# taz.de -- Nachrichten von 1914 - 27. Juli: Vermittelnde Schritte der Mächte
       
       > Deutschland, Frankreich, England und Italien bemühen sich gemeinsam, im
       > österreichisch-serbischen Konflikt zu vermitteln, damit aus der Krise
       > kein Weltkrieg entsteht.
       
 (IMG) Bild: Österreiches Militär bei einer Übung an der Grenze zu Serbien.
       
       Ein Wiener Blatt hat gemeldet, dass die Serben die Eisenbahnbrücke über die
       Donau zwischen Belgrad und Semlin in die Luft gesprengt hätten. Die
       Nachricht ist bisher von anderer Seite nicht bestätigt worden. Wie kaum
       erst gesagt zu werden braucht, wäre die Sprengung der Donaubrücke ein Akt
       von unbestreitbarer strategischer Wichtigkeit.
       
       Sie würde zugleich die erste wirkliche Kriegstat sein und Serbien hätte
       dann, da die Brücke österreichisches Eigentum ist, den Krieg begonnen. In
       unterrichteten Kreisen erklärt man im Übrigen die allgemein auffallende
       Tatsache, dass die Österreicher Belgrad noch nicht besetzt haben, nicht mit
       diplomatischen, sondern mit rein militärischen Gründen. Es scheint, dass
       die Aktion erst beginnen soll, wenn der österreichische Aufmarsch vollendet
       ist.
       
       Es gibt – wie immer, wenn in solchen Zeiten vierundzwanzig Stunden lang
       nichts geschieht – Skeptiker, die bereits meinen, es werde zu dieser Aktion
       überhaupt nicht kommen, und es werde gar nichts geschehen. Diese Auffassung
       teilen wir nicht. Österreich-Ungarn ist diesmal absolut entschlossen, mit
       militärischer Gewalt vorzugehen und in Serbien eine Situation zu schaffen,
       die – soweit das möglich ist – die Niederhaltung oder doch die Minderung
       der großserbischen Gefahr verbürgt.
       
       Nur wenn Serbien in letzter Stunde selbst bereit sein sollte, eine solche
       Situation schaffen zu lassen, könnte der österreich-serbische Krieg zu
       vermeiden sein. Dass die Bedingungen, die in dem österreichischen Ultimatum
       gestellt wurden, jetzt noch zur Grundlage einer Einigung werden könnten,
       ist, nachdem die im Ultimatum vorgesehene Frist verstrichen ist und die
       Dinge sich weiter entwickelt haben, nicht ohne weiteres anzunehmen. Wir für
       unser Teil sind der Meinung, dass diese Bedingungen schon deshalb sehr
       kritisierbar waren, weil sie einen praktischen Wert nicht besaßen.
       
       Inzwischen werden die Bemühungen der zunächst nicht direkt beteiligten
       Großmächte, den Krieg zu lokalisieren, fortgesetzt. Wie wir schon im
       Morgenblatt sagten, ist die Haltung Frankreichs, das seinen Einfluss in
       Petersburg in friedlichem Sinne geltend zu machen sucht, erfreulich und
       anerkennenswert, und ebenso geschieht von englischer Seite alles, um eine
       Ausdehnung der Kriegsgefahr zu verhindern.
       
       Es ist ganz selbstverständlich, dass Deutschland sich andauernd diesen
       Bemühungen anschließt, und ein Beweis für das Zusammengehen dieser Mächte
       liegt auch in einer offiziösen Depesche aus Paris, die von einer neuen
       Unterredung zwischen dem interimistischen Ministerpräsidenten
       Bienvenu-Martin und dem deutschen Botschafter Freiherrn v. Schoen
       berichtet. Aus Rom kommt die Meldung, der englische und der italienische
       Botschafter hätten heute in Wien gemeinsam eine Vermittlung versucht. Ob
       man von diesem Schritt, falls er erfolgt sein sollte, schon eine Lösung
       oder eine entscheidende Wendung erwarten darf, erscheint und zweifelhaft.
       
       Wir halten – immer mit dem nötigen Vorbehalt – an der Hoffnung fest, dass
       es den gemeinsamen Bemühungen Deutschlands, Frankreichs, Englands und
       Italiens gelingen wird, einen Weltkrieg zu verhindern, der keiner einzigen
       dieser Großmächte erwünscht sein kann. Es ist wahr, dass von einigen Seiten
       sehr alarmierende Nachrichten über die Haltung Russlands verbreitet werden
       und dass der Petersburger Korrespondent der „Kölnischen Zeitung“ seinem
       Blatte telegrafiert: „Viele Anzeichen sprechen dafür, dass die
       Kriegspartei, ihren Willen der bewaffneten Einmischung durchsetzt.“ Diese
       Meldung steht im Widerspruch zu dem Telegramm, das der – im allgemeinen
       vortreflich informierte – Petersburger Korrespondent des offiziösen
       Wolffischen Bureaus gestern in später Abendstunde sandte und in dem es
       hieß, dass nach einer Unterredung Sajonows mit dem
       österreichisch-ungarischen Botschafter der Eindruck günstiger sei, wenn
       auch die Lage kritisch bleibe.
       
       Wir glauben, dass für den Augenblick diese Darstellung das Richtige trifft,
       aber wir betonen ausdrücklich: für den Augenblick. Diese Affäre steht erst
       am Anfang, und das russische Eingreifen kann, wenn es jetzt nicht erfolgen,
       oder in den Tagen, wo es sich um die Regelung der serbischen Frage handeln
       wird. Das sind Möglichkeiten, mit denen jeder vorsichtige Beurteiler
       natürlich fortgesetzt rechnen muss. Aber zwischen solch vorsichtigen
       Abwägen und einer absolut pessimistischen Anschauung ist der Unterschied
       noch groß.
       
       Quelle: Berliner Tagblatt
       
       27 Jul 2014
       
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