# taz.de -- Sexuelle Gewalt in Polens Kirche: „Das Böse ist in uns selbst“
       
       > Erstmals befasst sich die katholische Kirche Polens mit Kindesmissbrauch
       > in den eigenen Reihen. Die Opfer fordern Entschädigung.
       
 (IMG) Bild: Messe für Missbrauchsopfer in Krakau.
       
       WARSCHAU taz | In der Krakauer Herz-Jesu-Basilika hielten die zahlreichen
       Geistlichen und Gläubigen den Atem an, als Bischof Piotr Libera aus der
       Diözese Plock aus dem Brief eines Mädchens vorlas, das von einem Priester
       missbraucht worden war: „Ohne von mir abzulassen, antwortete er auf meinen
       Widerstand. ’Es geschieht dir nichts Schlimmes, schließlich bin ich
       Priester.‘ Er fummelte an mir herum und machte Fotos von meinen intimsten
       Stellen. Ich wusste nicht, was ich dagegen tun konnte.“ Am nächsten Tag
       hätten die gleichen Finger ihr die heilige Hostie auf die Zunge gelegt und
       dann wieder zum Gebetbuch gegriffen.
       
       Zum ersten Mal befassten sich an diesem Wochenende Polens Geistliche
       offiziell mit dem Thema: „Wie verhindern und wie reagieren wir auf
       Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche?“ Eingeladen zur zweitägigen
       Konferenz in Krakau waren auch Missbrauchsopfer. „Beschämt und voller Reue
       bitten wir um Vergebung. Wir bitten Gott und wir bitten die Menschen, die
       durch Priester Leid erfahren haben,“ sagte Bischof Libera in seiner
       Bußpredigt.
       
       Allzu oft hätten Polens Bischöfe pädophile Verbrechen in den Reihen der
       Kirche verneint, hätten beschwichtigt und bagatellisiert. Allzu lange
       hätten die polnischen Kirchenführer so getan, als seien Missbrauchsfälle in
       den klerikalen Reihen ein Problem anderer Länder. „Voller Scham sehen wir,
       dass das Böse in uns selbst ist“, so Libera. Das Schweigen solle nun ein
       Ende haben.
       
       Nicht teilgenommen an dem Bußgottesdienst hatte allerdings Erzbischof Jozef
       Michalik, der Vorsitzende der Polnischen Bischofskonferenz, wie auch die
       meisten anderen polnischen Bischöfe. Noch 2013 hatte Michalik behauptete,
       dass die Kinder selbst daran schuld seien, wenn sie von Geistlichen sexuell
       missbraucht würden: „Wir hören oft, dass dieses unangemessene Verhalten
       vorkommt, wenn ein Kind nach Liebe sucht“, sagte er laut polnischer
       Nachrichtenagentur PAP. Viele Missbrauchsfälle könnten „bei einer gesunden
       Beziehung zwischen den Eltern vermieden werden“. Zwar entschuldigte sich
       der Erzbischof kurz darauf für diese Aussage, doch die Empörung der
       polnischen Katholiken über die Selbstgerechtigkeit der Kleriker ebbte nur
       langsam ab.
       
       ## Opferverband nicht eingeladen
       
       Auch wenn die meisten Missbrauchsopfer das Schuldeingeständnis der
       katholischen Kirche gutheißen, erwarten sie doch mehr: eine strafrechtliche
       Verfolgung aller Täter und eine finanzielle Entschädigung. Dies jedoch
       lehnt die Kirche vehement ab. So wurde der Opferverband „Fürchtet euch
       nicht“, der Marcin K. und dessen Klage auf insgesamt 400.000 Zloty
       (umgerechnet rund 100.000 Euro) Entschädigung unterstützt, erst gar nicht
       eingeladen. Marcin K. war als zwölfjähriger Junge mehrfach im Pfarrhaus
       missbraucht worden. Da er fürchtete, der Priester könnte von der Kanzel
       herab etwas Schlechtes über ihn sagen, schwieg er jahrelang.
       
       Polens Episkopat ist der Ansicht, dass die Kirche als Institution zwar die
       moralische Schuld mittragen könne, die finanzielle Entschädigung jedoch
       allein vom Täter zu leisten sei.
       
       23 Jun 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gabriele Lesser
       
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