# taz.de -- WM-Kolumne Ordem e Progresso: Copacabana vs. Gevelsberg
       
       > Schön ist es am Strand in Rio, aber in Westfalen hat die Kirmes begonnen.
       > Unlösbare Identitätskonflikte eines Autors mit zwei Heimaten.
       
 (IMG) Bild: Copacabana oder Kirmes? So groß ist der Unterschied nicht.
       
       RIO DE JANEIRO taz | Wenn du zwei Heimaten hast, hast du ja immer
       Schmerzen. Jetzt hänge ich hier an der Copacabana rum, okay, es ist
       Fußball-WM, aber in Gevelsberg hat die Kirmes begonnen und ich denke
       natürlich an den Hammerschmied, an Breakdance, ans Plüschtiereschießen und
       die ganze Sauferei und so. Jetzt sagt vielleicht einer, komm, Gevelsberg,
       das ist ja noch nicht mal richtig Westfalen, da gibt’s eine
       Autobahnauffahrt, sonst nix, aber mit den Heimaten ist das ja so eine
       Sache, vor allem wenn du zwei hast.
       
       Ich hab hier in Brasilien mit 12 Jahren Autofahren gelernt und mit 14
       konnte ich betrunken Auto fahren, das gehörte samstagabends zum
       Leistungsprofil. Aber in Gevelsberg habe ich mit 18 den Führerschein
       gemacht, und dann hatte ich diesen pinken Trabi mit den schwarz getönten
       Heckscheiben, und als ich dann mit einem Rumms den Chrysler und den Benz
       geschrottet hab, das sind auch Erinnerungen. Also heimatmäßig war beides
       intensiv und es sind ja auch zwei geile Feste und jetzt wollte ich halt mal
       vergleichen – was ist besser: Gevelsberger Kirmes oder Fußball-WM an der
       Copacabana?
       
       Sicherer ist es, glaube ich, hier in Rio. Ich habe zumindest noch nicht
       gehört, dass hier mal ein Musikexpress entgleist wäre oder eine
       Krakengondel weggeflogen. In Gevelsberg alles schon vorgekommen.
       
       Und auch wenn jetzt alle immer über die Fifa und korrupte Brasilianer
       schimpfen: In Gevelsberg, da brauchst du ja noch nicht mal Korruption, da
       reicht schon SPD. Wenn der Jacobi will, bleibt der noch bis zur Rente
       Bürgermeister, da kannst du noch so viel Demokratie drauf schreiben, da
       wird eh gewählt, das war schon immer so, das bleibt auch so. Ich kenne den
       Claus noch, weil er mal den Rüdiger von den Freien Wählern unter dem
       Küchentisch meiner Mutter gedemütigt hat, also Rüdiger saß unter dem Tisch,
       Claus nicht. Beide sind übrigens sehr nett.
       
       Jetzt darf man in der Sache natürlich nicht romantisieren. Am Sonntag habe
       ich im Maracanã-Stadion mal ein Bier getestet. Vier Euro, dann kam ein
       Dosenbier, da stand Budweiser drauf, die haben ja extra die Gesetze
       geändert, damit die Fifa überhaupt Bier ausschenken darf, aber das war mit
       Sicherheit kein Budweiser, und wenn, dann ist auf jeden Fall das Kirmesbier
       besser, obwohl das ja auch schon ein Schimpfwort ist.
       
       Gestern habe ich gleich an der Copacabana, mitten am Strand, dann einen
       Typen mit T-Shirt vom FC Isselhorst gesehen, das ist ein Verein aus
       Ostwestfalen-Lippe, und wenn eins mal klar ist, dann, dass selten ein
       Ostwestfale mal nur so zum Spaß nach Westfalen käme. Das spricht natürlich
       wieder für die WM: Voll viele Leute von überall, keine Haue und nix und vor
       allem die ganzen Chilenen, und wenn die jetzt erst noch Brasilien
       rausschmeißen, das kann natürlich alles noch extrem geil werden, vielleicht
       sogar geiler als der Kirmeszug am Sonntag mit dem Hammerschmied, aber ich
       weiß es nicht, ich weiß es wirklich nicht.
       
       3 Jul 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martin Kaul
       
       ## TAGS
       
 (DIR) WM 2014
 (DIR) Ordem e Progresso
 (DIR) Heimat
 (DIR) Copacabana
 (DIR) WM 2014
 (DIR) Ordem e Progresso
 (DIR) WM 2014
 (DIR) Schwerpunkt Frankreich
 (DIR) WM 2014
 (DIR) WM 2014
 (DIR) Ordem e Progresso
 (DIR) WM 2014
 (DIR) Ordem e Progresso
 (DIR) Salvador da Bahia
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) WM-Kolumne Ordem e Progresso: Ich war Papst und spiele gut
       
       Als deutscher Reporter in Brasilien wird man für die Leistung des DFB-Teams
       mitverantwortlich gemacht. Vor so viel Lob kann man nur kapitulieren.
       
 (DIR) WM-Kolumne Ordem e Progresso: Euer Fan Nummer Eins
       
       Reine Poesie: Brasiliens Präsidentin, Dilma Rousseff, hat zwei Briefe
       geschrieben. Einer gilt dem verletzten Neymar, einer der „kämpferischsten“
       Mannschaft.
       
 (DIR) Brasilianischer Weltmeister über die WM: „Die Fans machen die Magie“
       
       Das Turnier läuft für Brasilien besser als gedacht, sagt Raí, Kapitän der
       Weltmeistermannschaft von 1994. Es werde ein Motor für Veränderungen sein.
       
 (DIR) Kolumne Fußball-Wissenschaft: Drei Tage Eistonne
       
       Den Deutschen steckt die Verlängerung vom Montag in den Knochen, Frankreich
       gewann schneller. Die Fitness muss aber nicht ausschlaggebend sein.
       
 (DIR) WM-Kolumne Ordem e Progresso: Allianz der Volksverdummer
       
       Brasiliens TV-Sender bieten den Zuschauern Dauergerede, nackte Tatsachen
       und den Weg zu Gott. Fußballexperte Ronaldo macht dabei keine gute Figur.
       
 (DIR) WM-Kolumne Ordem e Progresso: Runde Popos, runde Bäuche
       
       An brasilianischen Stränden herrscht rege Betriebsamkeit. Fliegende Händler
       ziehen von Liege zu Liege. Ein teurer Spaß – doch das muss es nicht sein.
       
 (DIR) WM-Kolumne Ordem e Progresso: Freie Fahrt für Multitasking
       
       Das Metroliniennetz hat sich eigenwillig über Rio gelegt. Inmitten eines
       Zwischenraumes liegt der Flughafen. Der Weg ist frei – dank der WM.
       
 (DIR) WM-Kolumne Ordem e Progresso: Die Schönheit der Maschinengewehre
       
       Zur WM-Zeit ein Zimmer in Rio zu finden, ist nicht einfach. Man nimmt, was
       kommt. Auch wenn die Vermieterin ein Hohelied auf die Militarisierung
       singt.
       
 (DIR) WM-Kolumne Ordem e Progresso: Alle wollen gleich sein
       
       In Rio de Janeiro dominieren Trikotträger das Stadtbild. Es geht zu wie auf
       dem Kirchentag, nur sind die Gesänge nicht ganz so glockenhell.
       
 (DIR) WM-Kolumne Ordem e Progresso: Barrierefreiheit für Schlandisten
       
       Alles offen: Bei einer Besichtigungstour durchs Stadion in Salvador da
       Bahia trifft man Zeitgenossen aus Deutschland – sogar in
       Sicherheitsbereichen.