# taz.de -- Hinter den Kulissen: Freundschaft mit Putin
       
       > Ungeachtet aller internationalen Kritik haben sich Bremer Lokalmatadore
       > insgeheim immer wieder bemüht, den Kreml-Chef an die Weser zu bekommen.
       
 (IMG) Bild: Statt zur Bremer Eiswette reiste Putin mit seiner Frau Ljudmila lieber nach Tschetschenien, um seine Kämpfer zu unterstützen. Hier im Jahr 2000, unmittelbar nach Amtsantritt
       
       BREMEN taz | „Es wäre eine wunderbare Botschaft für den Export- und
       Logistik-Standort Deutschland, wenn Präsident Wladimir Putin sich als
       Ehrengast für die Teilnahme an der Eiswette und damit als Redner auf
       Deutschland und die Freue Hansestadt Bremen gewinnen ließe.“ Dieses bislang
       unbekannte Schreiben des Bremer Bürgermeisters an den russischen
       Botschafter in Berlin ist neun Jahre alt. Aber es wurde in einer
       politischen Situation abgeschickt, die bemerkenswerte Ähnlichkeiten mit der
       aktuellen aufweist. Es wirft die Frage auf: Sind Bürgermeister klug
       beraten, wenn sie die internationale Kritik an inakzeptablen
       Machtdemonstrationen irgendwelcher Staatsoberhäupter durch lokale Aktionen
       konterkarieren?
       
       Bremens Bürgermeister im Jahr 2005 hieß Henning Scherf. „Die Exklusivität
       dieses Herrenmahls ist vielfach Ausgangspunkt für internationale
       Geschäftsbeziehungen gewesen“, heißt es weiter in seinem
       Einladungsschreiben zur Eiswette, das in einer bisher unveröffentlichten
       Arbeit des Historikers Arndt Frommann über die Geschichte der Eiswette
       nachzulesen ist. Vor der Eiswett-Initiative hatte sich Scherf bereits dafür
       eingesetzt, Putin für eine Teilnahme an der Schaffermahlzeit zu gewinnen.
       Russlands zweiter Tschetschenien-Krieg war damals auf seinem Höhepunkt.
       
       Putin hatte 2003 die Durchführung einer Wahl angeordnet und alle
       Konkurrenten seines Favoriten Achmad Kadyrow zum Verzicht auf eine
       Kandidatur gezwungen. Der Westen war entsetzt, die Organisation für
       Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die aus Sicherheitsgründen
       erst gar keine Beobachter entsandt hatte, bezeichnete die Wahl als Farce.
       Und der Sieger Kadyrow kündigte an, noch härter gegen seine Gegner
       vorzugehen.
       
       Muss man solchen Vorgängen in weit entfernten Weltgegenden Aufmerksamkeit
       schenken, wenn man sich in die Einladungspolitik zur Eiswette einbringt?
       Aus Sicht von Wolfgang Eichwede durchaus. Der Gründer des
       Osteuropa-Instituts der Universität hat Bremen in jahrzehntelanger Arbeit
       zum Zentrum der Samisdat-Forschung gemacht, der Beschäftigung mit den
       illegalen Publikationen der oppositionellen Intellektuellen. Eichwede
       teilte den Veranstaltern des Schaffermahls klipp und klar mit: Wenn Putin
       käme, werde er für den selben Tag einen internationalen Kongress russischer
       Menschenrechtler in Bremen organisieren. Diese Drohung hatte Substanz: Kaum
       irgendwo sonst gibt es derart gute Kontakte zu den Vertretern der
       russischen Zivilgesellschaft wie in Bremen.
       
       Warum machte Scherf trotzdem den Türöffner für die hinter Eiswette und
       Schaffermahl stehenden wirtschaftlichen Interessen? „Ehrengäste [der
       Eiswette] waren bisher auch Bundespräsidenten und Kanzler“, ließ er Putin
       bestellen. 2001 war in der Tat Scherfs Parteifreund Gerhard Schröder zu
       Gast, der Putin 2004 bekanntlich zum „lupenreinen Demokraten“ adelte. Die
       Bremer Variante dieser Anbiederung basiert nicht auf Gasgeschäften, sondern
       wurde „mit Blick auf die Bremer Russlandinteressen (Eurogate,
       Baldin-Sammlung)“ unternommen, wie es in einem internen Vermerk der
       Senatskanzlei heißt. Doch Putin kam nicht.
       
       Erfolgreicher als Scherf war Theaterintendant Hans-Joachim Frey. Der
       schaffte es, Putin zum Opernball nach Dresden zu holen, die Stadt, die
       dieser als örtlicher KGB-Chef schätzen gelernt hatte. Von Bremen aus wollte
       Frey ihn dann zu einem „Welt-Medien-Gipfel“ einladen, auf dem es sicher
       nicht um ermordete Journalisten gegangen wäre. Weser-Kurier und Radio
       Bremen waren auf Chef-Ebene involviert, der Wirtschaftsstaatsrat sowieso –
       Heiner Heseler (SPD) war bereits in Dresden sehr stolz darauf gewesen,
       Putin im Backstage-Bereich der Semperoper die Hand drücken zu dürfen. Freys
       vorzeitiges Vertragsende machte die Pläne zunichte, dafür organisierte er
       2011 für Putin ganz direkt einen pompösen Opernball in St. Petersburg.
       
       Bei Frey mag all das nicht überraschen. Doch gerade Scherf engagierte sich
       stets für die Menschrechte: Noch im Jahr 2000 hatte er der russischen
       Menschenrechtlerin Jelena Bonner den Hannah-Ahrendt-Preis für politisches
       Denken verliehen. Die 77-jährige Witwe des Bürgerrechtlers Andreij Sacharow
       hatte in Bremen in einer Rede mit dem Titel „Lüge und Wahrheit in
       posttotalitären Gesellschaften“ erklärt: „Die größte Lüge ist, dass
       Russland ein demokratischer Staat ist. Wir leben noch heute in einem Staat
       der totalen Lüge.“ Bonner prangerte explizit die Verfassungsverletzungen
       des Präsidenten Putin an, sprach in Bremen über ungesetzliche Verhaftungen
       und die autoritäre Neuordnung des Staatsapparates. Der tschetschenische
       Krieg, erklärte Bonner, sei „die größte Schande Russlands“.
       
       Es ist ein Zufall, aber er macht zeitliche Zusammenhänge deutlich: An dem
       Tag, an dem Scherf seine Eiswett-Einladung an Putin auf den Weg brachte,
       erschien in der Süddeutschen Zeitung die Rezension eines Buches der
       russisch-amerikanischen Reporterin Anna Politkovskaja. In „In Putins
       Russland“ beschreibt sie „die Verfilzung von organisiertem Verbrechen,
       Polizei und Justiz“ und „die Schaffung einer Atmosphäre der Angst, in der
       kritischer Journalismus verkümmert.“ Ein Jahr später wurde sie ermordet.
       
       9 Mar 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Henning Bleyl
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Wladimir Putin
 (DIR) Wladimir Putin
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) ARD-Podcast „Klang der Macht“: Herr Putin und die Semperoper
       
       Ein Podcast folgt den Spuren russischer Einflussnahme auf den deutschen
       Kulturbetrieb. Ein wichtiger Beitrag zur Aufarbeitung der
       deutsch-russischen Abhängigkeit.
       
 (DIR) Politische Skulpturen vom 3D-Drucker: Put in my ass
       
       Ein US-Künstler verleiht politischen Aussagen plastischen Druck und schafft
       kleine Miniatur-Politiker. Seine neueste Kreation: Ein Putin Butt-Plug.