# taz.de -- Russlanddeutsche hoffen auf Frieden: „Wie ein Ochse mit Brett vor den Augen“
       
       > Im Heimatverein der Deutschen aus Russland in Molbergen wird es manchmal
       > laut: Russland sei unberechenbar, heißt es dann, die ukrainische
       > Regierung rassistisch, die deutsche Berichterstattung anti-russisch.
       
 (IMG) Bild: Verfolgen die Berichterstattung lieber in russischen Medien: Nadja Kurz (r.) und Swetlana Schmidt (Mitte) vom Heimatverein der Deutschen aus Russland in Molbergen
       
       MOLBERGEN taz | Swetlana Schmidt ist verärgert. Sie ballt die Hände und
       lässt sie dann auf ihren Schreibtisch fallen, spricht laut. Wohl lauter als
       gewöhnlich. Denn die anderen Leute in dem Zimmer, das an einen Warteraum
       beim Amt erinnert, schauen zu ihr rüber.
       
       Es sind die Räume des Heimatvereins der Deutschen aus Russland in Molbergen
       bei Cloppenburg. Schmidt kommt aus Omsk in Sibirien. Dort hat die Russin
       einen Deutschstämmigen geheiratet. Seit 21 Jahren lebt sie in Deutschland
       und arbeitet mittlerweile an vier Vormittagen in der Woche bei dem
       Heimatverein als Beraterin.
       
       „Eigentlich darf ich gar nichts sagen zum Ukraine-Konflikt, sonst schmeißen
       die mich wieder aus Deutschland heraus“, sagt sie. Aber dann spricht sie
       doch: „Die Merkel werde ich nie wieder wählen.“ Die gebürtige Russin ist
       böse auf die Bundeskanzlerin und sagt, dass viele andere Russen auch böse
       sind, „weil Merkel zusammen mit den USA gegen Russland ist“.
       
       Deutschland und Russland hätten so viel miteinander erlebt. Was den Westen
       angeht, hat Schmidt deshalb einen Vergleich parat: Die Politiker würden
       sich benehmen wie ein Ochse, der ein Brett vor den Augen hat. „Die kucken
       nicht rechts und nicht links“, sagt sie.
       
       Dabei wünscht sie sich, dass der Konflikt friedlich beigelegt wird. „Man
       darf nicht mit der Waffe regieren“, sagt Schmidt auch im Hinblick auf die
       ukrainische Regierung. Deshalb betet sie jeden Tag für die Menschen dort.
       „Jeden Morgen schalte ich als erstes den Fernseher an und schaue, was in
       der vergangenen Nacht passiert ist“, erzählt sie.
       
       Auch Nadja Kurz hofft auf eine friedliche Lösung des Konflikts. Sie ist die
       ehrenamtliche Geschäftsführerin des Heimatvereins und arbeitet dort
       hauptamtlich als Beraterin. Wer Schwierigkeiten bei Behördengängen hat, bei
       der Baufinanzierung oder der Anerkennung für die Rentenversicherung, kann
       sich an den Verein wenden.
       
       Sie ist außerdem diplomierte Übersetzerin und hilft vielen Russen, aber
       auch Ukrainern, Esten oder Letten, die nach Deutschland kommen. „Der
       Konflikt ist so schmerzlich, weil die Ukrainer und Russen Brüder sind,
       blutsverwandt“, sagt sie. Den Verein hat sie mitbegründet und hat für ihr
       ehrenamtliches Engagement das Bundesverdienstkreuz erhalten. Kurz hat ein
       ambivalentes Verhältnis zu Russland.
       
       Einerseits denkt sie, dass Wladimir Putin in Bezug auf die Krim richtig
       gehandelt hat. „Die Krim war früher russisch und ist für Russland ein
       strategisch wichtiger Punkt“, sagt sie. In der Ukraine gebe es Gegenden, wo
       die russische Bevölkerung 80 Prozent ausmache, deshalb findet Kurz es
       selbstverständlich, dass der russische Präsident sein Volk schützen muss.
       
       Die Geschäftsführerin weiß aber auch aus eigener Erfahrung, dass Russland
       „unberechenbar ist“: Ihre Eltern kommen aus der Ukraine und gehörten dort
       der deutschen Minderheit an. Die Eltern wurden enteignet und nach
       Nowosibirsk in Sibirien verschleppt, erzählt Kurz. Dort wurde sie auch
       geboren. „Ihnen wurden immer wieder Versprechungen gemacht, dass sie zurück
       können.“
       
       Schließlich kam die Familien nach Kasachstan und dann nach Deutschland.
       „Aber wir wurden nie rehabilitiert.“ Seit 1988 sind alle Verwandten in
       Deutschland. Kurz lebt seitdem in Molbergen und sitzt seit vier
       Wahlperioden für die CDU im Gemeinderat. In Molbergen kommt fast jeder
       zweite Einwohner aus einer Spätaussiedlerfamilie.
       
