# taz.de -- Eskalation in Kiew: Der Maidan in Flammen
       
       > Die Lage in der Ukraine eskaliert, nachdem die Polizei das Protestlager
       > in Kiew stürmt. Die Meldungen über Tote und Verletzte überschlagen sich.
       
 (IMG) Bild: Seit Monaten wird auf dem Maidan protestiert, am Dienstagabend eskaliert die Situation.
       
       KIEW dpa/afp | Nach Wochen angespannter Ruhe sind die Massenproteste in der
       Ukraine in schwere Gewalt mit mindestens 13 Toten und fast 400 Verletzten
       umgeschlagen. Sicherheitskräfte und Regierungsgegner lieferten sich am
       Dienstagabend am Kiewer Unabhängigkeitsplatz (Maidan) schwere
       Straßenschlachten, nachdem die Polizei gegen die Barrikaden vorgerückt war.
       Überall brannten Feuer, auch das Protestcamp stand in Flammen. Bei
       Auseinandersetzungen waren zuvor im Tagesverlauf mindestens sieben
       Zivilisten sowie sechs Polizisten getötet worden. Die meisten Toten hatten
       Schusswunden erlitten.
       
       Auslöser der Gewalt war offenbar ein Angriff auf eine Polizeisperre am
       Vormittag gewesen. Als Täter wurden entweder radikale Oppositionelle oder
       aber Provokateure auf Seiten der Staatsmacht genannt.
       
       Das Innenministerium hatte kurz vor Beginn des abendlichen Einsatzes die
       noch zu Tausenden versammelten Regierungsgegner zum Verlassen des Platzes
       aufgefordert. Es folge eine „Anti-Terror-Operation“, hieß es. Die
       Oppositionsführung rief Frauen und Kinder in ihren Reihen auf, den Platz zu
       verlassen. Bereits im Tagesverlauf war es zu schweren Straßenschlachten
       gekommen. Mindestens 184 Polizisten wurden nach Behördenangaben verletzt,
       mehr als 100 von ihnen schwer. Zudem war von mehr als 200 verletzten
       Regierungsgegnern die Rede.
       
       Auch in anderen ukrainischen Städten gab es Proteste und Berichte über
       Angriffe auf Regierungsgebäude. In Lemberg warfen 500 Regierungsgegner
       Steine auf den Sitz der Regionalregierung und drangen dann in das Gebäude
       ein, ohne auf Widerstand zu stoßen, wie ein AFP-Reporter berichtete. Etwa
       hunderte Protestierende stürmten sodann den Sitz der regionalen Polizei.
       Lemberg ist eine Hochburg der Regierungsgegner, die für eine beschleunigte
       Annäherung der Ukraine an die Europäische Union antreten.
       
       Die Entwicklung löste international Besorgnis aus. Bereits im Vormonat
       waren bei Ausschreitungen mehrere Menschen in Kiew ums Leben gekommen.
       
       Der ukrainische Geheimdienst SBU und das Innenministerium hatten den
       Regierungsgegnern ein Ultimatum für ein Ende der Gewalt bis Dienstag 18.00
       Uhr Ortszeit (17.00 Uhr MEZ) gestellt. Sonst würden „alle vom Gesetz
       erlaubten Mittel“ eingesetzt, um das Chaos zu beenden, hieß es in einer
       gemeinsamen Mitteilung der Behörden.
       
       Die ukrainische Führung forderte die internationale Gemeinschaft auf, die
       Gewalt von Regierungsgegnern zu verurteilen. „Radikale Kräfte haben in Kiew
       und anderen Städten der Ukraine einen neuen, durch nichts zu
       rechtfertigenden Ausbruch von Gewalt und Gesetzlosigkeit initiiert“,
       zitierten Medien den amtierenden Außenminister Leonid Koschara.
       
       ## Am Montag sah es nach Entspannung aus
       
       Die Gewalt kommt nur auf den ersten Blick unerwartet. Zwar sah es noch am
       Montag in Kiew ganz nach Entspannung aus. So stellte die Justiz die
       Ermittlungen gegen radikale Regierungsgegner ein, ließ mehr als 240
       Festgenommene frei. Die Demonstranten räumten im Gegenzug besetzte Gebäude,
       darunter zunächst auch die Kiewer Stadtverwaltung.
       
       Doch die Wut vieler Protestierer, die seit Monaten im Stadtzentrum in
       Zelten ausharren, ist gewaltig. Die frühere Regierungschefin Julia
       Timoschenko ruft aus ihrer Haft heraus dazu auf, keine Kompromisse mit der
       „Bande“ um Janukowitsch einzugehen. Ihre Anhänger sprechen nun von Verrat
       und Niederlage. Ein Funke genügt, damit die Stimmung überkocht. Und auch
       die regierende Partei der Regionen heizt den Konflikt an. Beharrlich
       weigert sich die Janukowitsch-Partei, eine Rückkehr zur
       parlamentarisch-präsidialen Verfassungsordnung von 2004 zu diskutieren, wie
       sie die Opposition fordert.
       
       „Heute tragen die Oppositionsführer persönlich Verantwortung für die neue
       Etappe der Verschärfung des Konflikts“, schimpft Justizministerin Jelena
       Lukasch. Generalstaatsanwalt Viktor Pschonka droht mit harten Strafen –
       auch für die prominentesten Regierungsgegner Arseni Jazenjuk von der
       Timoschenko-Partei und Klitschko, den Chef der Partei Udar (Schlag). Ihnen
       ist es nach Ansicht von Kommentatoren nicht gelungen, die Gewaltbereiten
       zurückzuhalten, die im Kampf den einzigen Ausweg sehen. Und Kritiker werfen
       ihnen vor, keinen eigenen Plan für eine Krisenlösung zu haben.
       
       Jazenjuk und Klitschko hatten sich noch am Montag in Berlin mit
       Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie Steinmeier getroffen. Nun geht es auch
       um ihr persönliches Schicksal. Präsident Janukowitsch ist derweil wie vom
       Erdboden verschluckt. Der Staatschef meldet sich nicht zu Wort. Seine
       Weigerung auf Druck Russlands ein enges Abkommen mit der EU zu
       unterzeichnen, hatte am 21. November 2013 die Demonstrationen ausgelöst.
       Nun sprechen nur noch Vertraute für ihn.
       
       Am späten Dienstagabend hieß es, Klitschko sei zum Amtssitz von
       Janukowitsch gefahren. Unter Berufung auf Oppositionskreise berichteten
       Medien, dass auch der Oppositionspolitiker und frühere Außenminister Arseni
       Jazenjuk zu dem Treffen erwartet werde.
       
       18 Feb 2014
       
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