# taz.de -- Die Geldscheine der Post-Euro-Zeit: Kühlergrills in Nationalfarben
       
       > Was kommt eigentlich, wenn der Euro zusammenbricht? Ein Schweizer
       > Designbüro hat neue Geldscheine entworfen – ein Spiel mit europäischen
       > Klischees.
       
 (IMG) Bild: Mit Dog Content: Die Scheine der Neuen Deutschen Mark.
       
       „Ein jeder kratzt und scharrt und sammelt, und unsre Kassen bleiben leer.“
       Goethe kannte sich aus. Neben dem Schreiben, seinen naturwissenschaftlichen
       Arbeiten und etlichen anderen Tätigkeiten war er im Laufe seiner Karriere
       auch Finanzminister im damaligen Weimarer Pleitestaat, dem er eine strikte
       Sparpolitik verordnete.
       
       Dabei war Goethe, geboren in der späteren Bankenmetropole und europäischen
       Geldhauptstadt Frankfurt am Main, ein schwerreicher Mann. Sein Vermögen lag
       bei umgerechnet 7 bis 17 Millionen Euro, wie die Literaturwissenschaftlerin
       Sigrid Löffler in einem Vortrag über „Goethe und das Geld“ spekulierte. Das
       war kein Papiergeld, sondern echtes Bares, 140.000 Taler, Gold- und
       Silbermünzen, kistenweise. Geld war für Goethe göttlich und teuflisch
       zugleich.
       
       Das zeigt sich auch in seinem wohl bekanntesten Werk. Im „Faust“ erfindet
       Mephisto das Papiergeld. Als Vorbild diente Goethe der schottische Bankier
       und Finanzjongleur John Law, der 1720 den französischen Staat mit
       ungedecktem Papiergeld in eine Finanzkrise stürzte. Trotz der schlechten
       Erfahrungen versuchte man es in Frankreich weiter mit bedruckten Scheinen
       statt goldenen Münzen: Die Assignaten, das Papiergeld, das während der
       Französischen Revolution benutzt wurde, waren letztlich kaum etwas wert.
       Obwohl sie eigentlich durch den Grundbesitz des entmachteten Adels gedeckt
       sein sollten. Das führte zu neuen Problemen. Am Ende des 18. Jahrhunderts
       war Frankreich insolvent.
       
       Wer Geld herstellen kann, braucht nicht zu kratzen, zu scharren und zu
       sammeln. Der moderne Alchimist macht nicht mehr Blei zu Gold, sondern
       Papier zu Geld. Und mit diesem Geldmachen kann man auch noch Geld
       verdienen. Das ist Magie. Zumindest aber sei Papiergeld eine Illusion, die
       magisches Denken voraussetze, sagt Sigrid Löffler. Eine Banknote sei
       letztlich eine Creatio ex nihilo, eine Schöpfung aus nichts, weil das
       Papiergeld seinen Wert aus einem offenen Zahlungsversprechen beziehe.
       
       Während Goldmünzen dem Materialwert entsprachen, ist ein Geldschein im
       Zweifel nicht mal mehr das Papier wert, auf das er gedruckt ist. Da kommt
       zweifellos eine religiöse Dimension zum Vorschein: Wenn wir nicht daran
       glauben, dass unser Geld einen Wert darstellt, dann haben wir ein Problem.
       
       ## Geld ist wie Gott
       
       An Geld muss man glauben, wie man an Gott glauben muss, damit er existent
       ist. Es gibt jene Politiker und Wirtschaftswissenschaftler, die auf die
       Stabilität des Euro und den alternativlosen Fortbestand der Eurozone
       setzen. Deren Reden gleichen Beschwörungen. Für ein Ende der Währungsunion
       werden – wie bei einer Naturkatastrophe – „verheerende Folgen“
       vorhergesagt, neben den erwartbaren auch noch zahlreiche nicht zu
       kalkulierende.
       
       „Das Risiko eines solchen Experiments ist gar nicht abzuschätzen“, sagt
       etwa Jens Boysen-Hogrefe vom Kieler Institut für Weltwirtschaft. Auf der
       Gegenseite stehen die Skeptiker, die den Glauben an das Gute im Euro
       verloren haben, die aus dem Währungsverbund raus und die „gute alte D-Mark“
       wiederhaben wollen. Und sie werden immer mehr.
       
       In diesem Glaubensstreit verwischen die politischen Fronten. Befürworter
       und Gegner des Euros, der Eurozone und der Währungsunion finden sich in
       sämtlichen Lagern von rechts bis links. Man mag sich das Chaos, das
       entstehen wird, wenn die Währungsunion aufgelöst wird, gar nicht
       vorstellen. Kann so etwas überhaupt klappen? Es ist ja nicht so, als wolle
       man einen verhedderten Fadenknäuel entwirren, sondern eher, als wolle man,
       nachdem man ein Glas Tinte in einen Eimer mit Wasser gekippt hat, die
       beiden Flüssigkeiten wieder trennen. Wo soll man da bloß anfangen?
       
