# taz.de -- Sitzung zu MH17-Absturz in der Ukraine: Erkenntnistheorie im Sicherheitsrat
       
       > Der UN-Sicherheitsrat beschließt einstimmig Ermittlungen zu dem
       > abgestürzten Flugzeug in der Ukraine. Danach wird über Wahrheiten und
       > Wissen diskutiert.
       
 (IMG) Bild: Stimmte am Ende doch für Ermittlungen: der Russische Botschafter Witali Tschurkin.
       
       WASHINGTON taz | Zur Abstimmung gehen alle Hände hoch. Auch die des
       russischen Botschafters, der bis zuletzt Kritik am Text der Resolution
       hatte. Er verlangte, dass die Ermittlungen am Absturzort unter
       internationaler – statt unter ukrainischer – Führung stattfinden. Und dass
       der Begriff „Abschuss“ durch das technischer klingende „Herunterholen“ des
       Flugzeugs ersetzt wird. Als am Montag Nachmittag der Weltsicherheitsrat
       [1][einstimmig für die Resolution votiert], ist die Erleichterung an dem
       runden Tisch zu spüren.
       
       Nach vier qualvollen Tagen in dem verkohlten Weizenfeld in der Ost-Ukraine
       sollen nun die internationalen Ermittler ungehinderten Zugang bekommen und
       soll die Suche nach Erklärungen für die Katastrophe der Malaysia Airlines
       Nummer 17 beginnen. Fast gleichzeitig sind die ersten Leichen von
       Absturzopfern in einem Kühlzug gen Westen unterwegs. Und die Regierung in
       Kuala Lumpur erhält die beiden Black Boxen der Absturzmaschine. Es scheint
       Bewegung in die festgefahrene Situation zu kommen.
       
       Es ist die größte Einigkeit, die der Weltsicherheitsrat in seinen mehr als
       einem Dutzend Sitzungen zu der Lage in der Ukraine seit dem Beginn der
       Krise geschafft hat. Doch sie währt nur die Zeit einer Abstimmung. Darauf
       folgt die Aussprache. Darin sind selbst die Beileidsbekundungen für die
       Opfer und die Empörung über die Behinderungen bei den Bergungsarbeiten und
       über den respektlosen Umgang mit den Toten politisch. Als die 15 Mitglieder
       des Weltsicherheitsrates und die Vertreter aller Länder, aus denen Opfer
       stammen, sowie aus der Ukraine das Wort ergreifen, trennt sich das Gremium
       in feindselige Lager.
       
       Die einen reden von „Rebellen“. Die anderen – darunter sämtliche
       EU-Mitglieder – reden von „Separatisten“, oder – im Fall von Litauen und
       der Ukraine – umstandslos von „Terroristen“. Zahlreiche Alliierte der USA
       wollen schon vor Beginn der Ermittlungen wissen, dass die Rebellen in der
       Ost-Ukraine das Flugzeug abgeschossen haben und dass Moskau zumindest eine
       Mitverantwortung, wenn nicht sogar die Hauptverantwortung für die
       Katastrophe trägt.
       
       ## Aus Wahrscheinlichkeit wird Beweislast
       
       Lediglich einige afrikanische und lateinamerikanische Vertreter warnen vor
       voreiligen Schlussfolgerungen und wollen: „die Wahrheit herausfinden“. Der
       russische Botschafter Witali Tschurkin seinerseits legt nahe, dass es das
       ukrainische Militär gewesen sein könnte, das in unmittelbarer Nähe der
       Katastrophenstelle in ostukrainischen Dörfern und Städten mit schweren
       Waffen kämpft und das in den Stunden nach der Katastrophe ungewohnt
       intensiv Luftspionage betrieben hat. Er erinnert auch an den Abschuss einer
       russischen Passagier-Maschine auf dem Weg von Tel Aviv nach Novosibirsk im
       Oktober 2001 über der Ukraine: „Die Umstände sind klar, aber die Ukraine
       hat es immer abgelehnt, die Verantwortung zu übernehmen“.
       
       Die schärfsten Worte kommen von der US-amerikanischen UN-Botschafterin
       Samantha Power. Sie hat schon am Tag nach der Katastrophe erklärt, dass
       „wahrscheinlich“ moskautreue Rebellen in der Ost-Ukraine die Maschine mit
       einer Boden-Luft-Rakete abgeschossen hätten. Seither hat US-Außenminister
       John Kerry jene „Wahrscheinlichkeit“ in zahlreichen Fernsehinterviews zu
       einer „mächtigen Beweislast“ gemacht und Moskau sowohl die Lieferung der
       Abschusswaffe an die Rebellen, als auch ihre Ausbildung daran, als auch den
       Rücktransport der Abschussrampe nach Russland nach der Katastrophe
       vorgeworfen. Vorgelegt haben die USA ihre „Beweise“ bislang nicht.
       
       Am Montag im Weltsicherheitsrat nutzt Power die Aussprache zu einer Anklage
       gegen Putin und zu einer Lobrede auf den ukrainischen Präsidenten Petro
       Poroshenko. Ersterer habe seinen Einfluss auf die Separatisten nicht
       genutzt, um sie an der Zerstörung von Beweisen zu hindern. Letzterer habe
       „alles“ richtig gemacht. Unter anderem, weil er einen Waffenstillstand im
       Umkreis von 40 Kilometern um die Absturzstelle entschieden habe.
       
       ## Gedenken an die Opfer
       
       Die 298 Toten aus dem Flugzeug kommen vor allem in den Reden der
       australischen Außenministerin und ihres niederländischen Kollegen, die
       beide zu der Weltsicherheitssitzung nach New York gekommen sind, vor. Die
       meisten Menschen in dem Flugzeug stammten aus den beiden Ländern. Julie
       Bishop spricht über ein Elternpaar, das drei Kinder und deren Opa bei dem
       Absturz verloren hat. Frans Timmermans spricht über Angehörige, die erst
       einen Ehepartner verloren haben und dann befürchten mussten, dass deren
       Ehering am Absturzort geplündert wird. „Das“, sagt er, „werde ich bis zu
       meinem Lebensende nicht verstehen“.
       
       Dann hat der ukrainische Vertreter das Wort. Er beginnt mit einer
       Kondolenzerklärung. Sie fällt förmlicher und steifer aus, als die seiner
       Vorredner. Dann bemüht er sich um den politischen Nutzen der Katastrophe
       für seine Regierung. Ausführlich beschreibt er die „inhumane Natur“ der
       „illegalen bewaffneten Gruppen“, die „drei Verbrechen“ begangen hätten:
       „einen terroristischen Anschlag, beleidigendes Verhalten gegenüber den
       Leichen und Behinderung der Ermittlungen“.
       
       22 Jul 2014
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.un.org/en/sc/documents/resolutions/2014.shtml
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dorothea Hahn
       
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