# taz.de -- Debatte Wahlen in Syrien: Diktator mit Erfolg
       
       > Die Wahl in Syrien war eine Farce, aber sie war intern wichtig. Denn
       > Assad hat gezeigt: Alle haben euch verlassen – nur ich bin noch da.
       
 (IMG) Bild: Ein Wahlkampf-Jeep am 3. Juni in der Nähe von Damaskus
       
       Natürlich war die Präsidentschaftswahl in Syrien eine Farce. Es wurde
       massiv gefälscht; große Teile der Bevölkerung im Land, aber auch Millionen
       von Geflüchteten in den Nachbarländern waren ausgeschlossen, dafür wurden
       Studierende und MitarbeiterInnen in staatlichen Betrieben und Einrichtungen
       zur Abstimmung gezwungen.
       
       Außerdem war es möglich, per WhatsApp am Urnengang teilzunehmen. Einfach
       den Personalausweis fotografieren und ins Wahllokal schicken. Eine
       Kontrolle, ob die im Ausweis genannte Person noch lebt, gab es nicht, von
       Wahlgeheimnis kann keine Rede sein. Obwohl pro forma drei Kandidaten auf
       den Stimmzetteln geführt wurden, stand eine Alternative zum brutalen Regime
       Assads nicht zur Wahl.
       
       Es ist also richtig, das Spektakel als große Propagandashow zu entlarven.
       Aber die Wahrnehmung, damit wäre die Abstimmung irrelevant, ist falsch, ja
       fatal. Die Wahl hat das Assad-Regime intern gestärkt. Denn mehr als drei
       Jahre nach Beginn des Aufstands zeigt es zum einen, über welche
       organisatorischen Möglichkeiten es noch immer beziehungsweise wieder
       verfügt: 9.600 Wahllokale wurden inmitten eines brutal geführten Kriegs
       gegen die Bevölkerung eingerichtet, und selbst der Druck auf mögliche
       Stimmverweigerer funktionierte. Auch der Wahlkampf wurde verhältnismäßig
       professionell geführt.
       
       „Gemeinsam“ war das Motto der Wahlkampagne, das in den vom Regime
       kontrollierten Gebieten landesweit von riesigen Postern und Bildern von
       Baschar al-Assad an fast allen öffentlichen Gebäuden prangte. Ein eigener
       YouTube-Kanal zeigte schnulzige Wahlvideos von blühenden Landschaften, das
       Regime präsentierte auf Instagram Fotoreihen von Kriegsveteranen für den
       Diktator, und mit einer groß angelegten Wahlkampagne auf Facebook wurde die
       Social-Media-Strategie abgerundet.
       
       ## Das Bild vom rationalen Führer verfängt
       
       Dass Dienste wie Facebook kein Problem damit haben, dass ein
       offensichtlicher Kriegsverbrecher wie Assad nicht nur Wahlkampf auf ihren
       Plattformen betreibt, sondern dass sie ihm auch gestatten, massenhaft
       Werbung zu schalten, zeigt, dass auch im Westen das von der
       Propagandamaschine gepflegte Bild des rationalen Führers al-Assad weiterhin
       verfängt.
       
       Zudem verstand das Regime die große Assad-Show geschickt dazu zu nutzen,
       sich als einzige legitime Instanz zu inszenieren, die zumindest irgendeine
       Lösung für den syrischen Konflikt anzubieten hat. Sicherlich glauben an
       diese Propaganda nicht die Massen, wie es das Regime in Damaskus uns gerne
       glauben machen möchte. Doch dass es angesichts der Kriegsverbrechen und des
       brutalen Vorgehens gegen die im Land verbliebene Bevölkerung überhaupt eine
       Resonanz auf das Wahlspektakel gibt, ist nicht zu leugnen.
       