       Dort kennt Nadja Kurz viele Deutsche und wird häufig auf die Ukraine
       angesprochen. Das störe sie nicht. Wenn sie von den Molbergern angesprochen
       wird, äußerten die sich häufig negativ über Russland. „Wir haben ganz
       unterschiedliche Informationen“, sagt sie. Die Nachrichten von deutschen
       und russischen Sendern seien widersprüchlich. Sie glaubt deshalb auch, dass
       Putin den Bürgerkrieg in der Ukraine nicht unbedingt fördert, aber „dass er
       dort schon das Sagen hat“.
       
       Kurz erhält aber aus der Ukraine zusätzlich Informationen von einem
       befreundeten, ukrainischen Kunstlehrer aus Molbergen, der dort seine
       Doktorarbeit schreibt. Sie hat auch über E-Mail Kontakt zu Ukrainern, die
       der Pfingstler-Gemeinde angehören, so wie sie. „Pfingstler mischen sich
       nicht in den Konflikt ein und lehnen Waffengewalt ab“, erklärt Kurz.
       Deshalb mache sie sich große Sorgen um ihre Mitschwestern und -brüder in
       der Ukraine.
       
       In Vechta sitzt Alexander in einem Eiscafé und raucht. Der 32-Jährige ist
       bereits als Kind nach Deutschland gekommen. „Ich bin schon so lange in
       Deutschland und auch alle meine Verwandten und Freunde leben hier – mich
       betrifft der Konflikt nur aus der Entfernung, so wie andere Deutsche auch“,
       sagt er. Alexander ärgert sich viel mehr darüber, dass er von den Deutschen
       immer noch als Russe angesehen wird.
       
       Vor vier Monaten hat er sich mit einem Gashandel selbstständig gemacht. Bei
       fast jedem Kunden werde er auf den Ukraine-Konflikt und die Gaspreise
       angesprochen. „Ich sage immer, das ist mir egal, denn ich habe die
       Telefonnummer von Putin und rufe ihn dann eben an“, erzählt er mit einem
       Augenzwinkern.
       
       Alexander kennt zwar auch einige Ukrainer, aber mit denen spreche er nicht
       über den Konflikt. „Weil ich weiß, dass das jedem Ukrainer ans Herz geht“,
       sagt er, drückt seine Zigarette aus und will gehen. Doch dann dreht er sich
       noch einmal um und sagt: „Das ist nicht meine Meinung, aber ich weiß, dass
       es Russlanddeutsche gibt, die nicht verstehen, dass die EU diese
       hitlermäßige Regierung der Ukraine unterstützt“, sagt er und verabschiedet
       sich dann wirklich.
       
       Auch Swetlana Schmidt denkt so: „Ich dachte, die Zeit der Faschisten ist
       vorbei“, sagt sie. Denn auch sie hält die neue ukrainische Regierung für
       rechtsgerichtet und rassistisch. „Wenn die Faschisten bleiben, werden die
       Menschen aus der Ukraine fliehen oder werden umgebracht“, sagt sie. Deshalb
       ärgert die Russin sich auch über die anti-russische Berichterstattung der
       deutschen Medien.
       
       Sie informiert sich deshalb im russischen Fernsehen und hat Kontakt zu
       ihrer Schwester, die noch in Omsk lebt. Der Ukraine-Konflikt ist ihrer
       Meinung nach rein politisch und ökonomisch bedingt und werde vom Westen
       ausgenutzt. „Es geht doch nur um Gas“, sagt sie und tut so, als würde sie
       verächtlich auf den Boden spucken.
       
       Russland habe sich in den vergangenen Jahrzehnten geändert. „Als wir vor 21
       Jahren weg sind, gab es nichts“, sagt Schmidt. Vor Kurzem habe sie noch mal
       ihre Heimatstadt besucht. „Die Menschen sind zufriedener, die Wirtschaft
       stabiler“, sagt sie. In den Auslagen der Geschäfte würde es genügend Waren
       geben und viele hätten Arbeit.
       
       Trotzdem müsse Russland erst mal die eigenen Probleme in den Griff
       bekommen. Welche, sagt sie nicht. Putin hält sie deshalb nicht für
       mitschuldig an dem Konflikt. „Um die Schulden der Ukraine zu übernehmen und
       eine Wirtschaft, die am Boden liegt?“, fragt sie. „Putin braucht keinen
       Einfluss auf die Ukraine“, sagt sie. „Was ist die Ukraine? – Nichts!“
       
       11 May 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marie-Chantal Tajdel
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Ukraine
       
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