# taz.de -- Amelie Deuflhard über Kunstfreiheit: "Künstler sollen nach Grenzen suchen"
       
       > Kunstfreiheit steht im Grundgesetz, zugleich werden ihre Grenzen immer
       > neu diskutiert. Kampnagel-Chefin Amelie Deuflhard über interessante
       > Künstler, Nacktheit und religiöse Gefühle
       
 (IMG) Bild: Steckt die Grenzen weit: Amelie Deuflhard.
       
       taz: Frau Deflhard, wann hat auf Kampnagel zuletzt ein Künstler die Grenzen
       der Kunstfreiheit ausgetestet? 
       
       Amelie Deuflhard: Der letzte heiß diskutierte Fall war der "Human Zoo": Das
       war eine Installation der Gruppe God's Entertainment. Bei der wurden
       gesellschaftliche Außenseiter in Käfige gesperrt und das Publikum ist durch
       die Käfig-Installation gelaufen und hat sich mit denen unterhalten. Da war
       eine Gruppe von Asylanten drin, ein Strafgefangener, eine alleinerziehende
       Mutter, Sozialhilfeempfänger, also die Menschen, die in unserer
       Gesellschaft ausgeschlossen sind, wurden eingeschlossen. Da gab es über die
       Bild und die Mopo eine große Debatte. Über die seriöse Presse nicht.
       
       Haben Sie das erwartet? 
       
       Ja. Aber es schreckt mich nicht ab, wenn ich denke, dass ein Projekt auch
       kritisch rezipiert wird. Ich verteidige immer die Kunst, wenn ich mit
       ernsthaften Künstlern arbeite. Ein Künstler kann die Grenzen der
       Kunstfreiheit natürlich ausloten, wenn es wirklich ein Künstler ist, und
       kann da auch ziemlich weit gehen.
       
       Haben Sie sich schon mal Sorgen gemacht, die Künstler in Ihrem Haus könnten
       zu weit gehen? 
       
       Bei meiner Intendanzeröffnung hat God's Entertainment nachts um 12 ein
       Stück gemacht, das hieß "Love Club". Die Zuschauer konnten steuern, wie
       weit die Akteure auf der Bühne gehen bei der gegenseitigen Annäherung. Da
       habe ich schon gesagt: "Bitte keinen Live-Sex auf der Bühne, sonst bin ich
       tot, bevor ich angefangen habe." Ich wusste aber nicht, ob sie sich daran
       halten würden. Ich habe nicht gesagt: "Ihr dürft nicht."
       
       Suchen Sie als Programmmacherin gezielt nach Kunstprojekten, bei denen es
       um die Grenzüberschreitung geht? 
       
       Ich finde, dass Künstler nach Grenzen suchen sollten, klar. Und ich als
       Programmmacherin suche natürlich interessante Künstler. Die
       Grenzüberschreitung ist eine Möglichkeit, aber es ist natürlich nicht die
       einzige. Es ist eine interessante Frage, warum das tägliche Nacktfoto in
       der Bild noch nie einen Skandal erregt hat, während es schon seit zig
       Jahren einen Skandal erregt, wenn auf der Bühne jemand nackt ist.
       
       Was bringt Nacktheit auf der Bühne? 
       
       Nacktheit auf der Bühne ist eine Möglichkeit, den Körper anders anzukucken,
       jenseits von Verkleidung einfach den Mensch oder die Figur in ihrem
       So-Sein. Das ist ein künstlerisches Mittel, das schon seit den alten
       Griechen in der bildenden Kunst eingesetzt wird, aber auf der Theaterbühne
       ist das immer noch ein umstrittenes Mittel. Das nackte Cover-Girl in der
       Bild ist dagegen vollkommen in Ordnung.
       
       Sie sind schon lange im Geschäft. Haben sich die Grenzen der Kunstfreiheit
       über die Jahre verschoben? 
       
       Es gibt keine Tendenz, dass die Kunst in den letzten 20 Jahren radikaler
       geworden ist. Aber durch die Liberalisierung der Gesellschaft in den
       letzten 50 Jahren ist die Zahl der Skandale gesunken. Also zum Beispiel
       christlich-religiöse Gefühle kann man in Deutschland nur noch schwer
       verletzen.
       
       3 Mar 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus Irler
       
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