# taz.de -- TV-Film „Der letzte Kronzeuge“: Augen zu und durchballern
       
       > Der ZDF-Montagsfilm ist eine Zumutung – sowohl für die Schauspieler, als
       > auch für die Zuschauer. Und es erinnert stark an Peter Weirs „Der einzige
       > Zeuge“.
       
 (IMG) Bild: Flieht als Großstadtpolizistin aus Berlin zu ihrem Großvater auf die Tiroler Alm: Lisa Maria Potthoff.
       
       Da landet also ein Alitalia-Flieger aus Neapel in Berlin. An Bord ein
       Mafiavater und sein kleiner Sohn als Kronzeugen in einem Mafiaprozess. Der
       Vater wird sofort nach der Ankunft von einem Killer erschossen. Sehr
       publikumswirksam, aber mit Schalldämpfer. Die Heldin greift sich den Sohn
       und es entspinnt sich eine offenbar als genregemäß wild intendierte
       Verfolgungsjagd.
       
       Das Bemerkenswerte: Plötzlich rennen die Darsteller nicht mehr über den
       Flughafen, sondern durch den Berliner Hauptbahnhof, die Heldin kann mit dem
       Jungen gerade noch in einen Zug steigen und ihrem Verfolger entkommen,
       vorerst.
       
       Aber was war da los? Können die Filmfiguren durch Zeit und Raum springen?
       Oder sollte der Bahnhof Flughafen spielen? Weil der Hauptstadtflughafen
       nicht fertig wird und Tegel unwürdig ist? Oder muss das ZDF, trotz
       sprudelnder Rundfunkbeiträge, den Gürtel nun so eng schnallen, dass beide
       Drehorte nicht drin waren? In jedem Falle dürfte das Ergebnis alle mit der
       Topografie der Hauptstadt vertrauten Zuschauer ziemlich verwirren.
       
       Das wäre gar nicht so tragisch, wäre es nicht so bezeichnend für die ganze
       Machart des Films „Der letzte Kronzeuge – Flucht in die Alpen“, die vor
       allem eines ist: lieblos.
       
       ## Gute Schauspieler, schlechte Regie
       
       Da ist ein eigentlich erlesenes Schauspielerensemble versammelt,
       hochkarätig bis in die kleinen Nebenrollen (Herbert Knaup, Corinna
       Kirchhoff, Florian Lukas). Da sind ein Regisseur (Urs Egger) und ein Autor
       (Stefan Kolditz) am Werk, die bereits großartige Fernsehfilme gemacht
       haben, auch zusammen („An die Grenze“). Stefan Kolditz hat natürlich auch
       die Weltkriegsmachwerke „Dresden“ und „Unsere Mütter, unsere Väter“ zu
       verantworten, die noch so viele Preise gewinnen mögen und dadurch nicht
       weniger verachtenswert sind. Aber immerhin – man merkt, es ist doch immer
       noch besser und unbedingt unterhaltsamer, etwas Verachtenswertes im
       Fernsehen zu gucken als etwas Liebloses.
       
       Ausdruckslose Miene aufsetzen und dabei irgendwie möglichst abgründig böse
       aussehen – das war offenbar die einzige Regieanweisung Urs Eggers an seine
       Schurkendarsteller, Waldemar Kobus, Ken Duken und Justus von Dohnányi.
       Duken und von Dohnányi bekamen dazu Schlapphut respektive
       Hans-Koschnick-Brille aufgesetzt. Von Dohnányi hat selbst zwei wunderbare,
       detailreich verschrobene „Tatorte“ inszeniert, einen davon auch geschrieben
       – man fragt sich, was er sich bei seiner Killerrolle in diesem Film gedacht
       haben mag: Alle Destruktivität in die Rolle stecken? Augen zu und
       durchballern?
       
       Wenigstens war für ihn ein Ausflug ins Alpenland mit drin. „Hergestellt mit
       Unterstützung der Cine Tirol Film Commission“, heißt es im Abspann. Dank
       der österreichischen Finanzspritze spielen also ein paar Szenen in den
       Bergen. Wurzellose Hauptstadtwelt contra vorindustrielles Almidyll („Alles,
       was i brauch, wirft die Alm noch ab, solang i leb. Was sie net abwirft, des
       brauch i net.“).
       
       ## Bei Peter-Weir abgeguckt
       
       Es ist nämlich so, dass der Autor sich den Plot für seinen Film „Der letzte
       Kronzeuge“ ziemlich lieb-, wenn nicht schamlos bei dem 30 Jahre alten
       Peter-Weir-Film „Der einzige Zeuge“ abgeguckt hat. Damals floh der von
       Harrison Ford gespielte Großstadtpolizist aus Philadelphia zu den Amischen
       aufs Land, um den Zeugenjungen vor seinen korrupten Polizeikollegen in
       Sicherheit zu bringen.
       
       In die hiesigen Verhältnisse übersetzt flieht nun Lisa Maria Potthoff als
       Großstadtpolizistin aus Berlin zu ihrem Großvater auf die Tiroler Alm, um
       den Zeugenjungen vor ihren korrupten Polizeikollegen in Sicherheit zu
       bringen. Natürlich finden die Killer das Refugium in der ZDF-Version etwas
       schneller – Formatvorgabe 90 Minuten. Es versteht sich, dass dabei die
       Ausarbeitung der kontrastierenden Lebensweisen, von der das Vorbild lebt,
       als oberflächlicher Schauwert auf der Strecke bleiben muss.
       
       Lieblos eben.
       
       17 Feb 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jens Müller
       
       ## TAGS
       
 (DIR) ZDF
 (DIR) TV-Dokumentation
 (DIR) Sotschi 2014
 (DIR) Markus Lanz
       
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