# taz.de -- Aus dem Knast in die zweite Bundesliga: Kicker Koç und das Ende der Ekelzeit
       
       > Nach über drei Jahren wird Süleyman Koç aus der Haft entlassen: Der
       > Profifußballer aus Berlin-Moabit steht vor einer vielversprechenden
       > Karriere.
       
 (IMG) Bild: Nach dem Knast: Auf dem Fußballplatz kann sich Süleyman Koc durchsetzen.
       
       BERLIN taz | „Es war eine eklige Zeit“, sagt Süleyman Koç, „richtig eklig.“
       Die Anklage wegen Raub, die Verurteilung zu fast vier Jahren Knast, das
       drohende Karriereende, das alles schien den Fußballer aus Berlin-Moabit
       kaputtzumachen. „So viele haben gesagt, dass ich es niemals wieder schaffe
       und dass es vorbei ist. Aber ich habe bewiesen, dass es nie zu spät ist“,
       sagt er und gabelt ein paar Streifen Dönerfleisch auf.
       
       Koç, 24, hat seinen Lieblingsladen zum Gespräch ausgesucht, Ecke Turm- und
       Beusselstraße, „tiefstes Getto“, wie Koç sagt, „ich mag das, ich bin hier
       aufgewachsen, außerdem schmeckt es hier gut.“
       
       Sein Onkel und sein Bruder sitzen einen Tisch weiter. Der Bruder war 2010
       und 2011 an den Raubzügen durch sieben Spielhallen beteiligt. Vor drei
       Wochen ist er freigekommen, ein bisschen früher als Süleyman Koç, der am
       Neujahrstag aus dem Gefängnis entlassen wird. „Das ist der kommende Mann“,
       preist der Onkel Süleymans Bruder an.
       
       Vielleicht orientiert er sich an Süleyman, das ist wohl die stille
       Hoffnung, die der Onkel nach all dem Schlamassel und den Sorgen um die
       Jungs hegt, denn Süleyman Koç hat es als Freigänger nicht nur zum Kapitän
       des SV Babelsberg gebracht, er wechselt Anfang Januar auch von der vierten
       Liga in die zweite zum SC Paderborn. Das ist ein Riesenschritt für Koç, der
       so fest in Moabit verwurzelt ist und seine Familie eigentlich als Basis
       braucht, um sich wohlzufühlen.
       
       ## Psychisch am Ende
       
       „Mit meinem Wechsel möchte ich ein Vorbild für die Jungs von der Straße
       sein, für unsere Jungs in Moabit, Wedding oder Neukölln. Jetzt fängt es für
       mich erst richtig an, jetzt muss ich mich beweisen“, sagt er, dabei hat er
       schon viel erreicht. Koç ist zurück auf dem Fußballplatz – er hat ein
       klares Ziel vor Augen: Er möchte es irgendwann mal in die Erste Bundesliga
       schaffen. Sein Bruder hat zuletzt auch ein bisschen in Babelsberg
       mittrainiert, wer weiß, vielleicht kriegt er auch die Kurve, wenn er
       regelmäßig die Stollenschuhe schnürt und Süleyman nacheifert.
       
       „Ich hatte viel gutzumachen“, sagt Süleyman Koç, „deswegen habe ich mir
       immer gesagt: Du musst, du musst. Ich wollte mich mit guten Leistungen für
       meine Dummheit entschuldigen. Ich wollte das machen für die Leute, die von
       mir enttäuscht waren und die sich für mich eingesetzt haben.“ Wie sein
       Vater und sein Onkel, der Babelsberger Trainer Cem Efe und der Physio des
       Vereins, Matze Petersdorf.
       
       „Es gab so viele Tage, wo ich gesagt habe, ich kann nicht mehr, so viele
       Tage, wo ich Cem Efe gesagt habe, ich bin psychisch am Ende und wo ich den
       Tränen nahe war. Aber er hat immer gesagt: Sülo, du packst es, mach mal
       einen Tag Pause, dann geht es weiter.“ Ja, sagt er, „es war eine verdammt
       eklige Zeit.“
       
       Koç hat die typische Karriere eines Moabiter Kiezkickers durchlaufen,
       spielte beim Berliner AK und später für Türkiyemspor. 2010 verpflichtete
       ihn Babelsberg. Alles schien in geregelten Bahnen zu verlaufen, doch
       Kumpels aus Moabit verführten ihn. Er wurde Mitglied der sogenannten
       Machetenbande.
       
       „Aus falsch verstandener Freundschaft und Verbundenheit“, erklärte Koç vor
       Gericht, habe er sich „gegen sein Unbehagen entschieden“. Auch ein anderer
       Babelsberger Spieler rutschte mit rein in die Geschichte: Guido Guido
       Koçer; er spielt seit zwei Jahren für den FC Erzgebirge Aue.
       
