# taz.de -- Smarter Gegenkandidat: Der Modernisierer
       
       > Hamburgs CDU nominiert intellektuellen Liberalen als
       > Bürgermeisterkandidat: Der Arzt Dietrich Wersich fordert Olaf Scholz
       > (SPD) heraus.
       
 (IMG) Bild: Nett, gradlinig, gebildet und kulturbeflissen: Dietrich Wersich, Hamburgs CDU-Fraktionsvorsitzender und Herausforderer von Olaf Scholz.
       
       HAMBURG taz | Smart – das ist das häufigste Attribut, das in Hamburgs
       Politkreisen über Dietrich Wersich zu hören ist. Nett, gradlinig,
       intellektuell, kulturbeflissen sind ebenfalls gängige Charakterisierungen
       des 50-jährigen Christdemokraten; polemisch, beißerisch oder gar
       machtversessen hat ihn noch niemand genannt. Und doch will er in neun
       Monaten Erster Bürgermeister in Hamburg werden. Ein scheinbar
       hoffnungsloses Unterfangen gegen den übermächtig wirkenden
       SPD-Titelverteidiger Olaf Scholz.
       
       Der CDU-Landesvorstand hat den Fraktionschef in der Bürgerschaft jetzt
       offiziell als Bürgermeister-Kandidaten nominiert, ein Parteitag im Herbst
       wird das mit großer Mehrheit absegnen.
       
       Das war lange nicht selbstverständlich, denn Wersich und auch der zweite
       starke Mann in der Hamburger CDU, der 47-jährige Parteivorsitzende und
       Bundestagsabgeordnete Marcus Weinberg, verkörpern den Typus des liberalen,
       großstädtischen Christdemokraten, der mit Hacken-knallendem
       Rechtskonservatismus so rein gar nichts anfangen kann.
       
       Weinberg lebt ohne Trauring mit Freundin und Sohn zusammen und steht bei
       Heimspielen des FC St. Pauli im Stadion am Millerntor, Wersich lebt mit
       seinem langjährigen Freund „unverheiratet und getrennt wohnend in fester
       Partnerschaft“, wie er es formuliert. So lange ist das noch gar nicht her,
       dass für solche Lebensformen in der Union kein Platz war.
       
       Die beiden Modernisierer haben es nach 2011 geschafft, den Rechtsschwenk
       des Kurzzeit-Bürgermeisters Christoph Ahlhaus weitgehend zu revidieren.
       Natürlich steht Wersich in Treue fest zur Wirtschaft im Allgemeinen und zum
       Hafen im Besonderen, aber eben auch für exzellente Wissenschaft,
       Gründergeist und Hightech.
       
       Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf „für Frauen und Männer“, die
       Anerkennung der gesellschaftlichen Realität einer Zuwanderungsgesellschaft,
       das Ja zur direkten Demokratie sind politische Elemente, die selbst unter
       der christdemokratischen Bürgermeister-Ikone Ole von Beust nicht
       selbstverständlich waren. Und sogar eine heilige Kuh der CDU wollen der
       Bürgermeister-Kandidat und sein Parteichef schlachten: Autofahren vermeiden
       durch eine Stadtbahn und faire Bedingungen für Radfahrer.
       
       Doch gänzlich ungetrübt ist Wersichs Perspektive nicht. Vor zwei Wochen zog
       er als Oppositionsführer in der Bürgerschaft in einer unseligen Debatte zur
       Inneren Sicherheit gleichermaßen über die Rote Flora, die
       Lampedusa-Flüchtlinge und rumänische Armutsflüchtlinge her.
       
       Der eher konfuse Auftritt ließ erkennen, dass die CDU die Innere Sicherheit
       erneut zum Wahlkampfthema machen will – weil ihr geschwächter, aber noch
       immer existierender, rechter Flügel gnädig gestimmt werden muss, weil sie
       sich nicht von der SPD rechts überholen lassen will und schließlich, um der
       AfD nicht das Feld zu überlassen.
       
       Also versucht Wersich es jetzt. Wenn er scheitert, hat er dennoch nichts
       verloren. Bei einem zweiten Anlauf in fünf Jahren wäre er erst 55 – und
       Scholz vielleicht nicht mehr übermächtig.
       
       30 Jun 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sven-Michael Veit
       
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