# taz.de -- Janukowitsch äußert sich in Russland: „Ich bin nicht abgesetzt worden“
       
       > Auf einer Pressekonferenz behauptet Viktor Janukowitsch, weiter Präsident
       > der Ukraine zu sein. Derweil werden seine Schweizer Konten gesperrt, und
       > auf der Krim brodelt es.
       
 (IMG) Bild: Videoaufnahmen von Janukowitschs Zwischenstopp im ukrainischen Charkow.
       
       ROSTOW AM DON/SINFEROPOL/GENF afp/ap/dpa/rtr | Nach seiner Flucht aus der
       Ukraine hat der abgesetzte Präsident Viktor Janukowitsch aus seinem
       russischen Exil einen Kampf um sein Land angekündigt. Er halte sich weiter
       für den rechtmäßigen Staatschef der Ukraine, sagte Janukowitsch bei einer
       Pressekonferenz am Freitag in Rostow am Don. Er sei „nicht abgesetzt“
       worden, sondern habe das Land nach Drohungen verlassen, fügte er hinzu. Er
       werde weiter „für die Zukunft der Ukraine kämpfen“.
       
       In seinem Land sei eine faschistische Minderheit an die Macht gekommen.
       „Ich halte die Oberste Rada für nicht legitim“, behauptete er über die
       aktuelle Arbeit des Parlaments in Kiew. Janukowitsch warf dem Westen eine
       „unverantwortliche Politik“ in der früheren Sowjetrepublik vor. Er habe auf
       den Anstand der westlichen Vermittler vertraut, als er das Abkommen mit der
       Opposition unterschrieben habe. „Gesetzlosigkeit, Terror, Anarchie und
       Chaos“ seien die Folge.
       
       Unterdessen trifft die ukrainische Justiz Vorbereitungen, um die
       Auslieferung Janukowitschs zu erwirken. Janukowitsch werde wegen des
       Verdachts des Massenmords während der Zusammenstöße zwischen Demonstranten
       und Polizei mit mehr als 80 Toten in der vergangenen Woche gesucht, teilte
       die Generalstaatsanwaltschaft am Freitag mit.
       
       ## Mit Kalaschnikows am Zivilflughafen
       
       Der Krisenherd hat sich von Kiew auf die Krim verlagert. Mit Kalaschnikows
       patrouillierten am Freitag Milizionäre vor dem Zivilflughafen der Stadt
       Simferopol. Um „Faschisten oder Radikale aus dem Westen der Ukraine“ von
       der Krim fernzuhalten, wie einer ihrer selbsternannten Sprecher sagt.
       Gemeint sind Vertreter der proeuropäischen Opposition, die seit der
       Absetzung von Präsident Viktor Janukowitsch in Kiew eine Übergangsregierung
       bilden.
       
       Die Zerreißprobe für die Ukraine dauert an und lässt die Furcht vor einem
       Auseinanderbrechen des Landes und einer russischen Intervention wachsen.
       Die Männer vor dem Flughafen tragen Militär-Uniformen, manche sind mit
       Sturmhauben vermummt. Niemand weiß wer die rätselhaften Flughafenbesetzer
       sind, deren Abzeichen von weitem nicht zu erkennen sind. Journalisten
       halten sie auf Abstand. Ihre gleichlautende Antwort auf die Frage nach
       ihrem Auftrag lautet: „Kein Kommentar“.
       
       Laut der ukrainischen Übergangsregierung handelt es sich um Russen.
       Innenminister Arsen Awakow wirft Moskau auf Facebook bereits eine
       „bewaffnete Invasion“ vor. Moskau dagegen sagt, bei den Uniformierten
       handele es sich nicht um eigenen Soldaten. Die Lage ist angespannt und
       bleibt es auch, als der ukrainische Sicherheitschef Andrij Parubij am
       Freitagnachmittag sagt, die Flughäfen in Simferopol und Sewastopol seien
       wieder unter Kontrolle Kiews.
       
       Der Machtwechsel in Kiew hat auf der Krim Unmut und Angst ausgelöst. Der in
       der ukrainischen Hauptstadt von tausenden Demonstranten erkämpfte Rückzug
       Janukowitschs gilt auf der Halbinsel im Schwarzen Meer und in Moskau als
       illegitim. Fast 60 Prozent der Krim-Bevölkerung sind ethnische Russen.
       „Russland, Russland“ rufen tausende Menschen vor dem am Donnerstag
       besetzten Regionalparlament, das für den 25. Mai ein Referendum über den
       künftigen Status der autonomen Republik ansetzt. Auch der Regierungssitz am
       Lenin-Platz wird besetzt. Auf beiden Gebäuden weht seither die russische
       Fahne.
       