       ## Geld wollte er nicht
       
       Es wurde in der Verhandlung schnell klar, dass Süleyman Koç kein Typ ist
       für Raubzüge und Überfälle. Der Kicker fungierte als Fahrer, manchmal
       spähte er auch die Tatorte aus. Er war der Einzige, der ein Auto besaß,
       einen japanischen Kleinwagen. Man machte ihm weis, dass er nichts Schlimmes
       tue, „du fährst ja nur“. Geld wollte er nicht. Sein Anteil ging direkt an
       seinen Bruder, der zum Zeitpunkt der Taten eine Bewährungsstrafe absaß.
       Koçs Tatmotiv: seine Gutmütigkeit.
       
       „Ich musste lernen, eine eigene Entscheidung zu treffen und für die
       Konsequenzen einzustehen.“ Das sei im Knast seine wichtigste Lektion
       gewesen. „Man muss sagen können: Ich habe keinen Bock. Aber früher war es
       bei mir so: Wenn einer 100 Euro von mir haben wollte, und ich hatte nur 50
       in der Tasche, dann bin ich losgegangen und hab den Fuffi besorgt.“ So sei
       er erzogen worden: „Ja, Papa, ja, Mama, zu allem Ja und Amen sagen. Das war
       bei mir schon extrem.“
       
       Nur auf dem Platz könne er sich ohne Probleme durchsetzen, „da bin ich ein
       anderer. Wenn ich auf dem Platz auch noch so nett wäre, dann würde ich es
       zu nichts bringen im Fußball.“ Zu seinen Mittätern, sagt Koç, hat er heute
       keinen Kontakt mehr. Zwei von ihnen, Tolga B. und Semih T., sitzen derzeit
       noch in Berlin-Plötzensee ein.
       
       Eklig sei auch gewesen, dass er sich im Knast nicht richtig bewegen konnte.
       Nur einmal in der Woche stand Sport auf dem Plan. Also machte Koç in der
       Einzelzelle Kraftübungen: Liegestütze und „das Bett hochheben“. Nach sieben
       Monaten hatte der 1,78 Meter große Koç 27 Kilogramm zugelegt, von 79 auf
       106. „Das ging ganz schnell“, erinnert sich Koç, „ich habe das selber gar
       nicht gemerkt, bis ich irgendwann mal meinen Armumfang gemessen habe.“
       
       Von Übergriffen im Gefängnis blieb Koç verschont. Am Anfang sei das
       Knastleben zwar schlimm gewesen, aber vom ersten Tag an habe er ein „paar
       richtig gute Männer kennengelernt“, Mitgefangene, die seinen Vater und
       seine Onkel kannten. „So habe ich mich eingelebt. Man muss Kontakte haben,
       sonst ist man verloren, sonst wäre es hart geworden, zu hart“, gesteht er.
       
       ## Offener Vollzug nach elf Monaten
       
       Zu seinem Glück stand nach elf Monaten ein Haftprüfungstermin an. Weil Koçs
       Vater 10.000 Euro als Kaution hinterlegt hatte, kam der Sohn für ein paar
       Wochen frei. Nach dieser Zeit trügerischer Freiheit wechselte er in den
       offenen Vollzug, wurde Freigänger. Zuerst durfte er nur wenige Stunden
       raus, zuletzt waren es 16 Stunden. Koç meldete sich kurz vor Mitternacht in
       der Justizvollzugsanstalt und konnte sie um acht Uhr schon wieder
       verlassen.
       
       Der SV Babelsberg bot ihm an, wieder einzusteigen. Sie wollten ihn nicht
       hängen lassen, weil sie wohl ahnten, dass er es schaffen kann. Im Gefängnis
       hatte Koç einen Psychologen besucht, ohne Auflage. Auch als Freigänger
       besuchte er ihn. „Ich wollte das von mir aus machen, weil ich keine andere
       Möglichkeit gesehen habe, mich zu verbessern“, sagt er, „jetzt bin ich im
       Kopf wieder der, der ich sein sollte.“
       
       Außerhalb der Gefängnismauern ist er täglich mindestens zehn Kilometer
       gelaufen, er musste Gewicht abkochen, wieder fit werden. Es war sein
       persönlicher Kampf um die Zukunft. Als Koç bei Babelsberg wieder einsteigt,
       wiegt er nur noch 86 Kilo. Aber auch da gibt es noch viele Skeptiker in
       seinem Umfeld, „ist ja auch verständlich, wenn auf einmal so ein Dicker
       ankommt und große Pläne hat“. Viele hätten gedacht, das wird nichts, „der
       Koç ist Türke, der kann das nicht. Aber ich habe wie ein Profi gelebt,
       immer Gas gegeben und alles versucht, auch als es mir schlecht ging.“
       
       Er will es jetzt auch in Paderborn schaffen, obwohl er ein bisschen Bammel
       hat. Die Stadt sei so anders als Berlin, sagt er, so verdammt ruhig, fast
       schon totenstill. „Na ja“, sagt Süleyman Koç, „ich bin mal gespannt.“
       
       1 Jan 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Markus Völker
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Haftstrafe
 (DIR) SC Paderborn
       
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