# taz.de -- Kolumne Darum: Ein klares Ja zur Unterdrückung
       
       > Warum Streiche, die vor 35 Jahren funktionierten, heute nicht mehr gehen
       > – und was das mit Technologie und Einsamkeit zu tun hat.
       
 (IMG) Bild: Rufnummer bitte unterdrücken.
       
       Zwei Jobs, zwei Kinder – mich umweht seit Jahren ein Odem aus Zeitmangel
       und Stress. Dazu das Alter und ein gesteigertes Bedürfnis nach Ruhe. Schon
       lange traut mir niemand mehr zu, dass ich frech bin, Leute ärgere, Streiche
       mache.
       
       Ist in Ordnung so. Für meine Kinder nicht. Sie wollen wissen, ob das schon
       immer so war. Sie wollen aus mir, dem größten Langweiler der Menschheit,
       ein rebellisches Idol machen. Sie zwingen mich, aus der eigenen Kindheit
       und Jugend zu erzählen. „Erzähl bitte die Streiche, ganz genau!“
       
       Und so erzähle ich von Stinkbomben im Schulflur, von Klingelstreichen bei
       Nachbarn, von Telefonstreichen bei Unbekannten, von Tintenschlachten usw.
       Die politischen Streiche aus der Zeit als junger Erwachsener, die sich
       gegen Nazis, Burschenschaftler und andere völkische Trottel richteten,
       lasse ich weg. Man müsste zu viel erklären. Trotzdem ist da ein „Ah!“ und
       „Oh!“
       
       Kichernd verlassen die Kinder den Esstisch, ängstlich verlasse ich ihn.
       Wird am nächsten Tag Zahnpasta unter der Türklinke kleben? Eine Stinkbombe
       unterm PC hervormüffeln? Wird ein Kind nachts meine aus dem Bett hängende
       Hand in einen Eimer Wasser halten, bis ich ins Bett pullere?
       
       ## „Wir haben da wohl was Blödes gemacht ...“
       
       Wochen vergehen, nichts passiert. Habe ich die Kinder mit meinem
       Langweilervirus infiziert? Von wegen. In den Osterferien hat die Tochter
       viel Zeit. Eine Freundin ist zu Besuch. Beide verschwinden in ihrem Zimmer,
       das Telefon auch. Es wird viel telefoniert, das ist normal. Dann aber
       stehen plötzlich zwei bleiche Kinder vor mir und überreichen mir den Hörer
       mit dem Satz: „Wir haben da wohl was Blödes gemacht ...“.
       
       Ein Mann ist dran. Er ist so wütend, dass ich erst gar nicht verstehe, was
       er will; Abschleppdienst, Notfallnummer, Telefonstreich. Ein Telefonstreich
       also, bei einer Abschleppfirma, die für Kunden eine Notfallnummer
       bereitstellt. Aber wieso hat er unsere Nummer? Vor 35 Jahren gab es keine
       Rufnummerunterdrückung, die man hätte aktivieren können. Heute schon, aber
       daran haben die Mädchen nicht gedacht. Am Telefon wird mit der Polizei
       gedroht, eine Entschuldigung fällt, alles geht gut aus.
       
       Rufnummerunterdrückung. Wer denkt schon an sowas, wenn von früher erzählt
       wird? Was bedeutet das für andere Streiche? Sind Klingelstreiche beim
       Nachbarn wegen Videoüberwachung noch möglich? Ich google nach
       [1][de:official&client=firefox-a&gfe_rd=cr&ei=A0tfU9jZIISIOpj3gIgH&sesinv=1
       :„Stinkbombenwarnmelder“] sowie
       [2][de:official&client=firefox-a&gfe_rd=cr&ei=A0tfU9jZIISIOpj3gIgH&sesinv=1
       :„digitales Tintenabwehrschild“] und bin erleichtert, dass heute nicht
       jeder Unsinn technologisch unmöglich gemacht wird.
       
       Wieder klingelt das Telefon. Eine ältere Frau ist dran, unsere
       Telefonnummer sei auf ihrem Display gewesen. Ich murmele „wohl verwählt“,
       entschuldige mich, doch die Frau lässt nicht locker. Reichen
       Entschuldigungen nicht aus? Doch. Die Frau will nur reden, sie ist
       freundlich, wir tauschen uns aus. Wieder klingelt das Telefon, ein Rentner.
       Auch hier: Entschuldigung, große Freundlichkeit, Geplauder.
       
       Mir wird klar: Das sind Menschen, bei denen schon lange niemand mehr
       angerufen hat, die sich an eine nicht unterdrückte Rufnummer klammern, um
       reden zu können - mit Unbekannten über einen fehlgeleiteten Anruf. Was für
       eine Zeit, in der noch die schlichtesten Streiche von gesellschaftlichen
       Problemen erzählen.
       
       29 Apr 2014
       
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