# taz.de -- Grenzen der Integration: Nicht mal geschenkt
       
       > Seit Ursula Michalski querschnittsgelähmt ist, will die Uni Bremen, für
       > die sie einst arbeitete, sie nicht mehr beschäftigen. Obwohl die Uni das
       > kostenlos tun könnte.
       
 (IMG) Bild: Uni Bremen: Hat nach 20 Jahren keinen Platz mehr für eine verunfallte Mitarbeiterin - nirgends
       
       BREMEN taz | Ursula Michalski würde gerne wieder arbeiten. An der Uni, so
       wie früher. Doch dort ist man an ihrer Arbeit gar nicht mehr interessiert.
       Dabei müsste die Uni Frau Michalski nicht einmal dafür bezahlen. Das
       Problem: Sie ist querschnittsgelähmt.
       
       Alles beginnt mit einem im Grunde eher harmlosen Unfall, am 25. März 2011.
       Michalski, damals im Zentrum für Weiterbildung tätig, bricht sich in der
       Uni den Fuß. „Ich bin auf dem verfluchten Siebziger Jahre-Fußboden
       ausgerutscht.“ Ein Arbeitsunfall. Sie wird operiert, geht mehrmals zur
       Reha. Und doch kann sie immer schlechter laufen. Ende 2011 ist sie für ein
       paar Wochen zur Kur in Bad Oeynhausen. „Vorher“, sagt die heute 60-Jährige,
       „da konnte ich noch laufen. Nachher nicht mehr.“ Ende 2012 schließlich
       rettet ihr eine Not-Operation an der Halswirbelsäule das Leben. Mit ihrem
       Rollstuhl kann sie sich jetzt selbstständig bewegen, weil nur der eine Arm
       gelähmt ist; das Sprechen fällt ihr etwas schwer. „Geistig ist sie voll
       da“, betont ihr Anwalt. Mehrere Ärzte attestieren ihr, dass sie heute
       wieder arbeiten kann, mit Assistenz. Und die wiederum würde das
       Integrationsamt bezahlen.
       
       Doch die Uni schrieb ihr zuletzt: Sie könne Michalskis Arbeitskraft „nicht
       annehmen“, weil ihre genaue Arbeitsfähigkeit nicht zu erkennen sei. Seither
       ist wenig passiert. Mehrere Gespräche zur Wiedereingliederung Michalskis
       werden von der Uni abgesagt, ohne Angabe von Gründen. Und einen neuen
       Termin gibt es nicht.
       
       Ursula Michalski verklagt nun die Uni Bremen, sie „leidensgerecht“ zu
       beschäftigen. Es ist nicht so, dass man sich dort ganz „absolut weigert“,
       sagt Rechtsanwalt Egon Lutomsky. Aber die Uni habe seit über einem Jahr
       „überhaupt nichts unternommen“, um eine Beschäftigung von Michalski auch
       nur vorzubereiten. Vielmehr verstecke sie sich hinter diversen Formalien,
       und immer wieder würden neue Untersuchungen verlangt, auch solche, die gar
       nicht sinnvoll seien, so Lutomsky. „Die Uni will die Sache aussitzen“, sagt
       der Anwalt, solange verzögern, bis Michalski das Rentenalter erreiche oder
       eben nicht mehr arbeiten könne.
       
       „Ich bin total sauer auf die Uni“, sagt sie, sie fühle sich von der Uni
       „ziemlich verarscht“. 20 Jahre habe sie in der Univerwaltung gearbeitet.
       „Dann fall ich auf die Schnauze, weil die ihre Fußböden nicht in Ordnung
       halten – und jetzt lassen sie mich einfach so fallen.“ Der Uni-Sprecher
       will zu diesen Vorwürfen keine Stellung nehmen, wegen des „laufenden
       Verfahrens“, und die Schwerbehindertenvertretung der Uni ist, trotz
       mehrfacher Versuche, für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
       
       „Die Uni nimmt sie nicht einmal mehr geschenkt zurück“, sagt Lutomsky,
       etwas verbittert. Seit 1977 arbeitete sie in Bremens Öffentlichem Dienst,
       stets mit besonderen Förderung – aufgrund einer spastischen Lähmung war
       Michalski schon vor dem Unfall 2011 schwerbehindert. Nur konnte sie bis
       dahin eben noch laufen.
       
       Heute lebt sie vom Arbeitslosengeld und einer kleinen Rente von gut 300
       Euro. Das ist „zu wenig“, sagt Michalski – zu wenig, um die Assistenz zu
       bezahlen, die sie brauche. Zwei Stunden morgens und abends, 15 Minuten in
       der Nacht – wenn sie mehr will: Muss sie das eben selbst bezahlen. Also
       will sie auf jeden Fall wieder arbeiten. Noch lebt sie von der Substanz.
       „Die Uni muss mir nur einen Tätigkeitsbereich geben“, sagt sie – ihre
       Stelle dort wäre, egal wo, drittmittelfinanziert. Sie wolle „nicht nur zu
       Hause sitzen und Geld kassieren“, sagt ihr Anwalt. Er hofft noch auf eine
       einvernehmliche Lösung.
       
       Ursula Michalski kämpft derweil einen „Mehr-Fronten-Krieg“, wie ihr anderer
       Anwalt das nennt. Denn sie klagt nicht nur gegen die Uni, sondern auch
       gegen die Berufsgenossenschaft (BG), in diesem Falle die Unfallkasse der
       Stadt Bremen. Ein Verfahren, das noch Jahre dauern kann. Die BG war einst
       für die Behandlung des Arbeitsunfalles zuständig, alleine. Sie habe, sagt
       Michalski, nicht rechtzeitig erkannt, dass ihr die Querschnittslähmung
       drohe, Und jene ärztlichen Hinweise, die es gab, ignoriert. Nun besteht
       zwischen dem gebrochenen Fuß und der verletzten Halswirbelsäule erstmal
       kein Zusammenhang. Doch gerade deshalb, sagt der Anwalt, hätte auffallen
       müssen, dass Michalksi immer schlechter laufen konnte – obwohl der
       gebrochene Fuß lange ausgeheilt war. Ein Neurologe hat das Problem wohl
       auch erkannt, schon 2011. Nur passiert ist erstmal nichts – bis es dann
       fast zu spät war. „Die Hinweise wurden nicht ernst genommen“, sagt der
       Anwalt. Und schließlich war die BG ja nur für den gebrochenen Fuß
       zuständig. Sie hat die Behandlung mittlerweile eingestellt, die Zahlung von
       Verletztengeld auch.
       
       Ihr Anwalt sagt: Wäre die Wirbelsäulenverletzung rechtzeitig behandelt
       worden, säße Michalski wohl gar nicht im Rollstuhl: „Vieles spricht dafür.“
       
       1 Jun 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Zier
       
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