# taz.de -- Jubelnder Vizeweltmeister: „Argentiniens ganzer Stolz“
       
       > Trotz der Niederlage gegen Deutschland feiert Argentinien die Leistung
       > seiner Mannschaft. Nur randalierende Fans trüben die Freude.
       
 (IMG) Bild: In Buenos Aires wissen die Fans: Auch ein zweiter Platz ist ein Grund zum Feiern.
       
       BUENOS AIRES taz | Das Unmögliche schaffte Argentinien nach dem
       Schlusspfiff: Es feierte den zweiten Platz! Trotz der Niederlage im Finale
       gegen die deutsche Mannschaft waren die Menschen nach dem Abpfiff auf die
       Straßen und Plätzen in nahezu allen Städten und Dörfern des Landes gezogen.
       Die Formel vom „argentinischen Traum auf den Titel“ ersetzten sie durch
       „Stolz auf unsere Mannschaft“. Orgullo, Stolz, war das Wort des Abends.
       
       Im Zentrum der Hauptstadt Buenos Aires versammelte sich rasch eine riesige
       Menschenmenge um den Obelisken und feierte überschwänglich die
       Vizeweltmeisterschaft. Die lange friedliche Jubelfeier wurde jedoch von
       schweren Ausschreitungen überschattet, als Jugendliche begannen mit Steinen
       zu werfen und umliegende Geschäfte und Restaurants zu plündern. Was folgt
       war eine mehrstündige Straßenschlacht mit der Polizei. Die setzte
       Wasserwerfer, Tränengas und Gummigeschosse gegen die Randalierer ein.
       Mindestens 100 Menschen wurden verletzt, darunter 45 Polizisten. 70
       Menschen wurden vorübergehend festgenommen.
       
       Während auf der einen Seite der überbreiten Avenida 9 de Julio die Krawalle
       tobten, wurde auf der anderen Seite gefeiert, bis die Tränengasschwaden
       alle friedlich Jubelnden erreicht und vertrieben hatten. „Das werden sie
       jetzt wieder in aller Welt zeigen, 'seht her, die Argentinier können halt
       nicht mit Niederlagen umgehen'“, schimpfte ein älterer Mann.
       
       Der Stolz auf das Auftreten der Mannschaft in Brasilien wurde denn auch
       zwischenzeitlich von der Wut auf die eigenen Landsleute verdrängt. „Es ist
       immer die gleiche Scheiße, Du willst friedlich feiern und dann kommen ein
       paar Deppen und machen alles kaputt“, sagte ein junge Frau mit Tränen in
       den Augen. „Davor plündern sie einen Kleiderladen, das sind doch
       organisierte Banden, die haben doch nur darauf gewartet, das sie loslegen
       können“, deutete ein Mann auf ein Geschäft und brachte sich mit seinem
       kleinen Sohn in Sicherheit.
       
       ## Zorn auf Schiedsrichter Rizzoli
       
       Präsidentin Cristina Kirchner war trotz der Niederlage ebenfalls stolz.
       „Alle Argentinier sind stolz auf ihre Mannschaft“, sagte sie
       Nationaltrainer Alejandro Sabella in einem Telefongespräch. Allerdings
       könnte sich die Präsidentin am Ende noch zur Buhfrau entwickeln. War sie am
       Sonntag schon aus familiären Gründen – der erste Geburtstag ihres
       Enkelsohnes stand einen Tag danach an – nicht zum Endspiel nach Rio de
       Janeiro gereist, so wird sie die Mannschaft auch nicht wie erwartet im
       Präsidentenpalast empfangen.
       
       Lediglich eine kurze Begrüßung auf dem Gelände des Fußballverbandes AFA
       ganz in der Nähe des Flughafens Ezeiza ist vorgesehen. Anschließend wird
       die Präsidentin zum Enkel fliegen, während die Mannschaft im offenen Bus
       zum Obelisken fahren wird. Das Sahnehäubchen für viele Argentinier: Am
       Dienstag fliegt Cristina Kirchner dann zum Gipfel der Brics-Staaten nach
       Fortaleza.
       
       Allgemein wird der Sieg der deutschen Mannschaft als verdient anerkannt.
       Der Zorn richtet sich auf den italienischen Schiedsrichter Nicola Rizzoli,
       der nach dem spektakulären Eingreifen von Manuel Neuer gegen Gonzalo
       Higuaín nicht auf Elfmeter erkannte. „Der Codesal des Jahrhunderts“,
       untertitelte Argentiniens große Fußballzeitung Olé das Bild von Rizzoli, in
       Anlehnung an den mexikanischen Schiedsrichter Edgardo Codesal, der den
       Deutschen im Finale von 1990 einen aus argentinischer Sicht unberechtigten
       Elfmeter zusprach und der damals zum 1:0-Sieg der Deutschen führte.
       
       Dennoch bewerten die meisten Medien vor allem das Abschneiden der
       Mannschaft positiv. „Argentiniens ganzen Stolz“ nannte der
       Nachrichtensender TN die Mannschaft. „Die Mannschaft hat alles gegeben,
       aber es hat nicht gereicht“, titelte der Nachrichtensender C5N. „Der
       argentinische Traum wurde durch ein Tor in der Verlängerung zunichte
       gemacht: Deutschland Weltmeister“, schrieb die größte argentinische
       Tageszeitung Clárin.
       
       14 Jul 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürgen Vogt
       
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