# taz.de -- Nationaldichter der Ukraine: Sein Lebensthema war sein Land
       
       > Auf dem Maidan in Kiew steht nun ein Denkmal für Taras Schewtschenko.
       > Sein berühmtestes Gedicht ist eine Kampfansage an Moskau.
       
 (IMG) Bild: Auch in Donezk thront er zentral: Taras Schewtschenko.
       
       BERLIN taz | Die Feierlichkeiten zum 200. Geburtstag des Nationaldichters
       Taras Schewtschenko am 9. März waren seit Langem geplant. Ein Staatsakt
       sollte es sein, hoch über dem Dnjepr bei Kaniv, wo der „Sänger der
       Freiheit“ begraben liegt. Der Ort ist Kultstätte aller geschichtsbewussten
       Ukrainer – egal, aus welchem Landesteil sie stammen.
       
       Schewtschenko war ganz anders als Nikolaj Gogol, der andere Ukrainer, der
       stets in Russisch schrieb – und mit seinen derb-komödiantischen Erzählungen
       das Ukrainebild bestimmte. Im Westen weitgehend unbekannt, ist
       Schewtschenko in der Ukraine allgegenwärtig. Jede größere Stadt hat ihr
       Schewtschenko-Denkmal, viele davon stammen aus der Sowjetzeit –
       Schewtschenko war für die Kommunisten ein Vorzeige-Ukrainer.
       
       Geboren wurde der Dichter 1814 als Sohn von Leibeigenen. Seine Eltern
       lehrten ihn Lesen und Schreiben, sein Grundherr fördert das Mal- und
       Zeichentalent des Jungen und gewährt ihm eine Ausbildung in St. Petersburg.
       1840 veröffentlichte Schewtschenko seine ersten Werke – und das auf
       Ukrainisch. Es hagelte Kritik. „Bäuerlich“ sei diese Sprache, ein
       primitiver Dialekt des Russischen.
       
       Schewtschenkos Thema war seine Heimat. Er trat einem Geheimbund bei, der
       sich für die Abschaffung der Leibeigenschaft und für die Gleichberechtigung
       aller slawischen Völker im Zarenreich einsetzte, wurde verhaftet und ans
       Kaspische Meer verbannt. Nach der Entlassung wurde ihm verboten, sich in
       der Ukraine anzusiedeln. Bis zu seinem Tod 1861 lebte er unter
       Polizeiaufsicht in St. Petersburg. An seiner Beerdigung nahmen
       Dostojewskij, Nikolai Nekrassow und Michail Saltykow-Scedrin teil.
       
       ## Feierlichkeiten zum 200. Geburtstag
       
       Zwei Monate später wurde Schewtschenkos Sarg auf Initiative von in St.
       Petersburg lebenden Ukrainern in die Heimat überführt – so wie es sich
       Schewtschenko in seinem berühmtesten Gedicht „Zapovid“ gewünscht hatte. Es
       wurde eine Demonstration des ukrainischen Selbstbehauptungswillens, wie ihn
       das Zarenreich noch nicht erlebt hatte: Zehntausende säumten den Weg nach
       Kaniv.
       
       Von russischer Seite wird Schewtschenko oft übersteigerter Nationalismus
       vorgehalten. Und wahrlich, „Zapovit“ liest sich wie eine Kampfansage an die
       Feinde der Ukraine, die er in Moskau und St. Petersburg wähnte. Auch in der
       Sowjetunion galten Schewtschenkos Nachfahren, die „Kobzari“, als
       ukrainische Nationalisten. In den dreißiger Jahren ließ Stalin Dutzende von
       ihnen ermorden.
       
       Die Zahl der Schewtschenko-Denkmäler wird weiter wachsen. Das Neueste steht
       seit Dienstag auf dem Maidan von Kiew. Dorthin hat der neue Kulturminister
       auch die zentralen Feierlichkeiten zum 200. Geburtstag verlegt – als ersten
       Staatsakt der neuen Ukraine.
       
       6 Mar 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Thomas Gerlach
       
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