# taz.de -- Martial-Arts-Film „The Raid 2“: Von Macht und Geldgier verformt
       
       > Der derzeit angesagteste Prügelhandwerker kommt aus Indonesien. Iko Uwais
       > spielt in „The Raid 2“ wieder den jungen Polizisten Rama.
       
 (IMG) Bild: In „The Raid 2“ geht es noch um echte Kloppe.
       
       Im Grunde ist der Martial-Arts-Film ein einziger Anachronismus: Wo fast
       überall sonst im Unterhaltungskino der Gegenwart – schon seit mehreren
       Jahrzehnten und zunehmend ausschließlicher – digital simulierte, am
       Computer errechnete Welten dominieren, dreht sich in den vor allem in Asien
       nach wie vor äußerst erfolgreichen Prügelfilmen alles um
       knochenbrecherischen Realismus.
       
       Die eingeschworene Fangemeinde legt Wert darauf, dass bei den spektakulären
       Actionszenen nicht mit gezinkten Karten gespielt wird, dass also die
       vorgeführten Schlag- und Trittkombinationen nicht nur theoretisch
       durchführbar sind, sondern auch tatsächlich vor der Kamera durchgeführt
       wurden, ohne die Unterstützung von Bühnentricks und Spezialeffekten. Jackie
       Chan zum Beispiel, einer der größten Stars der Szene, wird dafür gefeiert,
       dass er die Stunts in seinen Filmen allesamt – oft auf Kosten größerer und
       kleinerer Blessuren – selbst realisiert.
       
       Ein solches Ethos könnte schnell in nerviges Macho-Gehabe umschlagen: die
       letzten echten Männer, die die letzten echten Filme drehen. Dass das eher
       selten geschieht, liegt zum einen daran, dass die meisten
       Martial-Arts-Stars ausreichend selbstironiefähig sind; und zum anderen
       daran – und das mag sich zunächst komisch anhören –, dass die Gewalt in
       diesen Filmen vor allem Selbstzweck ist: Es geht bei den Prügeleien erst in
       zweiter Linie um Vaterland, Familie, Ehre und wo weiter – wichtiger ist die
       Kampfkunst selbst, ihre Regeln, ihre elegante Ausführung, die
       Körperbeherrschung, die ihr zugrunde liegt.
       
       Der Kämpfer stellt sein Können vor der Kamera stolz aus, wie ein Handwerker
       das Produkt seiner Arbeit.
       
       Der derzeit angesagteste Prügelhandwerker kommt aus Indonesien: Iko Uwais
       begann seine Karriere mit Showkämpfen im südostasiatischen Kampfkunststil
       Silat. Im Jahr 2009 wurde er von Gareth Evans, einem walisischstämmigen
       Regisseur, den die Liebe nach Indonesien geführt hatte, fürs Kino entdeckt.
       Die drei Filme, die die beiden seither miteinander gedreht haben, gehören
       zu den aufregendsten Genrebeiträgen der letzten Jahre.
       
       Insbesondere gilt dies für „The Raid“ aus dem Jahr 2011: Ein ungemein
       effektiver, klaustrophobischer Thriller, der, fast schon in Echtzeit, eine
       Polizeirazzia in einem von kriminellen Gangs terrorisierten Mietshaus
       nachvollzog und unterwegs wie nebenbei das äußerst düstere Bild einer
       Gesellschaft entwarf, in der alle zwischenmenschlichen Beziehungen
       ausschließlich über Gewaltakte vermittelt werden.
       
       ## Totale Isolation
       
       Uwais spielte den jungen Polizisten Rama, der am Ende des Films zwar
       lebendig davongekommen war, aber nur auf Kosten seiner totalen Isolation:
       Das organisierte Verbrechen hat es sowieso auf ihn abgesehen, aber auch der
       Polizeiapparat hat sich als durch und durch korrupt erwiesen.
       
       Das ist der Ausgangspunkt von „The Raid 2“: Weil Rama alle bürgerlichen
       Sicherheiten verloren gegangen sind, sieht er sich genötigt, einen
       gefährlichen Undercover-Auftrag anzunehmen. Er schleicht sich in die Gang
       des Bandenchefs Bangun ein und gerät bald zwischen die Fronten einer
       blutigen Auseinandersetzung zwischen indonesischen und japanischen
       Gangstern – eine Paraderolle für Uwais, dessen jugendliches, sanftes
       Allerweltsgesicht nichts von der explosiven Dynamik verrät, die seinen
       Kampfstil auszeichnet.
       
       Nur auf den ersten Blick bildet die recht komplexe, sich über den Verlauf
       mehrerer Jahre entspannende Handlung von „The Raid 2“ einen Gegensatz zum
       strikt linearen, überschaubaren Plotgerüst des Vorgängers.
       
       ## Die Luft zum Atmen nehmen
       
       Im Kern geht es in beiden Filmen darum, wie Menschen (beziehungsweise fast
       ausschließlich: Männer; mit einer spektakulären Ausnahme bleiben auch im
       neuen Film die Frauen außen vor, warten zu Hause, bei zugezogenen
       Vorhängen, den Ausgang der Schlacht ab) von Macht- und Geldgier so lange
       verformt werden, bis sie sich gegenseitig die Luft zum Atmen nehmen. Und in
       beiden Filmen besteht der einzige Ausweg, das einzige Ventil in fast schon
       orgiastischen Gewaltexzessen.
       
       Eine unübersehbare Differenz gibt es allerdings doch: „The Raid 2“ dauert
       knapp 50 Minuten länger als der Vorgänger. Vor allem in der zweiten
       Filmhälfte folgt eine in epischer Länge durchexerzierte – und mit Vorliebe
       vor minimalistisch stilisierter Kulisse meisterlich inszenierte –
       Actionszene der nächsten. Für Fans ist der Film ein einziges Fest. Wer aber
       nicht zumindest eine kleine Schwäche für den spektakulären Realismus des
       Martial-Arts-Kinos hat, dürfte sich nach den zweieinhalb Stunden, die Rama
       benötigt, um den Gangsterclan aufzumischen, gründlich weichgeklopft fühlen.
       
       24 Jul 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lukas Foerster
       
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