# taz.de -- ARD-Fernsehfilm mit Matthias Brandt: Last Kotzbrocken Standing
       
       > Großkopferter Zeitungsverleger, Liebeleien, Politzirkus: „Männertreu“ hat
       > das öffentliche Erregungstheater fein beobachtet.
       
 (IMG) Bild: Mann von Wert: Verleger Georg Sahl (Matthias Brandt).
       
       Eine Frankfurter Tageszeitung – der Titel in Fraktur – mit nicht fünf oder
       vier, sondern einem allein herrschenden Herausgeber. Dessen Motto muss
       schon von Kant kommen: „Ich kann, weil ich will, was ich muss.“ Überhaupt
       zitiert dieser Georg Sahl (Matthias Brandt) gern, kennt seinen Börne und
       Kleist. Der dräuenden Boulevardisierung seines Blatts begegnet er mit
       Autorität und Sarkasmus. In Georg Sahl steckt mehr als nur ein bisschen
       Frank Schirrmacher – er ist es aber nicht.
       
       Und dann ist da noch die andere Seite dieses Georg Sahl – der bräsige
       Charme dieses Selfmade-Machtmenschen, der auf viele junge Frauen
       unwiderstehlich wirkt. Und es waren wohl wirklich sehr viele über die
       Jahrzehnte. Sahl hat nie versucht, seine Affären vor der Ehefrau und dem
       inzwischen erwachsenen Sohn zu verbergen. Er ist nämlich ein Mann mit
       festen Prinzipien.
       
       ## Der Bildungsbürger-Macho
       
       Frankfurter Oberbürgermeisterin (Margarita Broich) trägt ihm im Auftrag der
       Kanzlerin das Amt des Bundespräsidenten an. Sahl meint noch zu kokettieren,
       wenn er sagt: „Du weißt, dass ich nie wie ein Klosterschüler gelebt habe.“
       Die Bürgermeisterin: „Tja und? Wir sind doch hier nicht in Amerika. Und mit
       Steinen auf Polizisten hast du nie geworfen, mein liberaler Freund!“
       
       Dieser Georg Sahl ist brillant, kultiviert, charismatisch, meinungsstark,
       eitel, selbstverliebt, egozentrisch – und rücksichtslos. Auch und besonders
       gegenüber der eigenen Familie. Man nimmt Matthias Brandt diesen
       Bildungsbürger-Macho Sahl problemlos ab – er hat die darstellerische Klasse
       und hatte selbst einen Vater, in dessen Leben sich durchaus Parallelen zu
       dieser Rolle finden lassen.
       
       Auch sonst stimmt fast alles in diesem Film von Regisseurin Hermine
       Huntgeburth und Drehbuchautorin Thea Dorn. Es ist eine herrlich böse
       Versuchsanordnung, den Mann, der – mit besagter einen Ausnahme – sämtliche
       alten Werte hochhält, mit dem zu konfrontieren, was er Erregungstheater
       nennt: Die kleine Volontärin, die an die große Liebe mit ihm glaubte, rennt
       direkt aus seinem Hotelzimmer vor ein Auto.
       
       Und Georg Sahl will es partout nicht einsehen – dass wir längst in Amerika
       sind. Dass er nun mit seiner Frau die Clintons geben soll: „Sie werden in
       der Öffentlichkeit demonstrieren, dass Ihre Ehe absolut krisenfest ist.
       Getragen von tiefem gegenseitigem Vertrauen. Kriegt sie das hin?“
       
       ## Er kann es nicht lassen
       
       Der aalglatte PR-Profi (Ronald Kukulies) zweifelt an der falschen Person.
       Sie (Suzanne von Borsody) kriegt das hin. Sie hatte es bereits der
       Volontärin erklärt: „Frauen wie Sie braucht mein Mann immer wieder. Mich
       braucht er immer.“ Wer es nicht hinkriegt, nicht hinkriegen will, ist Georg
       Sahl. Gespielt von Matthias Brandt, dessen Politiker-Vater Willy Brandt
       auch so ein Mann gewesen sein soll, der die Frauen liebte. Aber das war in
       einem anderen Zeitalter.
       
       Heute muss sich Georg Sahl in der verhassten Talkshow Unverschämtheiten
       anhören wie: „den Bock zum Bundespräsidenten machen.“ Da kann er es nicht
       lassen, live bei einer dieser Maischberger-/ Will-/Illner-artigen Talkshows
       anzurufen und die Moderatorin daran zu erinnern, dass auch sie gleich nach
       seinem einzigen Besuch in der Sendung mit ihm geschlafen habe.
       
       „Was für ein Geseire!“, konstatiert Sahls Sohn einmal angewidert. Es ist
       aber ein von Thea Dorn sehr genau beobachtetes Geseire. Es ist genau das
       Geseire, das das nicht fiktionale Fernsehen und sein Personal aus dem
       Politikbetrieb jeden Tag von sich geben. Diese Welt ist viel zu verlogen,
       als dass ein so standfester Kotzbrocken wie Georg Sahl darin Präsident
       werden könnte.
       
       Was für eine Erkenntnis.
       
       30 Jul 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jens Müller
       
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