# taz.de -- Lärmschutz: Der Korbabschließer
       
       > Jeden Abend wird der einzige Basketballkorb in der Hafencity mit
       > Stahlkreuz verriegelt, damit die Anwohner Ruhe haben. Damit sind aber
       > nicht alle einverstanden.
       
 (IMG) Bild: Schluss mit Spielen: Um 20 Uhr kommt der Korbabschließer mit Leiter und Schloss.
       
       Kurz vor 20 Uhr an einem lauen Samstagabend in der Hafencity: In kurzen
       Hosen und Sandalen, mit Leiter unterm linken und Stahlkreuz unterm rechten
       Arm steht Hamburgs einziger Korbabschließer da und schaut auf seine Uhr.
       Hamburgs neuer Vorzeigestadtteil lässt jeden Tag seinen einzigen
       Basketballkorb von einem extra dafür bestellten Mitarbeiter abschließen.
       „Letzter Punkt“, ruft er den Spielern zu. Das Gemecker hält sich in
       Grenzen, nur ein Neuling ist entgeistert ob des Zapfenstreichs.
       
       Bei Sonnenschein scheint der makellose Court mitten auf dem
       Vasco-da-Gama-Platz – Graffiti oder Müll sucht man vergebens – einem
       mediterranen Urlaubsprospekt entsprungen zu sein. Das oval geformte Feld
       hat einen quittengelben Boden und wird von geschwungenen Metallgestängen
       und Betonmöbeln begrenzt. Er ist nicht umzäunt oder versteckt auf einer
       Sonderfläche, sondern liegt da in bester Lage mit freiem Blick auf die Elbe
       und den Hafen. Praktisch in Wurfweite befinden sich eine Bäckerei, ein
       Feinkostladen, eine Bistrobar, ein Maklerbüro und zahlreiche Wohnungen.
       
       ## Ruhebedürfnis ist stark
       
       Hätte sich die Hafencity GmbH mit der Streetball-Szene befasst – so wie sie
       es im Fall der Skateboard-Anlagen am Kreuzfahrtterminal getan hat –, hätte
       sie wissen müssen, dass der Court eine Sogwirkung auf Spieler aus allen
       Stadtteilen haben wird. Diesen nicht endenden Bock der Jugendlichen auf
       Basketball und das starke Ruhebedürfnis einiger Anwohner haben die Planer
       unterschätzt: Der Lärmkonflikt war vorprogrammiert.
       
       Eingeweiht wurde der Basketballplatz im September 2007 mit einem
       Streetball-Turnier. Davor ging es hier sehr ruhig zu und die Anwohner der
       ersten Stunde hatten sich daran gewöhnt. Doch dann folgten Tage, an denen
       auf dem Court stundenlang gezockt wurde: Drei gegen drei, oft bis weit nach
       Sonnenuntergang und zuweilen mit Musik aus dem Ghettoblaster. Da halfen
       auch die lärmoptimierte Prallfläche aus synthetischem Kautschuk und das
       schallgedämpfte Korbbrett wenig.
       
       Bald wies das erste Schild „für ein verträgliches Miteinander“ auf
       eingeschränkte Spielzeiten hin: 10 bis 20 Uhr, Sonntag, 13 bis 15 Uhr
       Mittagsruhe. Ohne Erfolg. Angefressene Anwohner suchten das Gespräch mit
       den Basketballern, schrien vom Balkon, riefen die Polizei. Einige zogen
       weg. Nach einer Unterschriftensammlung rief die Hafencity GmbH 2008 eine
       Krisensitzung ein. Im Ergebnis wurde die Eisenkette des Korbs durch ein
       Netz ersetzt und die Öffnungszeiten unübersehbar in Großbuchstaben direkt
       auf dem Brett vermerkt. Als das nicht half, kam man auf die Idee mit dem
       Stahlkreuz.
       
       Der Korbabschließer, der lieber anonym bleiben will, steigt auf seine
       Klappleiter, legt das Kreuz über den Ring und schließt es mit einem
       Vorhängeschloss ab. Seit 2011 wohnt er in der Hafencity, fast genauso lang
       geht er morgens und abends seinem Nebenjob nach. Auch bei Regen schließe er
       den Korb ab, man wisse ja nie.
       
       Für die Hafencity ist das Korbabschließen kein Eingeständnis, dass das
       erdachte Freizeit- und Wohnkonzept am Vasco-da-Gama-Platz zu optimistisch
       war. Susanne Bühler, Pressesprecherin der Hafencity GmbH, meint, es sei
       nach wie vor „eine lebendige Nutzungsmischung für die Bewohner, aber auch
       für Besucher unser Ziel“. Dass es in Einzelfällen auch Reibungen und
       Interessenskonflikte geben könne, sei klar, man sammle noch
       Erfahrungswerte.
       
       Mit dem Stahlkreuz hat die Hafencity das Selbstverständnis eines
       öffentlichen Spielplatzes ad absurdum geführt, dafür aber die Hoheit über
       den Platz zurückgewonnen. Aber viele Anwohner sehen in dem Verschluss des
       Korbes einen Skandal, eine lächerliche Maßnahme oder Geldverschwendung.
       
       Es werde das Bild vermittelt, „dass wir nicht alle Tassen im Schrank
       haben“, sagt etwa Anwohner Antonio Fabrizi. Der Barbetreiber und Ex-Banker
       beklagt ohnehin das „lebens- und lustfeindliche Reichen-Ghetto-Image“ der
       Hafencity. Ein verriegelter Basketballkorb bestärke solche Vorurteile nur.
       „Der Platz war nie als Oase der Ruhe geplant, sondern als Sammelplatz für
       Jugendliche.“ Trubel und Lärm gehörten in einem innerstädtischen
       Hafenquartier, das zugleich privater Lebensraum und Besucherattraktion sein
       will, einfach dazu: „Man zieht ja auch nicht aufs Land und erwartet, dass
       dort keine Kühe muhen“, sagt Anwohnerin Conceicao Feist.
       
       ## Zaghaftes Feilschen
       
       Es ist 20.01 Uhr und auf die zaghaften Feilschversuche der Spieler – „Noch
       fünf Minuten?!“ – lässt sich der Korbabschließer auch an diesem Abend nicht
       ein. Dazu achten auch zu viele Anwohner darauf, dass der Korb pünktlich
       abgeschlossen wird. „Richtig Ärger gab es noch nie“, sagt er. Und als
       Spielverderber fühle er sich auch nicht: „Es ist so, wie es ist und das
       Abschließen funktioniert.“
       
       6 Aug 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Mike Liem
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Hafencity
 (DIR) Lärmschutz
       
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