jetzt gemütlich ist.
       
       In einer Welt, in der alles auf penetrante Individualität angelegt ist,
       gibt es sie nicht mehr häufig, die kollektiven Erfahrungen einer Nation.
       Der Tatort war so etwas in Deutschland, Weihnachten ist es bis heute.
       
       Es ist das eine Fest im Jahr, dem sich kaum jemand in Deutschland entziehen
       kann. Ein durchchoreographiertes Familienbeisammensein, Langeweile zu
       dunkler Bratensoße, am ersten Weihnachtstag zu Oma, am zweiten zu Freunden.
       Der erste Akt beginnt lang vor dem Fest. Beim Weihnachtseinkauf.
       
       Die Innenstädte sind verstopft. Und dennoch werden jedes Jahr – quasi als
       Hindernisparcour, um die Bedingungen zusätzlich zu erschweren – Buden
       aufgebaut. Irgendwo wird möglichst zentral, hell und geschmacklos ein
       Weihnachtsbaum geschmückt. Auf dass es gemütlich wird in Deutschlands
       Städten, verdammt.
       
       Der Besuch des Weihnachtsmarkts ist obligatorisch. Nicht selten wird es
       sogar als Grund für den Innenstadtbesuch genannt. Noch schön über den
       Weihnachtsmarkt bummeln. Aber ist das wirklich schön? Vielleicht lässt sich
       diese Frage vor lauter Folklore gar nicht mehr beantworten. Mäßiger
       spanischer Wein aus Plastikeimern wird auch niemandem wirklich gut
       schmecken. Und doch wird er so konsumiert.
       
       Ähnliches beim Glühwein: 2500 Weihnachtsmärkte gibt es in Deutschland. Etwa
       40 Millionen Liter Glühwein konsumieren die Deutschen jährlich, das meiste
       davon in der Adventszeit.
       
       ## Jeder macht mit, richtig geil findet es keiner
       
       Der Weihnachtsmarkt, und speziell der Glühweinstand, suggerieren uns jedes
       Jahr, das wir noch vor Jahreswechsel etwas zu erledigen haben. „Hast Du
       dieses Jahr schon Glühwein getrunken?“ - diese Frage wird tatsächlich
       gestellt. Schmeckt mir nicht, ist keine möglich Antwort. Über Geschmack
       wird in der Regel nicht gesprochen, es geht um Wirkung. Und das Gefühl,
       sich bei Minus zehn Grad unter einem Heizpilz (im besten Falle) und „Last
       Christmas“ aus den Boxen (in jedem Fall) ein überteuertes süßes Gesöff
       reinzukippen. Prost, auf dass es jetzt gemütlich ist, verdammt.
       
       Eigentlich komisch, dass gerade wir Deutschen, die so viel auf die Reinheit
       ihrer Alkoholika geben, jedes Jahr eben solche erst mit Gewürzen panschen
       und dann auch noch erhitzen. Aber wenn es doch jeder macht.
       
       Ja, wenn es doch jeder macht. Vielleicht ist es genau das. Welche Kneipe in
       Deutschland spiegelt denn noch ungefähr die Gesellschaft wider? Es gibt
       Bars für Trinker, für die Jungen, die Hipster, für Fußballbegeisterte. Am
       Glühweinstand aber steht der Professor tatsächlich noch Seit an Seit mit
       dem Arbeiter. Ist das nicht toll?
       
       In der Theorie vielleicht. Man könnte aber auch sagen, dass das alles eine
       einzige Gleichmacherei ist. Der Weihnachtsmarkt in Dortmund unterscheidet
       sich nur marginal von dem in Berlin. Der Glühwein gar nicht. Es ist eine
       einzige Winter-Weihnachts-Wetten-Das-Sendung: Jeder macht mit, richtig geil
       findet es keiner.
       
       Die Frage, deren Beantwortung uns allen am Ende bleibt, ist nicht, ob wir
       diesen Wahnsinn mitmachen wollen. Die einzige Frage lautet: Glühwein mit
       oder ohne Schuss?
       
       Wie sehen Sie das? Glühwein besser mit oder ohne Schuss?
       
       Diskutieren Sie mit! Die sonntaz wählt unter den interessantesten
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       des Autors versehen sein. Oder schicken Sie uns bis Mittwoch, 27. November,
       eine Mail an: streit@taz.de
       
       26 Nov 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominik Drutschmann
       
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