# taz.de -- ESC-Kolumne #Queerjungfrauen III: Kein bisschen Frieden
       
       > Die ESC-Macher sind über die Lage in der Ukraine zwar besorgt, geben sich
       > aber bemüht unpolitisch. Der Konflikt ist in Kopenhagen dennoch präsent.
       
 (IMG) Bild: „Ich singe nicht allein auf der Bühne – hinter mir stehen 46 Millionen Menschen aus der Ukraine“, sagte die ukrainische Sängerin Marija Jaremtschuk.
       
       Die Landkarte der Eurovision ist viel größer als selbst jene, aus der sich
       der Europarat rekrutiert. Die Eurovision Broadcasting Union (EBU), die den
       ESC verantwortet, ist ein technisches Schaltwerk, das selbst die
       staatlichen oder öffentlich-rechtlichen Sender Nordafrikas oder des Nahen
       Ostens umfasst: Deshalb darf Israel teilnehmen, und weil es das tut, hat
       Marokko etwa nur einmal an einem ESC teilgenommen – und das war 1980, als
       Israel verzichtete.
       
       Mit anderen Worten: Hier in Kopenhagen haben Menschen miteinander zu tun,
       die oft kaum mehr als die gemeinsame TV-Show über die Bühne bringen.
       Politisches soll außen vor bleiben – die EBU in Genf versteht sich als
       weltanscnaulich neutral. Schwierig wird es nur, wenn politische Konflikte
       direkt in der ESC-Arena liegen.
       
       Vor drei Jahren war es höchst problematische Menschenrechts- und
       Demokratielage in Aserbaidschan, die viele, vor allem westeuropäische
       Länder, daran zweifeln ließ, ob der ESC in einem Land Station machen darf –
       2011 hatte in Düsseldorf der Act aus Baku gewonnen, das führte für den
       aserbaidschanischen Sender Ictimai zur Pflicht, das teure Projekt
       auszurichten –, das gewöhnlichen rechtsstaatlich-demokratischen Praxen eher
       widerspenstig oder gar nicht folgt.
       
       Damals verwies die Management des ESC auf seine Charta (und die
       Vertragsbedingungen für alle Gastgeberländer), dass der Contest und alle
       Orte, die er in einer Gastgeberstadt offiziell berührt (Euroclub, die
       Hotels mit den Delegationen, die Transportwege) quasi diplomatischen Schutz
       genießen.
       
       ## Politisch neutral
       
       Eine windelweiche Erklärung: Aber die ESC-Macher und ihr Supervisor Sietse
       Bakker sagen, dass der ESC nur von allen akzeptiert werde, wenn er
       politisch neutral bleibt und keine Ausnahme macht. Ein österreichischer
       Aktivist, Mario Lackner, fragte nun Sietse Bakker via Facebook, ob die EBU
       beim Grand Final am Samstag eine Friedensgeste formulieren werde – gerade
       im Hinblick auf die Kriegshandlungen an der ukrainisch-russischen Grenze.
       
       Bakker antwortete umgehend: „Natürlich sind wir besorgt der politischen
       Lage wegen. Aber wir benutzen den ESC nicht als ein Werkzeug politischer
       Einfluss- oder Parteinahme.“ Am besten sei, dass alle aus Europa teilnehmen
       – zumal dieses Jahr das Motto „#JoinUs“ laute. Das sei Message genug.
       
       Davon abgesehen, dass einige Länder aus finanziellen Gründen oder
       kulturell-politischen Gründen fehlen (Bosnien, Serbien, Kroatien, Bulgarien
       oder die Türkei), wünschte sich der Österreicher wenigstens eine Botschaft,
       die das Gute in allgemeiner Hinsicht zum Ausdruck bringe: „In Jerusalem
       haben 1999 alle Teilnehmer am Ende in das Siegerlied 'Hallelujah' auf der
       Bühne eingestimmt – könnte man am Samstag beim Finale nicht alle 'Ein
       bisschen Frieden' gemeinsam singen lassen?“
       
       Sietse Bakker, dessen feinste Jobbeschreibung der eines Diplomaten
       vielleicht am nächsten kommt, antwortete: „Wir werden 'Rainmaker' von allen
       Teilnehmern singen lassen.“ Das ist ein neues Lied der Vorjahressiegerin
       Emmelie de Forest, das zum Auftakt des Finales zum Einzug der Nationen
       gebracht wird. Das ist natürlich eine kalte, herzlose Abfuhr für das
       sentimentale Begehren, aus dem ESC eine Art Live-Aid-Concert zu machen.
       
       ## Auf politische Pädagogik verzichtet
       
       Und eventuell ist die Art der EBU, auf politische Pädagogik unbedingt
       verzichten zu wollen, die Voraussetzung, dass wirklich alle noch
       teilnehmen. Etwa auch Russland, dessen politische Eliten ja das Europa der
       EU als „Gayropa“ diffamieren. Dienstag tritt das territorial größte Land
       des ESC im ersten Semifinale an; es muss überhaupt erst gelingen, das
       Finale zu erreichen.
       
       Die, aus russischer Sicht, Abtrünnigen aus der Ukraine (und ihre Sängerin
       Marija Jaremtschuk) sind im gleichen Semifinale. Die EBU sah keinen Grund,
       beide Länder in verschiedene Vorrunden zu setzen. Also werden sie sich
       aushalten müssen. Die 21-jährige Jaremtschuk sagte gestern im Gespräch:
       „Ich singe nicht allein auf der Bühne – hinter mir stehen 46 Millionen
       Menschen aus der Ukraine.“ Russland erwähnte sie mit keinem Wort.
       
       4 May 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Feddersen
       
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