# taz.de -- Kolumne Über Ball und die Welt: „Fußball ist wie Krieg, nur schöner“
       
       > Drei US-Studentinnen sind auf der Suche nach der Sprache des Fußballs.
       > Aber Fußball als Sprache bedeutet vor allem das Austragen von Konflikten.
       
 (IMG) Bild: Auch das gehört zur „Sprache des Fußballs“: Eintracht-Braunschweig-Fans im Stadion von Hannover 96.
       
       Diese Kolumne erzählt von drei jungen Frauen aus Pennsylvania, USA, die an
       ihrer Uni zusammen Fußball spielen und für einen Monat ins belgische Leuven
       gingen, um dort zu studieren. Für die Freundinnen war das Programm ihrer
       Hochschule, der Lehigh University, ein Glücksfall, wollten sie doch immer
       schon gemeinsam nach Europa reisen.
       
       „Wir konnten nicht nur Leuven erkunden“, erzählte eine der jungen Frauen
       ihrer Unizeitung, „sondern auch Fußball spielen – mit anderen
       Lehigh-Studenten oder mit Europäern.“
       
       Fußball mit Europäern? Hier, also in Europa, stößt die Formulierung
       merkwürdig auf. Hätten sie „mit Afrikanern“ gesagt, wäre es wie
       selbstverständlich durchgegangen. Doch anders, als man vielleicht glauben
       könnte, steckt in der Redewendung vom Fußball mit Europäern nichts
       Geringschätziges. Denn sie haben im Fußball etwas entdeckt, das man als
       „die europäische Sprache“ bezeichnen könnte. „Ich dachte, dass die
       Sprachbarriere in Belgien größer wäre, wenn wir mit den Leuten spielen
       würden“, berichtet eine junge Frau, „aber Fußball ist eine Sprache für
       sich.“
       
       Die drei fanden Sportanlagen, in denen belgische Jungs kickten. „Als wir
       fragten, ob wir mitspielen könnten, kicherten sie leise und schoben die
       Frage von einem zum anderen.“ Es bedarf nicht viel Fantasie, um sich die
       Szene bildhaft vorzustellen: Mädchen! Aus Amerika! Kaugummi kauend!
       
       ## Fußball zur Austragung von Konflikten
       
       „Am Ende sagte einer von ihnen, dass wir mitspielen dürfen. Wir legten
       sofort los, aber in den ersten zehn Minuten gaben sie uns nie den Ball ab.“
       Auch das kann man sich gut vorstellen. „Als wir endlich ins Spiel kamen,
       konnten wir zeigen, dass Mädchen Fußball spielen können. Und die Jungs
       spielten auf einem hohen Niveau. Es machte uns Spaß, mal in einer solchen
       Umgebung spielen zu können.“
       
       Zugegeben, die Geschichte von den drei Studentinnen hat einen hohen
       Kitschfaktor, der ältere Schlagerfreunde an „Wenn du denkst, du denkst,
       dann denkst du nur, du denkst, ein Mädchen kann das nicht“ von Juliane
       Werding erinnern dürfte. Dabei ist der Bericht der jungen Frauen eindeutig
       nicht von der – in der Regel falschen – Selbsteinschätzung geprägt, sie
       hätten sich mit ihren besonderen Fähigkeiten in einer harten Männerwelt
       durchgesetzt, den Jungs quasi angepasst.
       
       Den drei Amerikanerinnen geht es wirklich um Sprache. Nun ist, schon wieder
       zugegeben, der Gedanke, Fußball sei eine Sprache, die jeder Mensch auf der
       Welt verstehe – darin der Musik sehr ähnlich –, ja auch nicht gerade der
       originellste. Dumm und falsch wird der Gedanke aber nur dann, wenn man ihn
       bloß zur Beschreibung einer Hanni-und-Nanni-Welt verwendet: Alle Menschen
       aller Länder aller Religionen aller Geschlechter aller Hautfarben und aller
       anderen Unterschiede, die uns noch so einfallen, sind im Spiel mit dem Ball
       vereint und werden glücklich.
       
       Aber nicht mal Völkerball erfüllt dieses Kriterium. Und Fußball schon gar
       nicht. Fußball als Sprache bedeutet immer – und vor allem – das Austragen
       von Konflikten.
       
       ## „Wie Krieg, nur schöner“
       
       Augenfällig ist das bei einer WM, wenn, je nachdem was man gern als
       politische Großwetterlage bezeichnet, russische oder amerikanische,
       iranische oder deutsche, kroatische oder israelische Teams ausgebuht
       werden. Das gilt auch für Vereinsfußball, wenn reiche gegen arme, mithin
       das Kapital oder die Arbeiterklasse repräsentierende Teams
       aufeinanderprallen. Das gilt für einzelne Spieler, in denen Fans den Macho,
       die Heulsuse oder ein anderes gesellschaftliches Stereotyp erblicken. Es
       gilt immer.
       
       Im WM-Achtelfinale siegte Belgien über die USA in der Verlängerung 2:1.
       Niemand hat das als bloßes Spiel zwischen elf kurzbehosten Männern auf
       beiden Seiten wahrgenommen: Es war klein gegen groß, Tradition gegen
       Moderne, alte Welt gegen neue Welt und was man so alles
       hineininterpretieren kann. Soccer is a language, und mit der lässt sich
       alles Mögliche ausdrücken. Oder, wie es der Schriftsteller Gerhard Henschel
       einmal so schön formulierte: „Fußball ist wie Krieg, nur schöner“.
       
       24 Jul 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martin Krauss
       
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