# taz.de -- Olympia-Star Pistorius vor Gericht: Hilferufe in der Todesnacht
       
       > Für Oscar Pistorius ist der Tod von Reeva Steenkampf ein Unfall. Eine
       > Zeugin berichtet zum Auftakt des Mordprozesses von Schreien aus dem Haus
       > des Sportlers.
       
 (IMG) Bild: Oscar Pistorius lies eine Erklärung verlesen – und schwieg ansonsten.
       
       PRETORIA ap | Emotionaler Auftakt des mit Spannung erwarteten Mordprozesses
       gegen den südafrikanischen Sprinterstar Oscar Pistorius: Die erste Zeugin
       der Anklage berichtete am Montag von markerschütternden Schreien aus dem
       Haus des beinamputierten Sportlers, bevor die tödlichen Schüsse auf dessen
       Freundin Reeva Steenkampf fielen. Pistorius bezeichnete sich zuvor als
       nicht schuldig und ließ von einem Anwalt eine Erklärung verlesen, in der
       die durch eine Badezimmertür abgegebenen vier Schüsse auf Steenkamp als
       Unfall bezeichnet wurden.
       
       Der tödliche Zwischenfall hatte sich am 14. Februar vergangenen Jahres im
       Haus des 27-jährigen Sportlers ereignet, der als „schnellster Mann ohne
       Beine“ als erster behinderter Sportler sowohl an den Paralympics als auch
       an den Olympischen Spielen – 2012 in London – teilgenommen hatte. Bei einer
       Verurteilung wegen Mordes droht ihm eine Höchststrafe von 25 Jahren
       Gefängnis. Der aufsehenerregende Prozess in Pretoria wird im Fernsehen
       übertragen und begann wegen eines Dolmetscherproblems mit 90 Minuten
       Verspätung.
       
       Michell Burger, eine direkte Nachbarin von Pistorius, sagte aus, ihr Mann
       und sie hätten in den Morgenstunden des 14. Februars 2013 furchtbare
       Schreie aus dem Anwesen des Sportlers gehört. „Es war sehr traumatisch“,
       sagte Burger auf Fragen des leitenden Staatsanwalts Gerrie Nel. „Man konnte
       hören, dass es markerschütternde Schreie waren. Man kann das nicht in Worte
       fassen. Die Angst in ihrer Stimme, die Furcht. Es ließ einen erstarren.“
       Reeve, die 29 Jahre alt war, habe „furchtbar geschrien und um Hilfe
       gerufen“. Nach den Schüssen habe auch eine Männerstimme um Hilfe gerufen.
       
       Pistorius sagt, er habe seine Freundin versehentlich erschossen: Er habe
       sie mit einem gefährlichen Eindringling verwechselt. Zu Beginn des
       Prozesses bezeichnete er sich vor Richterin Thokozile Masipa als nicht
       schuldig im Sinne der Mordanklage sowie drei weiterer Vorwürfe des
       Verstoßes gegen Waffengesetze. Er blieb anschließend eine halbe Stunde
       stehen, bis einer seiner Anwälte, Barry Roux, die Richterin um Erlaubnis
       für ihn bat, sich setzen zu dürfen.
       
       ## Mutter des Opfers im Gerichtssaal
       
       Roux fragte Burger im Kreuzverhör, ob sie Pistorius für einen Lügner halte.
       Die Zeugin beantwortete die Frage nicht mit einem klaren Ja oder Nein,
       sondern wiederholte ihre Erinnerungen an jene Nacht. „Ich kann dem Gericht
       nur sagen, was ich an jenem Abend gehört habe“, sagte sie. „Ich kann nicht
       verstehen, dass ich eindeutig eine Frau schreien hören konnte, Herr
       Pistorius das aber nicht hören konnte.“
       
       Pistorius musste beim Betreten des Gerichtssaals an der Mutter des Opfers,
       June Steenkamp, vorbeigehen. Die 67-Jährige hatte vor Prozessbeginn in
       einem Zeitungsinterview gesagt, sie wolle Pistorius im Gericht „in die
       Augen sehen“.
       
       Pisstorius' Verteidiger Kenny Oldwadge verlas eine Erklärung des Sportlers,
       in der dessen Verteidigungsstrategie dargelegt wurde. Die Schüsse durch die
       Badezimmertür wurden darin als Unfall bezeichnet und der Anklage
       Ungereimtheiten vorgehalten. Zudem habe diese unzulässige Aussagen über den
       Charakter ihres Mandanten gemacht, um ihn zu diskreditieren.
       
       ## „Zustand der Angst“
       
       In der Erklärung sagt Pistorius aus, er habe in der Mordnacht zwei
       Ventilatoren in das Haus geholt, nachdem er mit Steenkamp gesprochen habe,
       die mit ihm im Bett gewesen sei. Steenkamp müsse ins Bad gegangen sein,
       während er die Ventilatoren geholt habe. Er habe nicht gewusst, dass sie
       nicht mehr im Bett gewesen sei, als er gehört habe, dass das
       Badezimmerfenster geöffnet worden sei.
       
       „Ich bin zum Badezimmer gegangen, bewaffnet mit meiner Schusswaffe, um
       Reeva und mich zu verteidigen“, sagte Pistorius in der Erklärung. Er habe
       von dort Geräusche gehört und sei in einem „Zustand der Angst“ gewesen,
       weil er seine Beinprothesen nicht getragen habe. „Der Staat (die Anklage)
       hat eine Strategie unbegründeter Behauptungen eingeschlagen“, erklärte er
       zu der Aussage eines Nachbarn, der einen Streit vor den Schüssen gehört
       haben wolle. Andere Nachbarn in der Nähe hätten erklärt, nichts gehört zu
       haben. Auch Beweismaterial der Polizei wies er als „falsch in wesentlichen
       Aspekten“ zurück.
       
       Steenkamp war ein glamouröses Modell und ein Reality-TV-Star. Ihr Tod in
       Pistorius' Haus hat Medien weltweit mobilisiert. Vor Pistorius' Ankunft im
       Gericht schwebten Drohnen mit Kameras über dem Eingang, mehrere
       Fernsehsender ließen Übertragungswagen vor dem Gebäude auffahren. Ein
       Kabelkanal berichtet in Südafrika seit Sonntag rund um die Uhr über den
       Prozess.
       
       3 Mar 2014
       
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