       ## Parallelen zum Georgien-Krieg
       
       Beobachter sehen die Spannungen mit Sorge. Andreas Umland, deutscher
       Politikwissenschaftler an der Kiewer Mohyla-Akademie, zieht Parallelen zum
       russisch-georgischen Fünf-Tage-Krieg um die abtrünnige Kaukasus-Region
       Süd-Ossetien im Jahr 2008. Es bestehe eine "ernste Gefahr" angesichts
       separatistischer Tendenzen und russischer Interessen in der Region. Vor
       Sewastopol auf der Krim liegt Russlands Schwarzmeer-Flotte. Die Halbinsel
       ist geschichtlich tief im russischen Kollektivgedächtnis verankert. Bis ins
       18. Jahrhundert reicht die Verbundenheit mit der Krim, die Staatschef
       Nikita Chruschtschow der neuen Sowjetrepublik Ukraine 1954 "schenkte".
       
       Beim Südossetien-Konflikt habe Moskau sein Eingreifen mit dem Schutz
       russischer Bürger und in der Region stationierter Friedenstruppen
       begründet, sagte Umland. Eine Parallele sei, dass Georgien seinerzeit, wie
       die prowestliche ukrainische Interimsregierung heute, eine Westanbindung
       wollte, was Russland strikt ablehnte. Schließlich könnte Putin auch daran
       gelegen sein, mit einem Waffengang von sozialen Problemen im Innern
       abzulenken.
       
       Putin, für den Janukowitschs Sturz eine schwere außenpolitische Niederlage
       war, hatte am Mittwoch eine gewaltige Militärübung mit 150.000 Soldaten an
       der Westgrenze der Ukraine angeordnet und den Schutz für seine
       Schwarzmeerflotte verstärkt.
       
       Balazs Jarabik vom Central European Policy Institute (CEPI) in Bratislava
       hält eine russische Militärintervention oder eine Abspaltung der Krim
       dagegen für unwahrscheinlich, weil es zu einer „lose-lose“-Situation führen
       würde. Es käme zu einem „ethnischen Konflikt mit den (Krim-)Tartaren“, der
       seit dem 13. Jahrhundert dort verwurzelten türkischstämmigen Bevölkerung,
       die zwölf Prozent der Bewohner ausmachen. Unter Diktator Stalin wurden die
       Tartaren deportiert. Ihre Nachkommen sehen Moskau bis heute mit tiefem
       Argwohn.
       
       Russland werde seine „Kontrolle“ über die Krim nicht aufgeben, sagt Maria
       Lipman von der Carnegie-Stiftung in Moskau. Denn die Krim ist Moskau, das
       laut Andy Hunder vom Londoner Ukraine-Institut mit dem Wegbrechen der
       Ukraine aus seinem Einflussbereich von einer europäischen mehr zu einer
       eurasischen Macht schrumpfen würde, noch näher als Kiew.
       
       ## Verfahren wegen Verdachts auf Geldwäsche
       
       Unterdessen hat die Schweizer Regierung eine Reihe von Konten gesperrt, auf
       denen Millionenbeträge von Viktor Janukowitsch und seinen Gefolgsleuten
       lagern. Zugleich eröffnete die Staatsanwaltschaft der Eidgenossenschaft
       gegen Janukowitsch und dessen Sohn Alexander ein Strafverfahren wegen des
       Verdachts der „schweren Geldwäsche“. Bereits am Donnerstag wurde eine Firma
       des Sohns in Genf durchsucht, teilte die Behörde mit. Auch in Österreich
       wurden Konten von Ukrainern gesperrt.
       
       Die Regierung in Bern verfügte die Sperrung der Konten und stellte per
       Verordnung jegliche Handlung unter Strafe, die eine „Verwaltung oder
       Nutzung“ dieser mutmaßlich durch Korruption angehäuften Gelder ermöglicht.
       
       Viele der 20 Betroffenen auf der am Freitag vom Schweizer Bundesrat
       veröffentlichten Liste sind ehemalige Minister der gestürzten Regierung.
       Unter ihnen sind der ehemalige Regierungschef Nikolai Asarow sowie die
       Ex-Minister für Finanzen, Juri Kolobow, und Justiz, Olena Lukasch, sowie
       der ehemalige Generalstaatsanwalt Viktor Pschonka.
       
       Banken in der Schweiz, die Gelder dieser Personen verwalten, sind nun
       verpflichtet, sie der Direktion für Völkerrecht im Schweizer
       Außenministerium zu melden. Nach Angaben von Ministeriumssprecher
       Pierre-Alain Eltschinger hat die Regierung in Bern diese Maßnahmen von sich
       aus ergriffen. Die Übergangsregierung in Kiew habe bislang nicht darum
       gebeten, erklärte er Donnerstagabend.
       
       Österreich sperrte derweil auf Ersuchen der neuen Kiewer Führung die Konten
       von 18 Ukrainern. Angesichts der noch andauernden Diskussion auf EU-Ebene
       zur Umsetzung möglicher Sanktionen sei dies eine erste Vorsichtsmaßnahme,
       sagte Außenminister Sebastian Kurz.
       
       Die ukrainische Regierung habe in jedem der 18 Fälle eine Begründung
       geliefert, warum das Konto eingefroren werden sollte. Es geht um den
       Verdacht von Menschenrechtsverletzungen beim blutigen Machtkampf in der
       Ukraine sowie um Korruptionsverdacht.
       
       28 Feb 2014
       
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