# taz.de -- Jenny Marx: Mehr als Karls Frau
       
       > Vor 200 Jahren wurde in Salzwedel die Ehefrau von Karl Marx geboren. Die
       > Stadt hat sie lange vergessen, dabei war sie mehr als Sekretärin und
       > Mutter.
       
 (IMG) Bild: Zeitgenossen beschrieben Jenny Marx als witzige, scharfsinnige Frau.
       
       SALZWEDEL taz | „Mein Mann ging beim Anbrechen der unglücklichen Epoche der
       Konterrevolution nach Paris, ich folgte ihm mit meinen drei Kindern. Kaum
       in Paris eingewohnt, wird er vertrieben, mir selbst und meinen Kindern wird
       der längere Aufenthalt versagt. Ich folge ihm wieder übers Meer. Nach einem
       Monat wird unser viertes Kind geboren.“ So beginnt eine Selbstbeschreibung
       von Jenny Marx im DDR-Geschichtsbuch der 8. Klasse von 1980. „Jenny wurde
       in der DDR nur als Anhängsel ihres Ehemanns Karl Marx angesehen und nie als
       eigenständige Persönlichkeit. Dieses Bild war falsch“, sagt Karl-Heinz
       Reck. Er gründete vor einigen Jahren den Freundeskreis Jenny Marx in
       Salzwedel, wo Jenny von Westphalen am 12. Februar 1814 geboren wurde.
       
       „Bis 1989 gab es hier ein Museum der Familie Marx, in dem die Geschichte
       der Arbeiterbewegung und Karl Marx im Mittelpunkt standen“, sagt Ulrich
       Kalmbach, Leiter des Johann-Friedrich-Danneil-Museums in Salzwedel. Im
       Geburtshaus von Jenny waren von 1969 bis 1989 insgesamt 14
       Ausstellungsräume zu besichtigen, mit Themen wie „Marx als Redakteur der
       Rheinischen Zeitung“ oder „Die Brüsseler Zeit und das Kommunistische
       Manifest“. Auch ein Lenin-Zimmer gab es hier – einen Ausstellungsraum über
       Jenny alleine suchte man dagegen vergebens. Erst seit 2011 kann man im
       Geburtshaus Jennys, der heutigen Musikschule, zwei Räume besichtigen, in
       denen ihr Leben geschildert wird.
       
       Zum 200. Geburtstag Jennys gibt es in Salzwedel dieser Tage neben Lesungen,
       Diskussionen und Führungen die Sonderausstellung „Jenny Marx – Eine
       couragierte Frau zwischen Salzwedel und London“ sowie eine neue
       Dauerausstellung. „Dabei geht es auch darum, wie eigenständig Jenny war“,
       sagt Kalmbach und ergänzt: „Nach der Wende wurde in Salzwedel kontrovers
       diskutiert, ob und wie man an Jenny Marx erinnern soll. Heute ist das
       Interesse durchwachsen. Es kommen vor allem ältere Besucher.“
       
       Deren Bild ist geprägt von den in der DDR verbreiteten Fakten: Jenny wächst
       in einem adligen Haushalt auf, zunächst in Salzwedel, dann in Trier, wo ihr
       Vater als Königlich preußischer Beamter den Justizrat Heinrich Marx
       kennenlernt, den Vater von Karl. Jenny, die als Ballkönigin und schönstes
       Mädchen von Trier gilt, heiratet 1843 den vier Jahre jüngeren Karl. Ihr
       gemeinsames Leben ist bestimmt von politisch motivierten Ausweisungen aus
       Paris, Brüssel und Köln sowie permanenter Geldnot, was zum Rausschmiss aus
       mehreren Wohnungen in London führt. Nicht zuletzt wegen großer Armut
       sterben vier ihrer sieben Kinder in jungen Jahren. Trotz des harten Alltags
       unterstützt Jenny Karl bei der politischen Arbeit und schreibt seine kaum
       entzifferbaren Texte ab.
       
       Weitgehend unbekannt blieb, dass Jenny nicht nur Mutter und Sekretärin ist,
       sondern Karl bei der Verbesserung seiner Fremdsprachenkenntnisse hilft, mit
       ihm über Feuerstein und Hegel diskutiert, Texte über die Revolution in
       Deutschland und Theaterkritiken schreibt, selbst eine brillante Rednerin
       ist. Zeitgenossen charakterisieren Jenny als witzig, scharfsinnig, voll
       beißender Ironie. Die politischen Ziele ihres Mannes teilt sie zeitlebens,
       die private Beziehung bekommt wegen eines unehelichen Kindes aus Karls
       Affairen Risse.
       
       So ganz ist sie auch heute nicht aus seinem Schatten getreten: „Ich hoffe,
       dass Salzwedel in vier Jahren vom Touristenstrom profitieren kann, der zu
       Karls 200. Geburtstag in Trier erwartet wird“, sagt Reck. Besucher kann die
       25.000 Einwohner zählende Fachwerkstadt in unmittelbarer Nähe zu Lüchow im
       Wendland gut brauchen. Die Jenny-Marx-Festwoche könnte man als Generalprobe
       betrachten, in der einmal von ihr statt von ihm die Rede ist – neben dem
       Jenny-Marx-Haus, der Jenny-Marx-Straße, der Jenny-Marx-Grundschule und der
       Wohnsportgemeinschaft Jenny Marx gibt es ab heute auch einen nach ihr
       benannten Nahverkehrszug. Doch danach dürfte Salzwedel wieder in einen
       Jenny-Marx-Tiefschlaf verfallen. Der Freundeskreis wird sich auflösen und
       Reisende werden vor allem an die kulinarische Spezialität aus der Gegend
       erinnert: den Baumkuchen.
       
       Die Ambivalenz, mit der die Geburtsstadt heute auf ihre große Tochter
       blickt, bringt Oberbürgermeisterin Sabine Danicke im Veranstaltungsflyer
       zur Festwoche so zum Ausdruck: „Was fasziniert heute an Jenny Marx, was ist
       warnend?“ Darüber wollen am Freitag in Salzwedel Politiker, Schriftsteller
       und Wirtschaftsvertreter unter dem Titel „Wer hat Angst vor Jenny Marx?“
       diskutieren.
       
       Ihr Urteil wird je nach politischem Standpunkt unterschiedlich ausfallen.
       „Sie war eine starke Frau und große Sozialistin und hatte eine viel größere
       Rolle als zu DDR-Zeiten publik gemacht. Es sollte nicht am Lack von Karl
       Marx gekratzt werden“, sagt der ehemalige SPD-Kultusminister Reck. Die
       französische Feministin Francoise Giroud kommt in ihrem Buch „Trio
       Infernale“ dagegen zum Schluss: „Der wissenschaftliche Sozialismus bleibt
       der tragischste Betrug des Jahrhunderts. Jenny von Westphalen, ein Mensch
       voller Liebe und Überzeugung, ist dessen erstes und freiwilliges Opfer
       gewesen.“
       
       ## Mehr Informationen unter
       
       12 Feb 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Joachim Göres
       
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