# taz.de -- Fußball in Italien: Das letzte Derby
       
       > Dem Drittligaverein Nocerina droht in Italien wegen eines provozierten
       > Spielabbruchs der Ausschluss. Klub und Fans spalten sich an der
       > Schuldfrage.
       
 (IMG) Bild: Großes Schauspiel: einer der fünf Nocerina-Spieler, die eine Verletzung vortäuschten
       
       NOCERA taz | Luigi Pavarese wähnt sich in einem Schauprozess. Der
       Geschäftsführer des Drittligavereins Nocerina sieht seinen Klub als
       „Schlachtopfer eines Verbandes, der gegenüber der Uefa Durchsetzungsstärke
       zeigen“ wolle. Die Rede ist vom italienischen Fußballverband.
       
       Hintergrund ist der kuriose Spielabbruch im November 2013. Eine
       vorgetäuschte Verletzungsorgie führte nach 21 Minuten zum Abpfiff. Im
       aktuellen Sportgerichtsverfahren beantragte Verbandsankläger Stefano
       Palazzi den Ausschluss des Vereins aus dem Spielbetrieb und drei- bis
       viereinhalbjährige Sperren für Spieler, Trainer und Funktionäre.
       
       Nocera Inferiore. Der Platzwart sperrt die Metalltore des nach Franz von
       Assisi benannten Stadions zu. Die ASG Nocerina schließt beim Training die
       Fans aus. Das allein ist eine bittere Tatsache. Denn in der Provinzstadt
       südlich Neapels ist der Fußball ein und alles.
       
       „Es gibt hier für die Jungen nichts außer Fußball – kein Kino, keine Disko,
       keine Arbeit“, erklärt der Platzwart. Seit vor zehn, fünfzehn Jahren die
       großen Fabriken schlossen, die die einst als „rotes Gold“ gepriesenen
       Tomaten der Marke San Marzano verarbeiteten, herrscht Tristesse pur.
       
       Einzige Abwechslung – vom Drogenhandel abgesehen, in den auch der frühere
       Nocerina-Kapitän Vincenzo De Liguori verwickelt war – bietet der Fußball.
       Gut 7.000 Fans haben in der 45.000-Einwohner-Stadt den Fanausweis erworben.
       Das sind mehr als in Neapel, wo sich die Tifosi gegen das verhasste
       Instrument wehrten, dass der Verein eine abgespeckte Variante erfand.
       
       ## Fans bedrohten Spieler mit dem Tod
       
       „Hier in Nocera haben die Fans sich für die Tessera entschieden, weil sie
       glaubten, damit das Recht auf den Besuch von Auswärtsspielen zu erwerben“,
       sagt Pavarese. Er kann ihre Wut über das Stadionverbot in Salerno durchaus
       verstehen.
       
       Das verhängte der Präfekt wenige Tage vor Spielbeginn aus
       Sicherheitsgründen. Das letzte Derby allerdings, das Auskunft über die
       Gefahrenlage hätte geben können, fand vor 25 Jahren statt. In der Folgezeit
       wurden beide Mannschaften, selbst wenn sie in derselben Spielklasse waren,
       aus Angst vor Ausschreitungen jeweils anderen Staffeln zugeordnet.
       
       Das Derby mit Paganese, dem Verein der unmittelbar an Nocera angrenzenden
       Kleinstadt, wurde aus ähnlichen Erwägungen in den letzten Jahren 500
       Kilometer entfernt in der Toskana und den Abruzzen ausgetragen. „Selbst
       diese Spiele fanden vor verschlossenen Toren statt“, berichtet Pavarese.
       
       „Menschen wie du und ich“ seien plötzlich zu Gewalttätern geworden. „Sie
       haben mich und die Spieler mit dem Tode bedroht, wenn wir in Salerno
       spielen“, sagt der Geschäftsführer Pavarese und macht die Geste des
       Halsabschneidens. Diese Drohung veranlasste die Spieler zur vorgetäuschten
       Verletzungsorgie.
       
       ## Verbindungen zur Camorra gibt es auch
       
       „Es ist noch niemand auf dem Fußballplatz umgebracht worden“, winkt der
       Platzwart ab. Die meisten Spieler wohnen ohnehin außerhalb Noceras in einem
       Luxushotel. Das hat Vereinsbesitzer Giovanni Citarella gebaut – ein Baulöwe
       mit familiären Verbindungen zur Camorra, der derzeit in Untersuchungshaft
       sitzt.
       
       Seine Spieler soll er mit Schwarzgeld bezahlt haben, meint die
       Staatsanwaltschaft. „Das macht doch jeder wegen der hohen Steuerlast. Nach
       außen hin sind alle Präsidenten bis hoch zur Serie A Jungfrauen. Doch unter
       dem Hemd haben alle Löcher“, sagt Pavarese.
       
       Im November steckte er in der Klemme. Er wollte den Fans nachgeben, aber
       auch das Spiel nicht absagen. Denn das hätte neben den Punkten auch die
       Zuwendungen des Verbands aus den TV-Rechten gekostet (500.000 Euro).
       
       Die Fans kommen selbst bei offenen Toren nicht mehr ins Stadion. „Sie
       fühlen sich verraten, weil wir die Namen derer, die uns bedrohten, der
       Polizei sagten“, erklärt Pavarese. Er wundert sich heute noch über die
       damals fehlende Unterstützung der Polizei. Fehler haben an diesem Tag viele
       gemacht. Die Zeche zahlen der Klub und seine – mittlerweile ehemaligen –
       Fans.
       
       23 Jan 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tom Mustroph
       
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