# taz.de -- Justizministerium lässt 2.000 Examen prüfen.: Pauken mit Erfolgsgarantie
       
       > Ein Referatsleiter von Niedersachsens Landesjustizprüfungsamt soll
       > Studierenden Jura-Examensklausuren samt Lösungen verkauft haben. .
       
 (IMG) Bild: Sind die Magisterhüte rechtmäßig in die Luft geflogen?
       
       HANNOVER taz | Wenn an diesem Donnerstag Niedersachsens rund 700
       Jura-Referendare ihr zweites Staatsexamen schreiben, werden sie komplett
       neu formulierte Prüfungsfragen beantworten. Im Landesjustizprüfungsamt
       (LJPA) Celle hat man eilig die längst vorbereiteten Klausuren noch einmal
       überarbeitet – weil ein Mitarbeiter im Verdacht steht, Examensfragen samt
       Lösungen an Prüflinge verkauft zu haben.
       
       Anfang der Woche wurde der Mann, den die Staatsanwaltschaft Verden im Zuge
       ihrer Korruptionsermittlungen mit internationalem Haftbefehl suchen ließ,
       auf der Flucht in Italien verhaftet. Mitten in der Nacht in einem
       Vier-Sterne-Hotel in Mailand, in Begleitung einer 26-jährigen Rumänin. Bei
       sich hatte der 48-Jährige 30.000 Euro in bar und eine geladene Pistole. Als
       am Dienstag erstmals Medien über die „Szene wie im Mafia-Film“ berichteten,
       wie es die Bild formulierte, glaubten im Justizministerium in Hannover
       viele noch an einen Aprilscherz. Tags darauf aber trat Niedersachsens
       Justizstaatssekretär Wolfgang Scheibel vor die Presse, um Details bekannt
       zu geben.
       
       Und die Vorwürfe wiegen schwer: Gezielt soll der Richter Jörg L., der 2011
       als Referatsleiter ins LJPA abgeordnet wurde, den Kontakt zu angehenden
       Juristen gesucht haben, die vor dem zweiten Staatsexamen standen. Als Teil
       der „Führungscrew“ des Amtes, das als Behörde des Justizministeriums die
       Juristenausbildung in Niedersachsen koordiniert, habe er Zugang zu den
       Prüfungsaufgaben gehabt – und den Personendaten der Prüflinge, berichtete
       Scheibel.
       
       Ganze Klausuren mit Lösungsskizzen soll L. bevorzugt jenen angeboten haben,
       die im ersten Anlauf durchs Examen gefallen waren. Das sind in
       Niedersachsen immerhin rund zehn Prozent der im Schnitt gut 700 Prüflinge
       eines Jahrganges. Welche Summen flossen, lässt sich laut
       Justizstaatssekretär Scheibel derzeit nicht beziffern. „Es geht nicht um
       Kleingeld“, sagte er und sprach von „Tausenden“.
       
       Ein erster vager Verdacht, dass im LJPA etwa faul sein könnte, kam Scheibel
       zufolge im Januar auf. Da hatte sich eine Referendarin beim Ministerium
       gemeldet und berichtet, ihr seien in einem Repetitorium Klausurfragen und
       die Lösungen angeboten worden. Das Ministerium schaltete die
       Staatsanwaltschaft ein. Und deren Ermittlungen ergaben schnell, dass Jörg
       L. offenbar mit einem Repetitor zusammenarbeitete, einem Privatdozenten,
       der mit Studierenden den Prüfungsstoff wiederholt.
       
       Schon 2013 hatte die Staatsanwaltschaft wegen Unstimmigkeiten bei den
       Jura-Prüfungen ermittelt. Damals war dem Justizministerium ein Referendar
       aufgefallen, der das Staatsexamen im zweiten Versuch mit einem derart guten
       Ergebnis schaffte, „dass es nicht mehr plausibel war“, wie Scheibel am
       Mittwoch erklärte. Die Ermittlungen brachten damals allerdings kein
       Ergebnis. Auf Jörg L. wurde Scheibel zufolge erst jetzt nach den Hinweisen
       der Referendarin aufmerksam. Mittlerweile ermittelt die Staatsanwaltschaft
       gegen L., den Repetitor und mehrere Referendare. Neue Hinweise kämen
       laufend dazu, täglich meldeten sich weitere Juristen, denen Prüfungsfragen
       angeboten wurden, sagte Scheibel.
       
       Das Ministerium selbst lässt nun alle rund 2.000 Examen prüfen, die seit
       der Abordnung von L. ins LJPA 2011 geschrieben wurden. Zwölf Sonderprüfer
       schauen die Klausuren ab sofort nach Unstimmigkeiten wie unerklärlichen
       Notensprüngen im Vergleich zu vorherigen Prüfungsleistungen oder auffallend
       ähnlichen Formulierungen wie in den Lösungsskizzen durch.
       
       Wann Jörg L. aus Italien ausgeliefert wird, ist unterdessen noch offen. Das
       Justizministerium hat bereits „alle Konsequenzen gezogen“, wie es
       Staatssekretär Scheibel formuliert. L. wurde vorläufig aus dem Amt
       enthoben, seine Bezüge wurden um die Hälfte gekürzt. Im LJPA hat er
       Hausverbot.
       
       3 Apr 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Teresa Havlicek
       
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