# taz.de -- Neu-Nationalspieler Skhodran Mustafi: Die Lizenz zur Spieleröffnung
       
       > Der Verteidiger von Sampdoria Genua hat mit 22 Jahren schon viel erlebt.
       > Nun gibt Skhodran Mustafi gegen Polen sein Länderspieldebüt für
       > Deutschland.
       
 (IMG) Bild: Geht dahin, wo's wehtut: Skhodran Mustafi (r.) von Sampdoria Genua
       
       NEAPEL taz | Das Leben wäre nicht das Leben, wenn es immer geradlinig
       verliefe. Diese Erfahrung macht gerade Shkodran Mustafi. Am Donnerstag
       wurde der Deutschalbaner für den erweiterten WM-Kader der deutschen
       Nationalelf nominiert, im Freundschaftsspiel gegen Polen am Dienstagabend
       (20.45 Uhr, ARD) wird er sein Länderspieldebüt geben, was allerdings auch
       dem Fehlen der Dortmunder und Münchner Spieler geschuldet ist.
       
       Kaum steht Mustafi also so richtig im Rampenlicht, da ereilt ihn an seinem
       Arbeitsplatz in der italienischen Serie A der Super-GAU: Zum 2:5 von
       Sampdoria Genua gegen den SSC Neapel steuerte der 22-Jährige ein Eigentor
       bei. Der wegen seiner technischen und ästhetischen Fähigkeiten gerade beim
       Tackling hoch gelobte Innenverteidiger rutschte in eine Flanke und überwand
       den eigenen Schlussmann.
       
       Mustafis Fehlleistung war nur die Krönung eines gebrauchten Tages der
       gesamten Sampdoria. Das Team, das sich schon länger aller Abstiegssorgen
       entledigt hatte, ließ jenen Biss vermissen, den der in der laufenden
       Spielzeit gekommene Trainer Sinisa Mihajlovic erst erfolgreich eingeführt
       hatte. Joachim Löw darf aus Mustafis schwarzem Sonntag die Erkenntnis
       mitnehmen, dass der neu Berufene noch nicht so weit gereift ist, sich
       erfolgreich gegen Abnutzungserscheinungen der eigenen Mannschaft wehren zu
       können. Allerdings hat Mustafi in den vergangenen zwei Jahren derart
       zugelegt, dass ihm auch Qualitätssprünge im mentalen Bereich zuzutrauen
       sind.
       
       Im Winter 2012 kam er als in der Premier League gescheiterter Spieler von
       der B-Mannschaft des FC Everton zum damaligen Zweitligisten Sampdoria
       Genua. Keinen einzigen Euro Ablöse war er damals wert. Am Aufstieg hatte er
       mit nur einem Pflichtspiel überschaubaren Anteil. „Er brauchte dieses halbe
       Jahr Eingewöhnungszeit“, sagt Sampdorias damaliger Sportdirektor Pasquale
       Sensibile, der als Wiederentdecker Mustafis gelten darf. Die
       DFB-Nachwuchstrainer von Rainer Adrion bis zu Horst Hrubesch hatten den
       U17-Europameister von 2009 und ehemaligen Kapitän der
       U21-Nationalmannschaft jedoch nie aus den Augen verloren. Hrubesch schätzt
       vor allem Mustafis „charakterliche Qualitäten“.
       
       In Italiens Männerfußball erhielt der Frühentwickelte aber erst im Winter
       2013 unter dem damals neu verpflichteten Sampdoria-Coach Delio Rossi eine
       echte Chance. Rossi machte ihn vom Außenverteidiger einer Viererkette zum
       Bestandteil einer Dreierkette. „Das war ein guter Wechsel“, sagte Mustafi
       damals, „ich konnte jetzt wieder antizipierend agieren und auch einmal ein
       Risiko eingehen, weil ich noch zwei Mann hinter mir wusste“ Vor allem die
       besseren Möglichkeiten der Spieleröffnung gefielen ihm: „Das war der
       Fußball, den ich in Deutschland gelernt hatte.“
       
       ## Hohe Anpassungsfähigkeit
       
       Den nächsten Leistungssprung vollführte er unter Rossis Nachfolger
       Mihajlovic – und hier als innerer Bestanteil einer Viererkette. „Die
       Dreierkette bei Rossi war ich nicht gewöhnt. Jetzt in der Viererkette fühle
       ich mich aber richtig wohl“, sagte Mustafi nun auf einmal. Wer es schlecht
       meint mit Mustafi, erkennt hier einen ausgeprägten Hang zum Opportunismus.
       Wer es gut meint, wird ihm hingegen hohe Anpassungsfähigkeit zugestehen
       sowie eine von allen Systemfragen nicht erschütterbare Identität. Denn
       wichtig ist ihm bei Mihajlovic wie einst bei Rossi die Lizenz zur
       Spieleröffnung aus der Defensive. Den gepflegten Pass nach vorn beherrscht
       Mustafi genau wie das kontrollierte Dribbling.
       
       Die Gazzetta dello Sport stellte zudem seine Beständigkeit heraus: „Er ist
       keiner, der in einem Spiel die Höchstnote 8 erhält, aber im nächsten auf 5
       absinkt. Er bleibt stabil im 7er Bereich.“ Gut, am Sonntag kam dann doch
       der Ausrutscher zur 5. Aber an einer Lässigkeit, die schnell mal zur
       Fahrlässigkeit werden kann, wird Mustafi jetzt arbeiten. Ein vielleicht
       sogar nützlicher Rückschlag mit Blick auf Brasilien.
       
       13 May 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tom Mustroph
       
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