       Der Grund ist die Perspektivlosigkeit: Weder die syrische Exilopposition
       noch die Weltgemeinschaft bietet den SyrerInnen im In- und Ausland eine
       Option zur Überwindung des Krieges, in dem nicht mehr allein Assad-Gegner
       gegen Assad-Anhänger kämpfen, sondern inzwischen radikale Islamisten aus
       aller Welt, von Europa bis Tschetschenien, ihr Auskommen finden.
       
       ## Politischer Prozess ist nötig
       
       Vor allem in den oppositionellen Gebieten, selbst dort wo keine
       Dschihadisten aktiv sind, fehlt es am Nötigsten – internationale Hilfe
       erreicht die Menschen kaum, auch dafür sorgt das Assad-Regime erfolgreich.
       Trotz ungezählter lokaler Bemühungen wird die Lage für die Menschen in
       vielen Teilen des Landes immer hoffnungsloser. Derweil schaut der Westen
       zu, wie in den Nachbarstaaten Millionen von geflüchteten SyrerInnen
       verelenden und die Aufnahmeländer sich destabilisieren.
       
       Während im Libanon bereits laut darüber nachgedacht wird, Flüchtlinge nach
       Syrien zurückzuschicken, scheinen die ohnehin nur zaghaften Bemühungen der
       EU-Staaten ganz eingestellt worden zu sein. Auch die Vereinten Nationen
       haben nach dem Rücktritt ihres Sondergesandten Lakhdar Brahimi offenbar
       vollständig resigniert. Die humanitäre Krise wird dort, wo sie nicht mehr
       zu ignorieren ist, notdürftig verwaltet – einen politischen Prozess für die
       SyrerInnen gibt es nicht mehr.
       
       Diejenigen, die sich noch immer in vielen kleinen Strukturen selbst
       organisieren, um das Überleben und die eigene Zukunft zu sichern, fühlen
       sich zu Recht von der Welt allein gelassen. Nicht anders ergeht es den
       zusammengenommen rund neun Millionen Geflüchteten im In- und Ausland. Erst
       diese komplette Ausweglosigkeit macht verständlich, warum Assads absurdes
       Heilsversprechen bei einigen durchaus verfängt. Obgleich viele Syrer
       gezwungen wurden oder sich aus Angst beteiligten und die Bilder
       größtenteils manipuliert sein dürften: Es gab eine gewisse freiwillige
       Wahlbeteiligung. Das zeigt, wie verzweifelt nach einem Ausweg aus dem sich
       täglich verschärfenden Elend gesucht wird.
       
       ## Verzweifelte Zuwendung
       
       Die Wahlen in Syrien sollten die Weltgemeinschaft aufwachen lassen. Bei den
       Friedensverhandlungen in Genf hat das Regime noch einmal unmissverständlich
       bekräftigt, dass es nicht im Geringsten an einer Transformation oder
       Machtteilung interessiert ist. Eine substanzielle Opposition wird es nicht
       dulden.
       
       Für die Familien und Verwandten der weit über hunderttausend Menschen, die
       in den Gefängnissen sitzen und gefoltert werden, für die Aktiven der
       selbstverwalteten Projekte, für all diejenigen, die mit ihrem Gesicht in
       den letzten Jahren innerhalb Syriens für Freiheit, Demokratie und
       Menschenrechte gekämpft haben, bedeutet dies, dass sie keine andere Wahl
       haben: Entweder sie wehren sich weiter gegen die Assad-Despotie oder sie
       flüchten ins Ausland.
       
       Auf der anderen Seite stehen diejenigen, die sich aufgrund von
       Perspektivlosigkeit, Einschüchterung oder purer Verelendung sich
       paradoxerweise wieder Assad zuwenden. Damit wird sich der Konflikt
       verschärfen und die bewaffneten Auseinandersetzungen zunehmen. Es gibt also
       nur eine Lösung: Die internationale Gemeinschaft nimmt sich endlich der
       Flüchtlingskatastrophe und der Situation in Syrien an und arbeitet auf eine
       politische Lösung hin. Denn eines kann und wird es mit dem Assad-Regime
       nicht geben: Frieden.
       
       6 Jun 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Elias Perabo
       
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