# taz.de -- Zweiter Teil der „Hobbit“-Kinotrilogie: Alle Jahre wieder
       
       > Peter Jackson entfaltet in „Smaugs Einöde“ erneut sein Geschick für
       > Actionszenen, wobei der Film in sein eigenes Computerspiel übergeht.
       
 (IMG) Bild: So düster ist es nur im Düsterwald – und Gandalf (Ian McKellen) ist mittendrin.
       
       Früher – in der Vorweihnachtszeit sei diese großmütterliche Eröffnung
       gestattet – gab es diese familiäre Endjahressitte: Da wurden für die Kinder
       Spielwelten wie Puppenhäuser oder Modelleisenbahnen aufgebaut, in denen die
       Kleinen dann rund um die Feiertage ihre Fantasien austoben durften.
       Irgendwann im Januar wurde wieder abgebaut und bis nächsten Dezember
       sorgfältig verstaut.
       
       Als Kind bedeutete das, dass man jedes Jahr also zur gleichen, eventuell
       leicht umgebauten Pappmachee-Fantasy-Location zurückkehrte und im
       Wesentlichen die gleichen Geschichten nachfantasierte. Genauso fühlt es
       sich mit den Tolkien-Verfilmungen von Peter Jackson an.
       
       Das bedeutet erst mal nichts Schlechtes. Man muss auch gar kein Tolkien-
       oder Jackson-Nerd sein, um tatsächlich ein bisschen freudige Erwartung zu
       verspüren bei der Aussicht, noch einmal in „Mittelerde“ eintauchen zu
       können, diesen von Jackson und seinen Ausstattern mit so viel Detailliebe
       zum Leben erweckten Kosmos, der die raue Schönheit Neuseelands mit
       vielerlei originellen Gestalten und noch mehr Tricktechnik verbindet.
       
       Wovor die Pädagogen von einst immer gewarnt haben, dass nämlich die fixen
       Filmbilder die freie Imagination der Buchbeschreibungen überlagern, das
       wird hier wahr: Von den windigen Höhen des „Nebelgebirges“ bis in die
       verfallenen Zwergenstädte unter dem „Einsamen Berg“, von den haarigen Füßen
       der Hobbits bis zu den Frankenstein-Körpern der Orks, vom sirenenhaften
       Leuchten des „Arkensteins“ bis zum bösen Auge Saurons – Jackson hat für
       alles eine einschlägige visuelle Lösung gefunden. Und wer schon immer
       Schwierigkeiten hatte, sich Tolkiens „Düsterwald“ vorzustellen, der bekommt
       ihn hier vorgeführt, mit seinen wispernden Stimmen, seinen wie lebendig
       scheinenden Bäumen und den lauernden Riesenspinnen.
       
       Seit Jackson in 3D filmt, hat sich der letzte Vorteil der Pappmachee-Welten
       von einst erledigt, zumal Andrew Lesnies Kamera es nicht lassen kann,
       wieder und wieder die Filmkulissen von oben nach unten abzufahren, sich
       spielerisch in ihre Winkel zu begeben, wie um augenzwinkernd anzuzeigen,
       dass es sich hier auch wirklich um „echtes“ 3D handelt. In den „Herr der
       Ringe“-Filmen deutete es sich bereits an, in den „Hobbit“-Filmen scheint es
       umgesetzt: Der Film geht nahtlos in sein eigenes Computerspiel über.
       
       ## Punkte für den Endscore sammeln
       
       Das schlägt sich auch im erzählerischen Aufbau der diesmal „nur“ 160
       Minuten (der erste Teil war neun Minuten länger) nieder: Mehr noch als
       „Eine unerwartete Reise“ ist „Smaugs Einöde“ ein Stationendrama, das sich
       von Aufgabe zu Aufgabe hechelt, als gelte es, Punkte für einen Endscore zu
       sammeln.
       
       Nach einer eleganten Einleitung, die chronologisch noch vor die Ereignisse
       des ersten Teils zurückspringt und diese zugleich auf elegante Weise
       zusammenfasst, wird die Handlung nahtlos fortgesetzt. Die vertrauten
       Figuren des Hobbits Bilbo (Martin Freeman), des Zauberers Gandalf (Ian
       McKellen) und des Zwergenkönigs Thorin (Richard Armitage) mit seinen zwölf
       Gefolgsleuten werden noch immer von Orks verfolgt. Vor deren Übermacht
       können sie sich gerade noch rechtzeitig in die kleine Festung des
       „Pelzwandlers“ Beorn (Mikael Persbrandt) retten, der seinerseits nicht
       ungefährlich ist.
       
       Und so geht es weiter in einem fort: mit Düsterwald und seinen
       Riesenspinnen, den schroffen Waldelben und ihren Kerkern, der Seestadt,
       ihren hungernden Bewohnern, einem überall lauernden Geheimdienst und einem
       heldenhaften alleinerziehenden Vater (Luke Evans), und dann, natürlich, zum
       Einsamen Berg und seinem einsamen einzigen Bewohner, dem Drachen Smaug, der
       es Dagobert Duck nachmacht und in seinem Schätzen badet.
       
       ## Notwendige Atemlosigkeit
       
       Wurde am ersten Teil noch bemängelt, dass Jackson, um seine Trilogie
       vollzumachen, die dünne Vorlage allzu sehr auswalze, besitzt der zweite
       wieder jene Atemlosigkeit, die ein 160-Minuten-Film braucht, um über die
       Runden zu kommen. Für die Entwicklung der Figuren bleibt da kaum Zeit, und
       auch auf epische Andeutungen über schuldige Vorfahren und alte Versprechen
       werden nur wenige Zeilen verwandt. Was ausgedehnt wird, sind einzig die
       Actionszenen, in denen Jackson einmal mehr sein ganzes Geschick entfaltet,
       seinen Sinn für flott durchchoreografierte „Martial Arts“ genauso wie fürs
       eklige Detail abgeschlagener Orkköpfe.
       
       Im Ganzen hat „Smaugs Einöde“ weit mehr zu bieten als der erste Teil – und
       trotzdem wird man das Gefühl nicht los, mit dem Spielzeug aus alten Zeiten
       bedient zu sein. Sicher, noch einmal den Elb Legolas (Orlando Bloom) über
       Zwergenköpfe tanzen zu sehen, während er zielgenau Pfeile auf Orks
       abfeuert, kann das Herz alter „Ringe“-Fans zum Schlagen bringen – weckt
       aber auch die sentimentale Erinnerung daran, dass die Elbeneleganz, mit der
       Legolas vom eben erschlagenen Elefanten heruntersurfte, im „Herrn der
       Ringe“ noch Szenenapplaus auslöste.
       
       Dem Gefühl des Aufgewärmten kann auch die beste Neuerfindung des Films,
       Evangeline Lilly als Elbenkriegerin Tauriel, nicht wirklich abhelfen: Zwar
       erhöht sie den Frauenanteil des Tolkien-Universums auf dringend notwendige
       Weise, doch auch sie erscheint Heilkräuter knetend nur wie eine
       Widergängerin vorheriger Gestalten. „Smaugs Einöde“ ist kein Kinderfilm
       ist, doch am Ende fragt man sich: Bin ich vielleicht inzwischen zu alt
       dafür?
       
       12 Dec 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Schweizerhof
       
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