       In dem Augenblick, da verkündet wird, man wolle den Euro abschaffen,
       verliert dieser augenblicklich an Wert. Was tritt an seine Stelle? Neue
       Gelder müssten direkt verfügbar sein. Das heißt auch, dass neue Geldnoten
       bereits entworfen und produziert worden sein müssen, bevor überhaupt die
       Abschaffung der gemeinsamen Währung kommuniziert wird.
       
       Ein Vorschlag, wie die neuen Scheine aussehen könnten, kommt aus der
       Schweiz. Aus eben jenem Land, das schon immer ein besonderes Verhältnis zum
       eigenen Geld wie zu dem anderer Länder hatte. Schweizer Banknoten –
       zumindest die der aktuellen Serie – gehen als Kunstwerke durch. Nicht
       verwunderlich also, dass nun ein Schweizer Designbüro ein „Lösungsmodell
       für den Ernstfall“ der Abschaffung des Euros vorgelegt hat.
       
       Die Agentur Weicher Umbruch hat das Buch „Neues Geld“ herausgebracht, das
       die neuen Währungen der (fiktiv ehemaligen) 17 Euroländer als
       heraustrennbare Banknoten enthält: die Neue Maltesische Lira ebenso wie die
       Neue Griechische Drachme, der Neue Französische und der Neue Belgische
       Franc. Ein ebenso charmantes wie ironisches Buch. Aber vielleicht hätten
       die Schweizer noch warten sollen.
       
       Denn die Europäische Währungsunion wächst immer weiter. Am 1. Januar 2014
       ist Lettland (nach Belgien, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich,
       Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, Malta, den Niederlanden,
       Österreich, Portugal, der Slowakei, Slowenien, Spanien und Zypern)
       [1][//www.taz.de/Kommentar-Euro-in-Lettland/!130198/:als 18. Land der
       Eurozone beigetreten]. Weitere drei Länder, die nicht der Europäischen
       Union angehören, sind mit eigenen Euromünzen und -banknoten der Eurozone
       assoziiert: Monaco, San Marino, der Vatikanstaat. Dazu kommt Andorra, das –
       obwohl es zur Eurozone gehört und der Euro offizielles Zahlungsmittel ist –
       kein eigenes Geld ausgibt. Kosovo und Montenegro gehören nicht zur
       Eurozone, dennoch ist der Euro in beiden Ländern die (unilateral und als
       Fremdwährung eingeführte) offizielle Währung.
       
       Trotz breit aufgestellter Eurogegnerschaft schreitet das Projekt einer
       gemeinsamen Währungszone also weiter voran. Der Glaube an den Nutzen einer
       solchen gemeinsamen Währung ist stark. Und – abgesehen vom sogenannten
       wirtschaftlichen Nutzen – ist das gemeinsame europäische Geld nur ein
       weiterer Ausdruck der Vereinheitlichung, der in anderen Bereichen längst
       vollzogen ist: Überall in Europa fahren die Menschen dieselben Autos,
       tragen dieselben Klamotten, die ihnen von derselben Werbung angepriesen
       werden. Sie benutzen dieselben Telefone, um sich dieselben Kurznachrichten
       zu schicken, trinken dabei denselben Latte Macchiato, essen dieselben
       Fastfoodmenüs. Warum sollen sie dafür nicht mit demselben Geld bezahlen?
       
       ## Waffeln, Fritten, Schoko
       
       Das Buch „Neues Geld“ versucht sich an einer Antwort: Nationale Identitäten
       sind spannend, mitunter sogar lustig. Zentral ist die Identitätsfrage: Wer
       sind wir? Wer sind die anderen? Was betrachten Italiener, Spanier oder
       Slowaken als identitätsstiftend? Die Schweizer Designer haben diese Fragen
       stellvertretend zu beantworten versucht. Herausgekommen ist ein Spiel mit
       Klischees.
       
       Das „Neue Geld“ zeigt Eigenheiten, Traditionen und Wahrzeichen der
       einzelnen Länder. Nicht alles ist ganz ernst gemeint. Auf den belgischen
       Geldscheinen sind Waffeln, Fritten und Schokolade abgebildet. Die Neue
       D-Mark zeigt Kühlergrills deutscher Autobauer. Auf den Rückseiten der Neuen
       Deutschen Mark sind die in Deutschland beliebtesten Hunderassen zu sehen.
       
       Das Design zeigt die jeweiligen Nationalfarben. Das Layout, obwohl nach
       Land verschieden, ist so angelegt, dass der Eindruck einer europäischen
       Restzusammengehörigkeit erweckt wird. Versammelt sind kluge, teilweise aber
       auch ironische Texte zu dem, was Geld (uns) bedeutet. Besonders schön sind
       die Erinnerungen der einzigen Autorin im Buch: Sie schreibt über ihre
       Sammlung ausländischen Geldes, die sie als Kind angelegt hatte und wie sie
       als Teenager die geheimnisvollen Scheine und Münzen umtauschte, um
       „Zigaretten oder Drogen“ zu kaufen.
       
       Das Buch „Neues Geld“ ist übrigens eine solide Kapitalanlage. Es kostet nur
       37 Euro. Der Wert der enthaltenen Geldscheine entspricht dagegen – Stand
       heute – 20.145 Euro.
       
       3 Jan 2014
       
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