# taz.de -- Spionageskandal in Dänemark: Spähen für den Boulevard
       
       > Ein dänisches Klatschmagazin hatte jahrelang Einblick in die
       > Kreditkartendaten von Promis. Damit konnte es genau nachverfolgen, wer wo
       > war – und mit wem.
       
 (IMG) Bild: Auch vor Königin Magrethe II. wurde nicht Halt gemacht.
       
       STOCKHOLM taz | „In mehrfacher Hinsicht schwerwiegender als der News of the
       World-Skandal“, beurteilt Vibeke Borborg, Expertin für Medienrecht an der
       Universität Kopenhagen, die Enthüllungen der Ausspäh-Aktionen eines
       dänischen Klatschmagazins. Im Unterschied zu dem 2011 eingestellten
       britischen Blatt, das Tausende von Mobilfunk-Mailboxen Prominenter illegal
       abgehört hatte, verschaffte sich die dänische [1][Se & Hør] („Sehen und
       Hören“) jahrelang systematisch Zugriff auf Kreditkartendaten.
       
       Wozu es umfassenderer krimineller Aktivitäten als „nur“ durch den Einsatz
       von Detektiven oder Hackern wie [2][im Fall der News of the World] bedurft
       habe, meint Borborg. Denn in Dänemark seien Sicherheitssysteme aufgebrochen
       worden, um an Daten zu gelangen, bei denen Bürger sich bislang auf strenge
       Vertraulichkeit hätten verlassen können.
       
       Nach bislang bekannt gewordenen Informationen hatten JournalistInnen von Se
       & Hør zwischen 2008 und mindestens 2012 Zugriff auf einen
       Informationskanal, der ihnen aktuelle Auskünfte über die Nutzung von
       Kreditkarten von Promis, PolitikerInnen bis hin zu einem
       Exministerpräsidenten und Mitgliedern der königlichen Familie lieferte. Und
       aufgrund deren sich die Redaktion immer mal wieder erstaunlich gut
       informiert zeigte. Sei es, wenn ein Parlamentsabgeordneter mit einer neuen
       Geliebten ein Wochenende in Berlin verbrachte. Oder in welchen
       ausländischen Nachtklubs sich Showstars vergnügten und wohin die „geheime“
       Hochzeitsreise von Prinz Joachim oder Prinzessin Marie führte – inklusive
       was diese wo konsumierten.
       
       Gefüttert – und dafür von der Se & Hør-Chefredaktion monatlich entlohnt –
       wurde das Blatt von einem IT-Techniker, der für den skandinavischen
       Bankdienstprovider „Nets“ arbeitete. Laut dieser Firma gibt es zwar
       Sicherheitsvorkehrungen, die das so gut wie unmöglich machen sollen: Aber
       ihm gelang es, die laufenden Kontrollen, mit denen unbefugter Datenzugriff
       aufgedeckt werden soll, jahrelang auszutricksen. Von einem „Superschurken“
       spricht man bei Nets, aber es scheint gar nicht allzu schwierig gewesen zu
       sein: Der Informant war nämlich dazu angeheuert worden, just diese
       fraglichen Sicherheitssysteme zu überwachen, und laut ehemaliger
       Nets-Mitarbeiter sei es durchaus möglich und üblich gewesen, sich über den
       Kreditkartengebrauch von Nachbarn und Promis zu informieren und
       auszutauschen.
       
       ## Razzien und Snowden
       
       Obwohl schon vor einem Jahr mit konkreten Einzelheiten über das Leck
       informiert, konnte man es bei Nets angeblich nicht finden. Enthüllt wurde
       die Geschichte erst in der vergangenen Woche mit der Buchveröffentlichung
       eines ehemaligen Reporters des Magazins. Nach ersten Dementis bequemten
       sich die meisten Beteiligten schnell zu Geständnissen. Die seinerzeit
       zuständigen Chefredakteure wurden von ihren Posten bei zwischenzeitlich
       anderen Medien freigestellt. Suspendiert wurden mehrere JournalistInnen und
       der fragliche IT-Fachmann, von der Bank, für die er zuletzt arbeitete. Im
       Aller-Verlag, der Se & Hør herausgibt, will man angeblich nichts gewusst
       haben. Von mehreren Medien zitierte „Quellen“ behaupten das Gegenteil.
       
       Die Polizei ermittelt, es hat Razzien gegeben. Den Verantwortlichen könnten
       im Falle einer Verurteilung jahrelange Haftstrafen drohen und
       PolitikerInnen aller Parteien zeigen sich empört. Justizministerin Karen
       Hækkerup spricht von einem „Skandal“ und will eine schärfere Gesetzgebung
       nicht ausschließen. Datenexperten sehen das eigentliche Übel in den immer
       weiter perfektionierten Datenspeicher- und Überwachungssystemen, für die
       ebendie Politiker verantwortlich seien, die nun kritisch reagieren. Auch
       Edward Snowden meldete sich am Montag mit einem in Berlingske Tidende
       gedruckten offenen Brief zu Wort und rief die Dänen dazu auf, ihre
       Repräsentanten zu fragen, ob sie „auf der Seite der Bürger oder der Spione“
       stünden.
       
       Mark Ørsten, Medienforscher an der Universität Roskilde, kann den
       Enthüllungen jedenfalls eine positiven Aspekt abgewinnen: die eindeutige
       Verurteilung von Se & Hør durch andere Medien zeige, dass Medienethik,
       Kritik und Selbstkritik innerhalb der Branche besser funktionierten als
       befürchtet: Noch vor fünf Jahren sei es selbst angesichts äußerst
       kritikwürdiger Praktiken fast ausgeschlossen gewesen, dass man sich
       „gegenseitig wehgetan hätte“.
       
       6 May 2014
       
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