# taz.de -- Robbensterben: Jagd auf die kulleräugigen Jäger
       
       > An Nord- und Ostsee töten Seehundjäger kranke Tiere im öffentlichen
       > Auftrag. Der grüne Umweltminister Habeck hält das für richtig,
       > Tierschützer nicht.
       
 (IMG) Bild: Trotz Schonzeit unter Beschuss: Nach Augenschein beurteilen Seehundjäger, ob Robben zu krank sind oder noch eine Chance bekommen.
       
       HAMBURG taz | Die Türen der Transportboxen klappen auf, runde Köpfe tauchen
       auf. Eilig robben die jungen Seehunde auf Bauch und Flossen über den
       Strand. Am Meersaum halten sie einen Moment inne, gleiten ins Wasser und
       schwimmen davon. Rund 155 Heuler päppelte die Seehundstation im
       schleswig-holsteinischen Friedrichskoog im vergangenen Jahr auf und entließ
       sie in die Freiheit. Fast ebenso viele Seehunde, etwa 130, starben allein
       im Januar auf Sylt – getötet von Seehundjägern.
       
       Rund 40 Ehrenamtliche leisten allein in Schleswig-Holstein Dienst. Sie
       werden gerufen, wenn irgendwo kranke oder verwaiste Tiere gefunden werden.
       Sie entscheiden nach Augenschein über die Chancen, die die Seehunde haben.
       Das System funktioniere gut, meint das zuständige Umweltministerium.
       Tierschutzverbände und Initiativen laufen dagegen Sturm und fordern ein
       Jagdverbot für Seehunde.
       
       „Es kann nicht sein, dass Jäger über Leben und Tod entscheiden“, sagt
       Janine Bahr. Die Tierärztin betreibt auf Föhr eine Robbenstation, in der
       sie die Tiere aber offiziell nur erstversorgen darf. Sie hat Zeugenaussagen
       zur Lage auf Sylt gesammelt und erklärt: „Es wurden Tiere getötet, die
       nicht sterbenskrank waren.“ Eine fachgerechte Diagnose finde nicht statt,
       sagte ihr Mitstreiter, der Tierarzt Jörg Zinke aus Bremerhaven, bei einer
       Pressekonferenz in Kiel. Auch die Tierschutz-Organisation Peta teilt mit:
       „Dass Jäger in der Lage sind, Krankheiten zu diagnostizieren, indem sie um
       das Tier herumlaufen, grenzt an Esoterik.“
       
       Umweltminister Robert Habeck (Grüne) steht zum Konzept der Seehundjäger.
       Die Argumente der Tierschützer sind in seinen Augen „häufig hoch emotional,
       unsachlich und mit ungerechtfertigter Polemik verbunden“. Dass nicht alle
       Jungtiere überleben, hält Habeck für ganz normal: „So ist das in der
       Natur.“ Auch Marcus Börner vom Landesjagdverband Schleswig-Holstein
       widerspricht der Kritik: Die Seehundjäger würden regelmäßig geschult und
       töteten nur, um den Tieren Leid zu ersparen.
       
       Gejagt im eigentlichen Sinn werden die Tiere nicht, da für sie eine
       ganzjährige Schonzeit gilt. Dennoch sind die Seehundjäger als Jagdaufseher
       vom Land eingesetzt und nur sie haben das Recht, Tiere wegzubringen oder
       eben zu töten. Ursula Siebert von der Tierärztlichen Hochschule Hannover
       sagt, die Entscheidung läge bei den Jägern in guten Händen. Auf ihrem
       Seziertisch landen die toten Robben aus Schleswig-Holstein. Jedes fünfte
       Tier wird hier genauer untersucht. „Ich bin immer wieder beeindruckt, wie
       gut Jäger die klinische Einschätzung machen“, so die Professorin in der
       Sylter Rundschau.
       
       Derzeit macht der Lungenwurm den Seehunden zu schaffen. Der Parasit
       schwächt sie so, dass sie sich nicht mehr versorgen können. „Die Sektionen
       zeigen, dass alle Seehunde, die von Seehundjägern getötet wurden, nicht
       heilbare Schädigungen häufig in Folge von Lungenwurmbefall hatten“, erklärt
       Hendrick Brunckhorst vom Nationalpark Wattenmeer. Die Krankheit sei
       behandelbar, sagen dagegen Janine Bahr und ihre Kollegen. Sie müsse auch
       behandelt werden, was bedeute: Jedes kranke Tier, das gefunden werde, müsse
       in eine Auffangstation. Erst dort könnten Tierärzte entscheiden, ob ein
       Seehund gerettet oder eingeschläfert werde.
       
       Nicht einzugreifen und der Natur freien Lauf zu lassen, sei keine
       Alternative, ist Bahr überzeugt: „Von Natur kann keine Rede sein, so wie
       der Mensch in das Wattenmeer eingegriffen hat.“ Zudem würden sich Touristen
       beschweren, wenn Seehunde am Strand sterben.
       
       Bahr vermutet, dass das Land Änderungen an der bisherigen Praxis ablehne,
       um Geld zu sparen. Auf die Frage, wie sich die von ihr gewünschten kleinen
       Seehundstationen finanzieren ließen, hat sie keine Antwort.
       
       23 Mar 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Esther Geisslinger
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Nordsee
 (DIR) Morrissey
       
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