# taz.de -- Eingliederung: Gericht streicht Inklusion
       
       > Die Schulbegleitung für Kinder mit Behinderung wird Landessache: Ein
       > Gerichtsurteil bringt jetzt die bisherigen Finanzierungskonzepte
       > durcheinander.
       
 (IMG) Bild: Bald unbegleitet? Schüler mit Behinderungen in Schleswig-Holstein.
       
       KIEL taz | Er läuft in der Klasse herum, malt an die Tafel, schaut zu,
       während seine Mitschüler Aufgaben lösen: Jonas* besucht trotz motorischer
       und sozialer Auffälligkeiten die Grundschule Großsolt bei Flensburg – eine
       Folge der Inklusion, der Idee, alle Kinder mit und ohne Behinderungen
       gemeinsam zu unterrichten.
       
       Damit das funktioniert, werden häufig „Schulbegleitungen“ eingesetzt. Deren
       Honorare stammen bislang aus den Budgets für Jugendhilfe oder
       Eingliederungshilfe, die den Kommunen unterstehen. Nun hat das
       Landessozialgericht Schleswig-Holstein entschieden, dass die Schulen selbst
       zuständig sind, „wenn der Hilfebedarf im Kernbereich der schulischen Arbeit
       besteht“. Damit steht das Land in der Pflicht – es geht um einen
       Millionenbetrag.
       
       „Wir prüfen das“, sagte Patricia Zimnik, Sprecherin des
       Bildungsministeriums. Der Zeitpunkt des Urteils sei gut, denn das
       Ministerium arbeitet an einem Konzept zur Inklusion, das bis zum Frühsommer
       fertig sein soll. Da könne der neue Sachstand gleich eingefügt werden.
       
       Einfach wird das jedoch nicht werden. Rund zwölf Millionen Euro betrugen
       die Ausgaben für die „ambulanten Hilfen zur angemessenen Schulbildung“ im
       Jahr 2012. Diese Summe solle das Land nicht nur künftig, sondern auch
       rückwirkend ab 2011 übernehmen, forderte Bernd Saxe, Bürgermeister von
       Lübeck und amtierender Vorsitzender des Städtetages – ein bisschen Häme
       schwingt mit.
       
       Laut dem Gerichtsurteil müssen die Schulen so ausgestattet werden, dass
       eine zusätzliche Begleitung nicht mehr nötig ist: Einerseits sollen die
       Räume behindertengerecht ausgestattet sein, aber auch so viel Personal zur
       Verfügung stehen, um allen Kindern zu ermöglichen, am Unterricht
       teilzunehmen.
       
       Mehr Personal will auch die Lehrergewerkschaft GEW, die bereits vor Monaten
       1.000 Stellen mehr für die Inklusion gefordert hat. Müssten alle Aufgaben
       der Schulbegleiter mit eigenen Pädagogen übernommen werden, müsste diese
       Zahl wohl noch steigen. Dass dies angesichts der Sparvorgaben des Haushalts
       kaum möglich ist, wissen alle Beteiligten. Martin Habersaat (SPD)
       appellierte an die Kommunen, die sich „sicher nicht ihrer Verantwortung
       entziehen“ würden, Anke Erdmann (Grüne) wagte leise Kritik, ob das Urteil
       differenziert genug sei.
       
       Die Leidtragenden könnten Kinder mit Behinderungen und ihre Familien sein,
       denen „drastische Einsparungen“ drohen könnten, fürchten
       Wohlfahrtsverbände. So geht es den Eltern, deren Klage den Anstoß für das
       Urteil gab: Sie wollten mehr Unterstützung für ihren Sohn zu erhalten. Das
       Gericht aber verwies darauf, dass die Schule behindertengerecht
       ausgestattet sein müsse und strich die Stunden mit professioneller
       Begleitung von 20 auf drei zusammen.
       
       Am morgigen Donnerstag berät der Sozialausschuss des Landtags über den
       Fall.
       
       * Name geändert
       
       25 Feb 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Esther Geisslinger
       
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